Die Pfarrer und die Zeit

Die Pfarrer und die Zeit

Als Gott die Zeit gemacht hat, hat er genug davon gemacht. So sagt ein altes irisches Sprichwort (oder zumindest ein Kalenderspruch, der von sich behauptet, ein altes irisches Sprichwort zu sein). Die einzigen, für die das manchmal nicht zu gelten scheint, sind ausgerechnet die Pfarrerinnen und Pfarrer. Woran das wohl liegen mag? Kollege Matthias Jung hat neulich darüber in seinem Blog geschrieben, über den „Habitus der Vielbeschäftigkeit bei Pfarrersleuten“. Ja, da ist natürlich was dran.

Wollen wir jemandem etwas beweisen? Arbeiten wir immer noch gegen dieses vielzitierte Vorurteil an, der Pfarrer/die Pfarrerin arbeite ja nur sonntags, und auch da nur eine Stunde? Nein, ich glaube, es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass dem nicht so ist. Und zwar schon viel zu viel. Und ich glaube, das jetzt ganz ernst: Das ist mit ein Grund dafür, dass das Christentum oft nicht mehr ganz ernst genommen wird. Eine Botschaft der Erlösung, Befreiumg und Freude, vorgetragen von Menschen, die kurz vor oder nach dem Burnout stehen und die kaum mal zu erreichen sind, weil sie nur noch von Termin zu Termin hetzen? Irgend etwas passt da nicht, scheint mir.

Ja, wir haben viel zu tun. Und es gibt eine Menge Aufgaben, die eigentlich andere besser könnten. Hier bei uns gibt es Pfarrerinnen und Pfarrer, die bis zu vier kirchengemeindeeigene Kindergärten zu verwalten haben, inklusive Personalführung, Mitarbeitendenjahresgespräche, Elternabende und allem was so dazugehört. Wäre es nicht viel schöner, mal ne Stunde bei den Kindern sein zu können? Mit ihnen zu spielen, von ihnen zu hören, vielleicht eine Geschichte zu erzählen oder mit ihnen ein Lied zu singen. Doch leider muss ich schon wieder weiter zum Bauausschuss, denn das Kirchendach ist baufällig, Geld für eine Sanierung aber nicht vorhanden.

####LINKS####Ja, es gibt Zeiten, in denen weiß auch ich kaum, wo vorne und hinten ist. Es gibt Tage, an denen ich aus dem Haus gehe, wenn meine Jüngste noch schläft und erst wieder heimkomme, wenn sie schon längst wieder im Bett ist. Aber: Es gibt auch Tage, an denen ich nur mal zwischendurch kurz den Anrufbeantworter checke – schließlich könnte ja wirklich etwas Wichtiges sein, eine Beerdigung zum Beispiel – und ansonsten Zeit habe. Für mich. Für meine Frau. Meine Kinder. Da predigen wir den freien Sonntag, an dem wir selbst arbeiten – aber nehmen uns selber keinen Tag frei? Nein, das geht so nicht.

Ich habe mir eine ganz fantastische Arbeitsersparnismethode angewöhnt: Ungefähr so ein, zweimal im Jahr schiebe ich brutal alles, was auf meinem Schreibtisch liegt, in eine große Kiste. Die steht dann ein halbes Jahr irgendwo rum. Wenn ich was suche, weiß ich, wo es ist – der Rest kann eigentlich weg.

Als Gott die Zeit gemacht hat, hat er genug davon gemacht. Vielleicht gehört es viel mehr, als wir Pfarrersleute denken, zu unserem Beruf, sie auch mal zu genießen. Im Garten zu sitzen und sich zu bilden durch ein gutes Buch, einen Zeitungsartikel, einen Blogbeitrag. Ruhe hineinzubekommen in diesen hektischen Betrieb. Ja, ich glaube, das täte unserer Botschaft gut.

Übrigens: Kollege Ulrich Kasparick, der die Hektik als ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär noch viel stärker mitgemacht hat, macht es vor. Mit seinem Internet-Rosengarten, der nochmal einen eigenen Artikel wert ist. Bei Gelegenheit. Heute jedenfalls nicht. Ich wünsche einen geruhsamen, erholsamen und zeit-reichen Abend.


 

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