Hysterisch-kritische Nusskuchen

Hysterisch-kritische Nusskuchen

Ist die Bibel Gottes Wort? Oder Teile davon? Was ist überhaupt die Bibel – wie ist sie entstanden, wer hat die Texte darin verfasst? Wie können wir damit umgehen, dass manche Aussagen der Bibel sich offenbar widersprechen, andere im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Naturwissenschaft stehen?

Seit der Aufklärung hat sich nach und nach eine neue Herangehensweise an die Bibel herauskristallisiert, die bis heute die Christenheit entzweit. Sie sagt: Auch biblische Texte sind eben genau das: Texte. Sie haben eine Geschichte, die möglicherweise über Jahrtausende reicht. Sie haben eine Vorgeschichte, bevor sie aufgeschrieben wurden. Sie wurden möglicherweise von anderen überarbeitet, neu zusammengestellt, korrigiert, kommentiert. Diese neue Methode sieht also Bibeltexte als etwas Historisches. Und sie sucht nach wissenschaftlichen Kriterien, mit denen die Schritte nachvollziehbar werden können, mit denen sie gewissermaßen nach dem Ursprung der Texte sucht. So wurde sie schließlich auch genannt: Historisch-kritische Methode. Kritisch also nicht im umgangssprachlichen Sinn von kritisieren, sondern als Hinweis auf die wissenschaftlichen Kriterien, die hier angewandt werden.

 

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Und was es da alles an Kriterien gibt! Ein ganzes Theologiestudium lang kann man sich daran die Zähne ausbeißen. Textkritik, Textanalyse, Redaktionsgeschichte, Literarkritik, Formgeschichte, Traditionsgeschichte, Begriffs- und Motivgeschichte, Religionsgeschichte: So – oder so ähnlich, je nach Lehrbuch – heißen die mittlerweile weitgehend anerkannten Schritte dieser Methode.

 

Textkritik: Die Suche nach dem ursprünglichen Text 

Bei der Textkritik dürften sich alle noch weitgehend einig sein: Die ist nötig. Bei Texten, die jahrtausendelang immer wieder von Hand abgeschrieben wurden, stellen sich nun mal unweigerlich Abschreibfehler ein. Ein Wort vergessen, ein Buchstabe zu viel oder undeutlich, eine an den Rand gekritzelte Anmerkung beim Abschreiben aus Versehen in den Text übernommen: Schon steht da eventuell was ganz anderes als ursprünglich gemeint war. Durch Vergleichen verschiedener Handschriften kommt man aber dem ursprünglichen Text ziemlich nahe. Und: Die Leute damals konnten eindeutig besser abschreiben als wir. Die älteste vollständig erhaltene Handschrift des Alten Testaments, der „Codex Lenigradensis“ (ca. 1000 n.Chr.) ist nahezu identisch mit den über 1000 Jahre älteren Text-Bruchstücken, die in den Höhlen von Qumran gefunden wurden.

Die Entstehung des Textes

Schwieriger wird's dann allerdings mit den übrigen Schritten. Ich will aus diesem Artikel kein komplettes Theologiestudium machen, deshalb nur ganz kurz: Wie ist der Text entstanden? Haben verschiedene Autoren daran gearbeitet, möglicherweise in ganz unterschiedlichen Zeiten? Gibt es vielleicht eine mündliche Tradition, ähnlich wie bei den Märchen der Gebrüder Grimm, die schon jahrhundertelang immer weiter erzählt wurde, bevor sie aufgeschrieben wurden? Und wie gingen die Autoren damit um, wenn es verschiedene Versionen der gleichen Geschichte gab?

Zweimal Noah?

Ein interessantes Beispiel ist etwa die bekannte Erzählung von der Arche Noah: Wenn man genau hinsieht, merkt man: Da wird so gut wie alles zweimal erzählt, teilweise auch in sich widersprechenden Varianten: Einmal soll Noah von jeder Tierart ein Paar mitnehmen, das andere Mal steht da: „Von allen reinen Tieren nimm zu dir je sieben, (...), von den unreinen Tieren aber je ein Paar.“ (Gen 7, 2) Dazu wechselt das hebräische Wort für Gott abschnittsweise hin und her zwischen „elohim“ (was einfach „Gott“ bedeutet) und dem Gottesnamen JHWH (in vielen deutschen Übersetzungen wird er in Großbuchstaben wiedergegeben: „der HERR“ oder auch „der HErr“). 

