Gabriel: EU-Flüchtlingspolitik ist eine Blamage

Gabriel: EU-Flüchtlingspolitik ist eine Blamage
In der Debatte um die Versorgung von Flüchtlingen steht die EU weiter in der Kritik. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte es eine Blamage, dass die UN auf einer griechischen Insel Hilfe leisten müssten.

"Und Europa ist irgendwie im Tiefschlaf und kommt aus dem Urlaubsmodus nicht heraus", sagte der Vizekanzler im ARD-"Sommerinterview" im "Bericht aus Berlin". Zusammen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) schrieb Gabriel in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", Europa stehe vor einer Generationenaufgabe, doch die "bisherige Reaktion entspricht nicht dem Anspruch, den Europa an sich selbst haben muss".

So brauche es EU-weite Standards, damit bei der Aufnahme von Flüchtlingen überall menschenwürdige Zustände herrschten. Auch eine faire Verteilung der Flüchtlinge sei nötig, betonten die Politiker in einem Zehn-Punkte-Plan.

Politiker sehen Versäumnisse der Bundesregierung

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) übte Kritik am Verhalten einzelner EU-Länder. "Wenn Nordrhein-Westfalen mehr Flüchtlinge aufnimmt als Frankreich, dann stimmt da irgendwas nicht", sagte sie im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks. Gleichzeitig kritisierte Kraft auch die Bundesregierung. Es habe zwar gute Gespräche gegeben, "aber manches dauert mir schlicht und einfach zu lange".

"Das eigentliche Nadelöhr ist die Dauer der Verfahren." Momentan bräuchten die Behörden mehr als siebeneinhalb statt der angestrebten drei Monate, um einen Asylantrag zu bearbeiten. 200.000 Anträge würden derzeit im Jahr bearbeitet. Wenn, wie von der Bundesregierung prognostiziert, in diesem Jahr 800.000 neue Flüchtlinge nach Deutschland kämen, entstünde eine deutliche Lücke. "Aber vielleicht werden es auch noch mehr." Erfahrungsgemäß steige die Zahl der Asylsuchenden in den Monaten September und Oktober nochmal deutlich an.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, rechnet mit anhaltend vielen Flüchtlingen. "Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zahlen in den nächsten Jahren nicht geringer werden", sagte sie der "Welt am Sonntag". "Das auszublenden, wäre unverantwortlich und naiv." Zu lange habe die Bundesregierung mit lediglich 250.000 Flüchtlingen in diesem Jahr gerechnet. Der Bund trage nur fünf bis zehn Prozent der Kosten. "Wir sind im Moment im Krisenmodus, weil der Bund sich aus der Verantwortung stiehlt."

Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) forderte schnelle finanzielle Hilfe durch den Bund. "Wenn der Eindruck entsteht, dass die Städte und Kommunen überfordert sind, besteht die Gefahr, dass die positive Stimmung kippt", sagte die Ministerin dem in Berlin erscheinenden "Tagesspiegel am Sonntag". Die Bürger hätten viel Verständnis für die Flüchtlinge und zeigten sich hilfsbereit. Sie erwarteten aber auch "dass die Politik dafür sorgt, dass die Aufnahme vor Ort funktioniert".

Laut dem Nachrichtenmagazin "Focus" werden die Kosten für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen voraussichtlich um sechs Milliarden Euro im Jahr steigen. Der Bericht beruft sich dabei auf interne Schätzungen der Bundesregierung. Bislang lag die Zusage des Bundes an Länder und Kommunen bei einer Milliarde Euro.

Die öffentlichen Ausgaben für Flüchtlinge haben sich laut der "Welt am Sonntag" zwischen 2010 und 2014 mehr als verdoppelt. Die ausgezahlten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hätten im Vorjahr 1,7 Milliarden Euro betragen, wie eine Umfrage der Zeitung unter den 16 Bundesländern ergeben habe. Die Zahl der Empfänger sei in dem Zeitraum von 130.000 auf 363.000 gestiegen.

Derweil erwägt die EU offenbar, mehr Flüchtlinge aus Griechenland in andere Mitgliedsstaaten umzusiedeln. Allein im Juli seien über 50.000 Flüchtlinge in Griechenland angekommen, berichtete die Zeitung "Die Welt" (Samstagsausgabe) unter Berufung auf EU-Kreise. Deshalb müsse das südeuropäische Land deutlich stärker entlastet werden. Nach bisherigen Pläne sollen 16.000 Flüchtlinge aus Griechenland auf andere EU-Länder verteilt werden.