Es werde in Kürze auch keine neue Prognose über die Zahl der erwarteten Flüchtlinge geben. Während Kommunen wegen ihrer Belastung erneut Alarm schlugen, war indes noch nicht einmal klar, wer genau die neue Schätzung errechnet hat. Die "Bild"-Zeitung hatte in ihrer Montagsausgabe berichtet, dass bis Jahresende 920.000 neue Flüchtlinge nach Deutschland kommen könnten - insgesamt wären es dann bis Ende Dezember 1,5 Millionen. Als Grundlage dient dabei die Annahme, dass täglich 7.000 bis 10.000 Menschen die Grenze überqueren.
Das Bundesinnenministerium äußerte Zweifel an der Seriosität solcher Berechnungen. Es sei richtig, dass die Zahlen besonders im September sehr hoch gewesen seien, sagte der Sprecher ohne konkrete Werte zu nennen. Auf der Grundlage einzelner Tages- oder Wochenstatistiken könne jedoch nicht immer wieder eine neue Prognose erstellt werden. Hochrechnungen auf Basis der aktuellen Zahlen führten nicht weiter.
Zudem sei zu bedenken, dass zum Winter der Andrang von Flüchtlingen in den vergangenen Jahren jeweils nachgelassen habe. Im Laufe dieser Woche will das Bundesinnenministerium die konkrete Zahl der im September angekommenen Flüchtlinge veröffentlichen. Die "Bild"-Zeitung berief sich bei den neuen Zahlen-Spekulationen auf als geheim eingestufte Berechnungen von Behörden. Die allerdings seien der Bundesregierung nicht bekannt, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Montag in Berlin. "Kein Mensch kennt diese Zahlen", sagte er.
In den vergangenen Monaten kamen vor allem von Länderseite immer wieder Forderungen nach einer Korrektur der Zahlen nach oben. Ländervertreter argumentierten, sie brauchten eine verlässliche Grundlage für die Planung der Unterbringung und Versorgung. Während die Bundesregierung seit mehreren Wochen an ihrer Prognose über 800.000 Flüchtlinge festhält, redeten sie bereits in aller Regel von bis zu einer Million Flüchtlingen.
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, warnte in der "Passauer Neuen Presse" (Montagsausgabe): "Wenn der Zustrom weiter so anhält wie jetzt, werden die Kommunen in Deutschland mit Versorgung, Unterbringung und Integration der Flüchtlinge überfordert sein." Auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene brauche es wirksame Konzepte zur Begrenzung der Flüchtlingszahlen.
Landsberg forderte große Erstaufnahme-Einrichtungen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich, in denen die Menschen ein Asyl-Verfahren ähnlich wie an Flughäfen durchlaufen sollen. Einen entsprechenden Vorschlag hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der vergangenen Woche gemacht. Auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt drang auf entsprechende Zentren an der deutschen Grenze. "Die Transitzonen werden dringend benötigt und sollten so schnell wie möglich eingerichtet werden", sagte Hasselfeldt der "Rheinischen Post" (Montagsausgabe).
Skeptisch äußerte sich das Innenministerium indes auch zu Überlegungen aus dem angeblichen Geheimpapier, wonach die Flüchtlinge per Familiennachzug im Durchschnitt zwischen vier und acht Angehörige nach Deutschland holen könnten. Dies sei seriös nicht zu beziffern, sagte der Sprecher.