Sportbund und Rotes Kreuz beteiligen sich an Hilfen für Missbrauchsopfer

Sportbund und Rotes Kreuz beteiligen sich an Hilfen für Missbrauchsopfer
Schwesig erwartet Zusagen von Bundesländern
Wer als Kind oder Jugendlicher Opfer sexueller Gewalt geworden ist, kann finanzielle Hilfen beantragen. Nach und nach fließt nun mehr Geld, doch die Anlaufstellen sind kaum bekannt. Familienministerin Schwesig will, dass die Länder mehr tun.

Nach den beiden Kirchen, der Diakonie und den katholischen Orden werden sich nun auch der Caritasverband, das Deutsche Rote Kreuz und der Deutsche Olympische Sportbund an Zahlungen für Missbrauchsopfer beteiligen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach am Dienstag in Berlin von erfreulichen Signalen. Schwesig zufolge hat außerdem Hamburg als erstes Bundesland die Zusage gemacht, Menschen zu helfen, die in Hamburger Einrichtungen zu Opfern wurden. 

Nach intensiven Gesprächen rechne sie damit, sagte Schwesig, dass in Kürze weitere Bundesländer hinzukämen - voraussichtlich zunächst Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Die Länder erkennen damit Vorfälle an, die in ihren Verantwortungsbereich fallen, etwa in Schulen, in staatlichen Kindergärten oder Jugendeinrichtungen.

Rund 2.200 Anträge seit Mai 2013

Das sogenannte "Ergänzende Hilfesystem" gewährt Zahlungen an Betroffene, die entweder in der Familie oder in einer Institution Opfer sexueller Gewalt wurden. Es wird über die Geschäftstelle des Fonds Sexueller Missbrauch beim Bundesfamilienministerium organisiert, die noch bis April 2016 Anträge entgegen nimmt.

Bis heute haben knapp 900 Menschen Geld und Sachleistungen aus diesem Hilfesystem erhalten. Die Beträge liegen nach Auskunft der Geschäftsstelle zwischen 300 und höchstens 10.000 Euro. Mit dem Geld können die Betroffenen Therapien, Weiterbildungen, Betreuungs-oder Beratungskosten sowie individuelle Hilfen bezahlen, die sie infolge des Missbrauchs benötigen. Seit Mai 2013, als der Fonds an den Start ging, sind rund 2.200 Anträge gestellt worden.

Bei der Geschäftsstelle gehen jeden Tag vier bis fünf neue Anträge ein. 85 Prozent kommen von Menschen, die im familiären Umfeld Opfer sexueller Gewalt wurden. Ihnen steht der Fonds sexueller Missbrauch offen, in den der Bund sowie Bayern und Mecklenburg-Vorpommern rund 58 Millionen Euro eingezahlt haben. Alle anderen Bundesländer lehnen Zahlungen in diesen Fonds für Opfer im Familienumfeld ab. Von den vorhandenen 58 Millionen Euro wurden bisher knapp sechs Millionen ausgezahlt.

Hilfesystem für Missbrauchsopfer

Elf Prozent aller Anträge von Missbrauchsopfern richten sich an Institutionen. Auch sie werden bei der Geschäftsstelle des Missbrauchsfonds entgegengenommen und von dort aus an die Institutionen weitergeleitet, die sich zu Zahlungen bereitgefunden haben - neben den Kirchen, der Diakonie und den katholischen Orden nun auch das Rote Kreuz, die Caritas und der Olympische Sportbund sowie das Land Hamburg. Hier erwartet Schwesig, dass alle Bundesländer der Hamburger Entscheidung folgen.

Die SPD-Politikerin zeigte sich unzufrieden mit dem, was seit dem Ende des Runden Tisches zum sexuellen Missbrauch 2011 passiert ist. Es sei unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung viel mehr angekündigt worden als dann habe umgesetzt werden können. Das "ergänzende Hilfesystem" sei "nur der Plan B", sagte Schwesig. Eigentlich müssten die Krankenkassen für die notwendigen Therapien aufkommen und das Gesetz zur Entschädigung von Opfern von Straftaten reformiert werden, so dass es auch Missbrauchsopfern helfe.

Maren Ruden vom Betroffenenbeirat beim Missbrauchsbeauftragten Johannes-Wilhelm Rörig kritisierte, die bis 2016 versprochenen Gesetzesreformen würden aller Voraussicht nach nicht umgesetzt. Deshalb müssten die bisherigen Hilfen verlängert und viel breiter bekanntmacht werden.

Das Hilfesystem für Missbrauchsopfer ist anders organisiert als die beiden Fonds für ehemalige Heimkinder in der DDR und der Bundesrepublik, die vor kurzem deutlich aufgestockt wurden. Zum Teil haben Betroffene Ansprüche an beide Fonds, etwa wenn sie im Heim zusätzlich Opfer eines Missbrauchs wurden. Die Kirchen, die Träger zahlreicher Heime und Internate waren, haben darüber hinaus eigene Anlaufstellen für Betroffene eingerichtet.