"Wir wollen eine weltoffene und mitfühlende Gesellschaft bleiben, und dafür kämpfen wir", sagte Weil vor rund 350 Gästen bei der Auftaktveranstaltung in Hannover. Im November hatten sich Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Kirchen mit der Landesregierung zum Bündnis "Niedersachsen packt an" zusammengeschlossen. Sie wollen die Integration der mehr als 100.000 Flüchtlinge voranbringen, die im vergangenen Jahr ins Land kamen. Unter den Bundesländern hat nur Brandenburg ein vergleichbares Bündnis.
"Was wir jetzt vor uns haben in Niedersachsen ist eine riesige Aufgabe, und wir können sie nur gemeinsam lösen", betonte Weil. Vielleicht liege der Einsatz für Flüchtlinge "ein bisschen in der niedersächsischen DNA". Niedersachsen sei eine der Regionen in Deutschland, die nach dem Zweiten Weltkrieg besonders viele Flüchtlinge aufgenommen hätten. Für viele Familien sei dies eine lebensprägende Erfahrung. Zu den Übergriffen und Diebstählen in Köln und anderen Städten in der Silvesternacht sagte der Ministerpräsident: "Ich empfinde das als echten herben Rückschlag für unsere Gesellschaft."
Landesbischof Meister mahnt zur Einigkeit
Das Bündnis will Kräfte bündeln, um Flüchtlinge unter anderem in Bildung, Arbeit und den Wohnungsmarkt einzugliedern. Dreimal im Jahr sollen künftig Integrationskonferenzen stattfinden, bei denen die Teilnehmer aktuelle Probleme besprechen und Lösungen für die Politik erarbeiten wollen. Die erste Konferenz ist für den 16. März vorgesehen. Geplant sind auch Regionalkonferenzen. Das Land stellt für die Arbeit des Bündnisses 2016 eine Million Euro zur Verfügung.
Der evangelische Landesbischof Ralf Meister aus Hannover mahnte bei der Veranstaltung zur Einigkeit. Die Ankunft der Flüchtlinge könne ein "Gewinn und Reichtum für die Gesellschaft" sein. Sie berge aber auch die Gefahr zu einer Spaltung. "Was uns schadet, ist ein breiter offener Streit über die Integration von Flüchtlingen", sagte Meister. Kirchen könnten Orte für ehrliche Debatten sein, in denen Menschen auch Ängste und Sorgen äußern könnten, ohne gleich in die rechte Ecke gestellt zu werden.
Auch beim Neujahrsempfang der Landeskirche am 6. Januar 2016 im Kloster Loccum war "Niedersachsen packt an" eines der zentralen Themen. Landesbischof Ralf Meister betonte das "klare Signal des Gemeinsamen". Er sagte: "Das Bündnis Niedersachsen-packt-an ist der Ausdruck einer gemeinsamen Haltung, die Menschen zusammen hält und sie widerständig macht gegen fahrlässige Argumente, gegen die Bedrohung der Humanität in unserem Land. Wir brauchen gerade in unruhigen Zeiten auch öffentliche Vergewisserung, die Haltungen in unserer Gesellschaft stabilisiert, festhält und fortschreibt."
Die Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, Martina Wenker, berichtete von Netzwerken syrischstämmiger Ärzte, die sich unentgeltlich für Flüchtlinge einsetzten. "Eine gute körperliche und seelische Gesundheit ist die Voraussetzung für eine gelungene Integration", sagte sie.
Avni Altiner vom Landesverband der Muslime ("Schura") sagte, viele Flüchtlinge seien traumatisiert. Muslimische Seelsorger versuchten, ihnen zur Seite zu stehen, etwa in Krankenhäusern. "Der Bedarf ist so groß, dass sie drei Schichten machen könnten." Leider könnten sie nur ehrenamtlich arbeiten.
Inzwischen sind dem Bündnis 98 Organisationen aus Gesellschaft und Kultur beigetreten, darunter Kirchen, Parteien, Wohlfahrtsverbände und jüdische Gemeinden. Knapp 1.200 Einzelpersonen unterstützen den Aufruf, unter ihnen der Sänger Peter Maffay, der aus Niedersachsen stammende Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), der Moderator Yared Dibaba und die Schauspielerin Renan Demirkan. Auch Fußball-Präsident Martin Kind von Hannover 96, die Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum und der Unternehmer Dirk Rossmann gehören zu den Unterzeichnern.