Kirchenrenovierungen sind vor allem eines: teuer. Zwar spenden die Menschen durchaus gerne für „ihre“ Kirche, oft selbst die, die gar keine Mitglieder sind. Denn ein Kirchengebäude ist etwas, womit sich viele identifizieren, und sei es als Baudenkmal oder als Sehenswürdigkeit des Ortes. Trotzdem: Kirchengemeinden müssen immer wieder überlegen, wie sie die Menschen dazu bewegen können, einen Anteil zur Erhaltung des Gebäudes beizusteuern. Da gibt es Dankestafeln, Spendenbarometer, virtuellen Steineverkauf. Neulich hatten wir’s vom Kölner Dom, wo Sie ein digitales Originalfoto eines Ausschnitts der Fassade erwerben können, für Preise ab 295 Euro aufwärts.
Die Gemeinde in Uebigau in der Nähe von Dresden ist da schon etwas bescheidener: 200 Euro verlangte sie für eine, wie ich finde, wirklich schöne Aktion:
Im Zuge der Restaurierung wurde nämlich ein Deckengemälde mit vielen Engeln freigelegt. Zunächst hatte man nur einen einzigen Engel gefunden, doch das Gesicht war nicht mehr zu erkennen. Gemeindekirchenrat Ralf Hellriegel sollte für ein neues Gesicht Modell stehen. Doch dann stellte sich heraus: Es gibt gleich zwei komplette Engelskreise mit insgesamt 75 Gesichtern! So oft wollte Ralf Hellriegel sich dann doch nicht in der Kirche sehen. Stattdessen luden die Restauratorinnen Sarah und Evelin Waldmann die Gemeindemitglieder ein, ihre Gesichter zur Verfügung zu stellen – eben für 200 bzw. 300 € für die größeren Abbildungen. Leicht von unten fotografiert, mit geöffnetem Mund, so sollten die eingereichten Fotos sein – wie singende Engel eben. Hat super geklappt.
Etliche ließen ihre Kinder oder Enkel dort verewigen. Aber auch ältere Menschen sind dabei. Die Plätze waren schnell vergeben. Selbst Anfragen aus dem Ausland gab es, und so sind nun auch Menschen aus Kanada und Thailand mit dabei. Letzten Endes sind es nun sogar mehr Engel geworden: Über 100 Porträts zieren nun die Decke der Kirche. Das Gemälde ist fertig, aber erst im Jahr 2024 wird es für alle sichtbar sein, wenn die Bauarbeiten beendet sind.
Was für eine schöne Idee! Die Menschen, die hier abgebildet sind, werden immer ein besonderes Verhältnis zu diesem Gebäude haben. Sie werden nach oben blicken, sich selbst und vielleicht noch andere Freunde und Bekannte dort sehen. Aber eben auch fremde Menschen aus anderen Ländern, eine Erinnerung daran: Wir sind eine weltweite Gemeinschaft der Christinnen und Christen. Noch in Jahrzehnten werden manche der heutigen Kinder kommen. Vielleicht werden sie ihren Enkeln zeigen: „Schau mal, das bin ich!“
Und noch in hundert, vielleicht sogar zweihundert und mehr Jahren wird dieses Gemälde ein Gruß sein von der heutigen (weltweiten) Gemeinde an die Menschen, die dann hier zusammenkommen. In gewisser Weise werden sie gemeinsam singen. Der Glaube verbindet sie – auch durch die Zeit hindurch.