Mit Kritik an den Sozialleistungen für Asylbewerber polarisiert der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). In der Tageszeitung "Die Welt" (Montagsausgabe) forderte Herrmann, das Taschengeld für Asylsuchende aus den Balkanstaaten drastisch zu kürzen. "Die Zuwendungen für diese Gruppe sind eine Zumutung für die deutschen Steuerzahler", sagte er. Die Grünen reagierten empört. Herrmann versuche auf einer rechtspopulistischen Welle mitzureiten, sagte die Parteivorsitzende Simone Peter.
Herrmann sagte der Zeitung, die Zahlungen seien ein Anreiz für viele Menschen vom Balkan, nach Deutschland zu kommen und das Geld mit nach Hause zu nehmen. Nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommen Flüchtlinge in Deutschland ein sogenanntes Taschengeld in Höhe von 143 Euro. Der Rest des Bedarfs wird für die Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung über Sachleistungen abgedeckt. Untergebrachte Asylbewerber bekommen außerdem 216 Euro zusätzlich für ihren Lebensunterhalt - zusammen 40 Euro weniger als Hartz IV.
Herrmann forderte, das Leistungsniveau müsse "für alle Asylbewerber" überprüft werden. "Wir müssen uns fragen, ob sich der deutsche Sozialstaat die jetzige Großzügigkeit noch leisten kann", begründete er seine Haltung. Man sollte dem Prinzip folgen, dass Sachleistungen Vorrang vor Geldleistungen haben. "Echte" Flüchtlinge wollten nur in Sicherheit leben, eine Unterkunft haben, täglich verpflegt werden und etwas zum Anziehen haben.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte bereits in der vergangenen Woche eine Debatte über die Sozialleistungen für Flüchtlinge angestoßen. Er forderte zu prüfen, ob wieder mehr Sach- anstelle von Geldleistungen ausgegeben werden sollten. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet plädierte dafür, dass Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen nur noch Sachleistungen bekommen. "Sobald Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive aber in die Kommunen überstellt werden, sollten sie Geldleistungen bekommen", sagte er der "Westfalenpost" (Montagsausgabe).
Auch der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, begrüsste eine stärkere Umstellung von Geld- auf Sachleistungen. Dies sei weder "ehrenrührig" noch falsch, sondern "ein wichtiger Baustein", um den Zustrom aus den Balkanländern zu begrenzen, sagte Landsberg im ZDF-"Morgenmagazin". Daneben müsse es Wiedereinreisesperren geben, aber auch Hilfen für die Balkanstaaten und Perspektiven für die dort lebenden Menschen.
Pro Asyl: Menschenwürde ist nicht relativierbar
Die Grünen-Vorsitzende Peter sagte, das Thema Sachleistungen gehöre ein für alle mal vom Tisch. "Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2012 geurteilt, dass Hilfen für Asylsuchende mit Blick auf die Menschenwürde nicht relativierbar sind", sagte sie in Berlin. Das Gericht hatte die damals noch viel geringer ausfallenden Sozialleistungen für Flüchtlinge als nicht vereinbar mit der Menschenwürde verurteilt. Seit 1. März dieses Jahres gilt das neue Asylbewerberleistungsgesetz, das höhere Bedarfssätze sowie einen Vorrang für Geld- statt Sachleistungen vorsieht.
Pro Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt warf Herrmann im Deutschlandfunk Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor. "Wir reden vom Existenzminimum, dass Menschen sich eine Fahrkarte kaufen können, um in die nächste Stadt zu fahren", sagte er. Das Bargeld sei erforderlich, um Bedürfnisse zu decken, wie etwa Verwandte anzurufen. Das könne man nicht in Sachleistungen ausgeben. Zudem sei es entwürdigend, zu verhindern, dass Flüchtlinge sich selbst versorgten.
Derweil forderte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) ein zehn Milliarden Euro schweres EU-Notprogramm für die Nachbarstaaten Syriens - offenbar auch mit dem Gedanken, so Flüchtlinge von der Reise nach Europa abzuhalten. Das Geld müsse den Ländern zugutekommen, die die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen hätten. "Wenn wir die Probleme nicht vor Ort lösen, kommen die Probleme zu uns", sagte Müller.