Bundespräsident Joachim Gauck rief die Länder Europas zu mehr Unterstützung auf. Es sei eine moralische Pflicht aller Staaten Europas, Flüchtlinge vor dem Tod im Mittelmeer zu retten, sagte Gauck beim Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung am Samstag in Berlin. Ein derartiger Schutz sei nicht verhandelbar. Die SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles hoben in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die "unmittelbare Verantwortung" Deutschlands für Leben und Lebensbedingungen der Flüchtlinge hervor.
Gauck warb um mehr Verständnis für das Schicksal von Flüchtlingen und Vertriebenen. Er wünsche sich, dass die Erinnerung an Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg das Verständnis für geflüchtete und vertriebene Menschen heute vertiefen könne, sagte der Bundespräsident im Deutschen Historischen Museum.
Erster Gedenktag für Opfer von Flucht und Vertreibung
Die Bundesregierung beging den Gedenktag erstmals. Sie hatte vor rund einem Jahr beschlossen, sich dem Flüchtlingsgedenktag der UN anzuschließen und ihn um das Gedenken an die Vertriebenen zu erweitern. In der Feierstunde repräsentierten zwei sehr unterschiedliche Frauen mit ähnlichem Schicksal die Flüchtlinge und die Vertriebenen: Asma Abubaker Ali aus Somalia und Edith Kiesewetter-Giese, die vor rund 70 Jahren aus dem Sudentenland vertrieben wurde.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, der Gedenktag sei Ausdruck der Verbundenheit mit den deutschen Heimatvertriebenen. Gleichzeitig erinnere der Tag an die rund 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht seien. Angesichts steigender Flüchtlingszahlen, sagte de Maizière einfache Lösungen werde es nicht geben. Es verbiete sich absolut, das Schicksal der Vertriebenen und der Flüchtlinge politisch zu instrumentalisieren. An der Feier nahmen auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz (beide SPD) sowie der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, teil.
In dem Zeitungsbeitrag setzten sich Steinmeier und Sozialministerin Nahles dafür ein, jungen Flüchtlingen in der Ausbildung ein über die Ausbildungszeit hinausreichendes Bleiberecht zu gewähren. "Wir müssen die Fähigkeiten dieser Menschen nutzbar machen - für ihre, aber auch für unsere Zukunft", erklärten die Minister. Sie appellierten an die Deutschen, in den Flüchtlingen auch "die Fachkräfte (zu) sehen, die wir immer dringender brauchen".
Der Berliner Bischof Markus Dröge forderte anlässlich des Weltflüchtlingstags ein Einwanderungsgesetz. "Wir brauchen klare Regelungen für eine legale Einwanderung, damit Menschen auf der Flucht nicht länger ihr Leben riskieren", sagte er im Berliner Radiosender 88,8. Die europäische Dublin-Regelung, nach der ein Asylsuchender in dem Staat seinen Asylantrag stellen muss, den er zuerst betreten hat, habe sich nicht bewährt. Sie belaste einseitig die Staaten an der europäischen Außengrenze, allen voran Italien, sagte der evangelische Berliner Bischof. In Italien hätten Flüchtlinge aber trotz guter Ausbildung oft keine Chance auf dem Arbeitsmarkt.
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach sich für Investitionen in Bildung und in die Infrastruktur in den Herkunftsländern aus. Dies sei der richtige Ansatz, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstagsausgabe). Die Menschen blieben nur dann in ihren afrikanischen Heimatregionen, wenn sie dort Lebensperspektiven hätten. Pläne, in Nordafrika Asyl-Aufnahmezentren nach europäischen Standards, lehnte der Minister ab. Er sehe dafür keinen Weg.
Bei einem ökumenischen Gottesdienst in Stuttgart riefen der katholische Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, und der badische Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh zu Solidarität mit Flüchtlingen auf. Als Gottes Geschöpfe müssten die Menschen Verantwortung füreinander tragen und sich gegenseitig geschwisterlich helfen, sagte Fürst. Sein evangelischer Amtsbruder ergänzte, die derzeitige Fürsorge vieler Christen für Flüchtlinge habe ihren tragenden Grund in der Bibel. Im Bistum Köln hatten am Vorabend die Kirchenglocken für ertrunkene Bootsflüchtlinge geläutet.