Irgendwann haben Diamanten im Film ihre Unschuld verloren. Vor gut siebzig Jahren säuselte Marilyn Monroe in der Komödie "Blondinen bevorzugt" (1953), Edelsteine seien der beste Freund jedes Mädchens. Zehn Jahre später begann Inspector Clouseaus witzige Jagd nach dem "Rosaroten Panther". Im siebten James-Bond-Film "Diamantenfieber" (1971) missbrauchte der Schurke Blofeld die Steine jedoch, um eine Laserwaffe zu bauen, die ihm die Weltherrschaft sichert.
In jüngerer Zeit dienten Diamanten vor allem dazu, Missstände anzuprangern: Filme wie "Blood Diamond" (2006), der im gleichen Jahr ausgestrahlte TV-Krimi "Blutdiamanten" (ein "Tatort" aus Köln) oder zuletzt "Blutige Diamanten" (ein "Amsterdam-Krimi", 2024) beschreiben, wie afrikanische "Warlords" mit den Erlösen aus dem Edelsteinhandel ihre Schreckensherrschaft finanzieren. Ein besonders abstoßendes Detail ist dabei die Kinderarbeit; und darum geht es in "Blutspur Antwerpen".
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Wie immer macht die ARD-Tochter Degeto eine mögliche Fortsetzung vom Erfolg des ersten Films abhängig. Das personelle Potenzial wäre vorhanden: Marie-Lou Sellem und Miguel Francisco, ein gebürtiger Angolaner, der als Kind mit seinen Eltern nach Deutschland gezogen ist, sind ein interessantes Gespann.
Antwerpen ist ohnehin ein reizvoller Schauplatz. Die Hafenstadt ist der wichtigste Diamantenhandelsplatz der Welt. Der Kongo war einst belgische Kolonie; die Spur der Blutdiamanten führt direkt nach Flandern. Inspektorin Louma Shapiro ist Spross einer alteingesessenen jüdischen Händlerfamilie. Auf diese Weise kann das Drehbuchduo Daniel Schwarz und Thomas Schwebel mit Hilfe ihrer Hauptfigur gleich zwei faszinierende Einblicke bieten: Die Polizistin erkennt Diamantenstaub, wenn sie ihn sieht; und natürlich weiß sie auch, dass orthodoxe Juden keine Hunde haben.
Die Krimihandlung beginnt mit einem tödlichen Missverständnis: Auf offener Straße vor dem berühmten Hafenhuis wird ein junger Jogger erschossen. Der Mann war Model einer großen Modefirma, aber die entsprechenden Ermittlungen gegen seinen Arbeitgeber (Hyun Wanner) sind ein allzu ausführlicher Umweg zum Thema des Films: Das Opfer trug den Kapuzenpulli seiner Halbschwester, sie war das eigentliche Ziel des Anschlags.
Kisha Kalemba (Karmela Shako) hat einige Jahre in Kinshasa für einen einflussreichen Antwerpener Händler gearbeitet und in dieser Zeit eine umfangreiche Dokumentation über die Missstände beim Abbau der Diamanten zusammengestellt. Dieses Material will sie dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vorlegen, was mächtige Gegenspieler selbstverständlich verhindern möchten.
Gerade bei der Besetzung der alten Männer haben die Verantwortlichen ein gutes Gespür bewiesen. Das gilt neben Moisej Bazijan als Loumas Vater vor allem für Eric Godon. Er spielt einen Händler, der zwar seinen einstigen Einfluss verloren hat, für sein "Fair Trade" aber demnächst einen Orden bekommt. Louma kennt den Mann seit ihrer Kindheit und fragt sich, ob seine großväterliche Aura nicht bloß Fassade ist. Dritter im Bunde der betagten Mitwirkenden ist John Dobrynine als angeblich unter Parkinson leidender ehemaliger Diamantenschleifer.
Zu den Pluspunkten des Films zählen ohnehin die Kontraste: zwischen Generationen, zwischen Tradition und Moderne auch im Stadtbild sowie zwischen den Welten der Mode und des Diamantenhandels, in denen mitunter ein durchaus vergleichbares Geschäftsgebaren gepflegt wird. Der jüdische Humor ist ohnehin ein großes Vergnügen.
Dass "Blutspur Antwerpen" trotzdem nicht rundum gelungen ist, hat auch mit der Regie zu tun. Anna-Katharina Maier hat in den letzten Jahren einige beachtliche Serien gedreht, darunter für Amazon "Der Beischläfer" (2020, Comedy) und "Damaged Goods" (2022, Dramedy) sowie für die ARD die Dramaserie "Tage, die es nicht gab" (2023). Gemessen an diesen Produktionen bietet der Krimi abgesehen von Schauplatz, Story und Sujet ein optisch zwar gehobenes, ansonsten aber bei Weitem nicht herausragendes Fernsehfilmniveau (Bildgestaltung: Anton Klima).
Gerade im Vergleich zu der Gelassenheit, mit der nicht nur die alten Herrschaften, sondern auch Sellem und Francisco ihre Rollen verkörpern, sehen die zudem stellenweise übertriebenen Darbietungen einiger Mitwirkender viel zu sehr nach Schauspiel aus. Das gilt allerdings ausdrücklich nicht für Martin Swabey und Maéva Marie Mathilde Roth als Louisas Teammitglieder. Ein weiterer Malus ist wie bei vielen Auslandsfilmen von ARD und ZDF das typische Synchrondeutsch der Nebenfiguren, das bei TV-Produktionen nur selten die Qualität von Kinofilmen hat.