Das am Dienstag vom Bundeskabinett gebilligte Asylrecht zielt auf zweierlei: Erstens will die Bundesregierung Asylverfahren beschleunigen und die Schaffung von Flüchtlingsunterkünften erleichtern. Zum Zweiten will sie damit auch ihre Unterscheidung in zwei Gruppen von Asylbewerbern unterstreichen: Sie plant Verbesserungen für diejenigen mit guter Bleibeperspektive, wozu unter anderem Syrer zählen. Migranten ohne Perspektive auf einen positiven Asylbescheid drohen dagegen Verschärfungen. Die wichtigsten Punkte im Überblick:
- Sichere Herkunftsstaaten: Die Westbalkan-Länder Albanien, Kosovo und Montenegro werden auf die Liste sicherer Herkunftsstaaten gesetzt. Damit können die Verfahren beschleunigt werden, weil Anträge von Asylbewerbern aus diesen Ländern in der Regel als "offensichtlich unbegründet" gelten.
- Längerer Verbleib in der Erstaufnahme: Ziel von Bund und Ländern ist es, Asylverfahren bereits während des Aufenthalts in der Erstaufnahmeeinrichtung zu beenden. Abgelehnte Asylbewerber sollen bereits von dort abgeschoben werden. Die Maximaldauer für den Aufenthalt soll dafür von drei auf sechs Monate heraufgesetzt werden, für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten bis zum Ende des Verfahrens.
- Baustandards: Die Bundesregierung will Standardabweichungen im Bauplanungsrecht für Flüchtlingsunterkünfte erlauben. Dabei geht es unter anderem um die Standorte der Unterkünfte. Vorgesehen sind zudem Erleichterungen bei den Vorschriften zum Einsatz erneuerbarer Energien oder beim Wärmeschutz.
- Sozialleistungen: Weil vor allem in der Union die Sozialleistungen für Flüchtlinge als Anreiz für eine Flucht nach Deutschland gesehen werden, sollen in Erstaufnahmeeinrichtungen künftig wieder vorrangig Sachleistungen statt Bargeld ausgegeben werden. Auch in anderen Gemeinschaftsunterkünften kann dies so gehandhabt werden. Erstmals will die Bundesregierung außerdem eine finanzielle Sanktion festschreiben, wenn zur Ausreise aufgeforderte Ausländer bleiben. Lassen sie "schuldhaft" die Frist zur Ausreise verstreichen, sollen die Leistungen auf das "unabdingbar Notwendige" gekürzt werden.
- Gesundheitskarte: Die Einführung der Gesundheitskarte, die Flüchtlingen einen Arztbesuch ohne vorherige Bürokratie ermöglicht, bleibt den einzelnen Ländern überlassen. Sie dürfen Krankenkassen künftig verpflichten, die Krankenbehandlungen zu übernehmen. Flüchtlinge haben in Deutschland nur Anspruch auf Behandlung akuter Krankheiten und Schmerzen. Daran wird sich nichts ändern. Flüchtlingsverbände hatten besonders in diesem Punkt auf Verbesserungen und eine bundesweite Regelung gehofft. Nun droht ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Regelungen.
- Integration: Der Bund will die Integrationskurse für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive öffnen. Bislang haben sie keinen Anspruch auf Teilnahme. Auch die berufsbezogenen Deutschkurse sollen ausgeweitet werden. Zudem sollen sich Jobcenter frühzeitig um die Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt bemühen.
- Legale Zuwanderung: Für Migranten aus Balkan-Staaten, die in der Regel nicht als Flüchtlinge anerkannt werden, will die Bundesregierung die Möglichkeit legaler Einwanderung schaffen. Einreisen darf, wer einen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag zu geltenden tarifvertraglichen Bedingungen hat. Voraussetzung ist aber, dass die Migranten in den zwei Jahren vor Einreise keine Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten haben. Ein sogenannter Spurwechsel vom Asyl zur Arbeitszuwanderung soll nicht möglich gemacht werden.
Die Änderungen sollen durch ein verkürztes Verfahren bereits zum 1. November inkraft treten. Für Donnerstag ist die erste Beratung im Bundestag geplant. Am 16. Oktober soll das Gesetz dem Zeitplan zufolge den Bundesrat passieren.
Diakonie-Präsident Ulrich Lilie kritisierte die angestrebte Zeitplanung. Er sagte dem evangelischen Pressedienst: "Offensichtlich brauchen die Mitarbeiter in den Ministerien jetzt nicht mehr die Expertise, die wir sonst in den Anhörungsverfahren in der gebotenen Sorgfalt einbringen können." Lilie befürchtet bei einigen Regelungen Schnellschüsse, "die fachlich nicht sinnvoll sind oder juristisch keinen Bestand haben".
Als Beispiel nannte er die Pläne, bei den Sozialleistungen wieder vermehrt auf Sachleistungen zu setzen. Man wisse aus Erfahrung, dass die bereits überforderten Behörden dann mit einem noch höheren bürokratischen Aufwand rechnen müssten.
Zudem kritisierte Lilie das Vorhaben, für abgelehnte und ausreisepflichtige Asylbewerber die Leistungen zu reduzieren. Zu den Leistungskürzungen unterhalb des Existenzminimums gebe es bereits einschlägige Urteile und ein deutliches Votum des Präsidenten des Bundessozialgerichts, der höchste Bedenken bei dieser Regelung habe.