"Für Deutschland war der 8. Mai ein Tag des geschenkten und unverdienten Neubeginns", schreiben der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, in einer am Mittwoch in Bonn und Hannover veröffentlichten Stellungnahme.
Darin unterstreichen sie, die Erinnerung an das Kriegsende mit Millionen entwurzelter Menschen lenke den Blick auf die Not und das Elend von Menschen, die als Flüchtlinge einen Platz zum Überleben in Europa suchten. "Dass an den Grenzen Europas Tausende ihr Leben verlieren, ist für uns unerträglich", betonen Landesbischof Bedford-Strohm und Kardinal Marx.
"Die Anerkennung von Schuld und Verantwortung für viele Millionen gefallene Soldaten, getötete Zivilisten, verfolgte und geknechtete Menschen und, vor allem anderen, für die unvorstellbaren Gräuel der Shoah ist heute ein unverrückbarer Teil der politischen Identität unseres Landes", schreiben Bedford-Strohm und Marx. Vor allem die von den ehemaligen Kriegsgegnern "ausgestreckte Hand" zur Versöhnung habe es Deutschland wesentlich erleichtert, seine Schuld für einen verbrecherischen Vernichtungs- und Auslöschungskrieg ehrlich zu bekennen.
Gewalt und Krieg sind noch nicht überwunden
Als sehr schmerzhaft bezeichnen es die Leitenden Geistlichen, dass auch Christen und Kirchen durch ihr Handeln und ihr Schweigen schuldig geworden seien. Der Riss zwischen Tätern und Opfern sei mitten durch die Kirchen gegangen: "Wir bekennen aber auch, dass die Kirchen sich dem Unrecht nicht deutlich widersetzt haben und auch viele Christen sich der menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus und den daraus entspringenden verbrecherischen Taten bereitwillig geöffnet haben." In diesem Zusammenhang wird der mutigen Zeugen gedacht, die Unrecht und Barbarei widerstanden haben.
Das Kriegsende habe nicht für alle Deutschen und Europäer Freiheit gebracht, sondern andere Systeme von Unfreiheit bewirkt, erinnern die obersten Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirche an die deutsche Teilung und den Ost-West-Gegensatz. "Auch dies gehört in die Spur der Gewalt, die durch den von Deutschland entfesselten Krieg ausging."
Die europäische Einigung bleibe eine unverzichtbare Antwort auf die historischen Erfahrungen, argumentieren Bedford-Strohm und Marx. Denn Gewalt und Krieg seien in Europa noch nicht überwunden. "Mit großer Sorge blicken wir nach wie vor auf die Spannungen auf dem Balkan, in Bosnien und im Kosovo. Wir nehmen wahr, wie im Konflikt im Osten der Ukraine und auf der Krim wieder Grenzen mit kriegerischer Gewalt verändert werden, Menschen in die Flucht getrieben und getötet werden", heißt es in der Erklärung.
Darin wird auch an den Zerfall von Staaten und die Missachtung von Menschenrechten im Nahen Osten und Nordafrika erinnert. In Syrien, im Irak, in Libyen und an anderen Orten sei ein engagierter Beitrag Deutschlands und Europas zu glaubwürdigen politischen Lösungen und zu einer Ordnung des gerechten Friedens gefordert, mahnen Bedford-Strohm und Marx.