Der Jesuitenpater Klaus Mertes hat die katholische Kirche aufgefordert, Fälle von sexuellem Missbrauch in den eigenen Reihen weiter konsequent aufzuklären. "Prävention setzt voraus, dass aufgeklärt wurde", sagte er am Montag bei einer Fachtagung zu sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche in Hannover. "Erst die Aufklärung deckt Fehler auf." Wenn hier nicht weitergearbeitet werde, verliere die Prävention ihre Glaubwürdigkeit.
Mertes, heute Direktor des Internats St. Blasien im Schwarzwald, hatte 2010 als damaliger Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin die Aufklärung von Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche ins Rollen gebracht. An dem Gymnasium hatten sich zwei Padres hundertfach an Schülern vergangen. Danach waren zahlreiche weitere Fälle ans Licht gekommen, weil sich immer mehr Betroffene meldeten, die von Priestern oder Ordensleuten in Deutschland sexuell missbraucht worden waren, teilweise bereits vor Jahrzehnten.
Die Aufgabe ist niemals zu Ende
Zu der Fachtagung des Bistum Hildesheims kamen rund 90 Teilnehmer, darunter zahlreiche Referenten für Prävention aus kirchlichen Einrichtungen. In dem Bistum sei für die Zeit von 1945 bis 2012 sexueller Missbrauch durch 25 Priester bekanntgeworden, sagte ein Sprecher. Dabei habe es 59 Opfer gegeben.
Die deutschen Bistümer hatten als Folge des Missbrauchsskandals ihre Richtlinien 2013 deutlich verschärft, ihre Mitarbeiter geschult und Ansprechpartner für Betroffene benannt. Mertes sagte, die Kirche sei auf diesem Weg bereits gut vorangekommen. Er schärfte den Teilnehmern allerdings ein: "Prävention beginnt immer bei Null." Diese Aufgabe sei niemals zu Ende, weil immer wieder neue Kinder in die kirchlichen Gemeinden und Einrichtungen kämen.
Die Täter gingen systematisch vor, um sexuelle Gewalt gegen Minderjährige ausüben zu können, berichtete Mertes. Sexuelle Gewalt sei "keine Übersprungshandlung, weil der Druck im Kessel zu groß ist". Das direkte Umfeld sowie die Organisation sei demgegenüber allzu häufig blind.
Die kirchlichen Missbrauchsbeauftragten müssen nach Ansicht von Mertes möglichst unabhängig arbeiten können, damit sie für Betroffene vertrauenswürdig sind. "Das Anliegen des Kindeswohls ist sakrosankt, und nicht das Funktionieren der Strukturen", betonte der Jesuitenpater. Der Kirche müsse es "existenziell wichtig sein, dass die Menschen ihr vertrauen".
Das Bistum Hildesheim produziert derzeit mit der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover einen Film über die Gefahren des sexuellen Missbrauchs. Der Film soll in Gemeinden und Einrichtungen gezeigt werden. Die Kirche müsse wieder als Ort erlebt werden, an dem sich Kinder und Jugendliche sicher fühlten, sagte Jutta Menkhaus-Vollmer von der Fachstelle Prävention des Bistums. Der katholische Propst Martin Tenge betonte: "Wir brauchen eine Kultur des Hinschauens."