Wenn man dann noch genauer hinschaut, ergeben sich auch stilistische Unterschiede. Der mit „Elohim“ ist ein echter Erbsenzähler: „Im sechshundertsten Lebensjahr Noahs am siebzehnten Tag des zweiten Monats...) (Gen 7,11), ja genau: An dem Tag taten sich die Fenster des Himmels auf – nachdem das „Boarding“ (von den reinen Tieren je sieben, bitteschön) ausgiebig beschrieben wurde. Man sollte meinen, dass es dann weitergeht: Die Arche begann zu schwimmen. Weit gefehlt: Jetzt beginnt das Boarding 2.0. Diesmal ohne reine Tiere. Also schon auch die reinen Tiere, aber eben nicht besonders erwähnt: Jedes Tier nur ein Paar: „An eben diesem Tage ging Noah in die Arche mit (seiner Familie...), dazu alles wilde Getier nach seiner Art.“ (Gen 7,13) Irgendwann wird ziemlich deutlich: Hier sind zwei ähnliche Erzählungen zu einer verwoben worden.

 Lesen Sie die Geschichte doch mal so (siehe unten): 

  • 1. Mose Kapitel 6, Verse 1-8;
  • Kapitel 7, Vers 1
  • Kapitel 6, 19-21 (ja, eine kleine Umstellung)
  • Kapitel 7, Vers 13 bis Kapitel 8, Vers 3
  • Kapitel 8, Verse 6-12
  • Kapitel 8, Verse 15-22
  • und als Alternative die Verse dazwischen.

Erbsenzähler und Jahwisten

Solche Unterschiede ziehen sich mehr oder weniger durch die gesamten fünf Bücher Mose. Vor allem der „Erbsenzähler“ ist da immer wieder zu finden. In der Forschung nennt man ihn die „Priesterschrift“, weil dieser Teil der Erzählungen vermutlich im Jerusalemer Tempel entstanden ist und auch großen Wert auf kultische Dinge legt – hier zum Beispiel die Unterscheidung in reine und unreine Tiere.

Die andere „Quelle“ nannte man früher den Jahwisten, denn ein wesentliches Merkmal ist, dass Gott mit seinem Namen JHWH bezeichnet wird. Heute kommt man allerdings mehr und mehr davon ab, dass es sich um einen einheitlichen Erzähler handelt – doch das nur am Rande. (Ja, und natürlich gitbs auch noch den Elohisten und was weiß ich alles, aber wie gesagt, kein Theologiestudium hier)

Wenn man dann die ganzen Quellen auseinandergedröselt hat, kommt natürlich noch die Frage: Was meinten die Leute damals damit? Warum war es der Priesterschrift wichtig, dass die „reinen Tiere“ eine Sonderbehandlung bekommen, und was sind überhaupt „reine Tiere“? Was stellte sich der Autor vor, wenn er schrieb: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, und die Erde war „tohu wa bohu“ (hebräisch für wüst und leer)“? Was für Bedeutungen schwingen in zentralen Wörtern wie dem „Bund“ mit? War den Erzählern der Noah-Geschichte bewusst, dass es das ganz ähnliche Gilgamesch (oder Ziusudra)-Epos gab, beziehen sie sich vielleicht sogar darauf?

Und was soll das bringen?

Fragen über Fragen. In der Historisch-kritischen Methode kann man sich wirklich verlieren. Und auch seinen Glauben verlieren, wie die Kritiker der Kritik nicht zu Unrecht anmerken. Ja, die HKM ist ein schwieriger Brocken. Und man fragt sich ernsthaft: Wozu ist sie eigentlich da? Ganz ehrlich: Es gibt nur ganz, ganz wenige Pfarrer(-innen), die vor einer Predigt wirklich ihren Predigttext nach dieser Methode auseinandernehmen. Da lernt man was im Studium, verzweifelt fast daran – und braucht es nachher nie mehr?

Zugegeben: Meine letzte komplette Exegese (so nennt man die Anwendung der HKM auf einen Bibeltext) war im Examen. Aber: Die intensive Beschäftigung mit den Bibeltexten damals, im Studium, hat mein Verständnis von Bibeltexten verändert. Ich nehme nicht mehr einfach das als gegeben hin, was mir die Übersetzung suggeriert. Ich weiß manchmal, dass ein Wort im Hebräischen oder Griechischen eine andere Nebenbedeutung hatte, die wir heute nicht nachvollziehen können. Ich weiß, was dahinter steht – ein bekanntes Beispiel – wenn es in der (priesterschriftlichen) Schöpfungserzählung heißt: Gott machte zwei große Lichter, dazu auch die Sterne. (Das war nämlich eine riesige Frechheit der jämmerlich unterlegenen Israeliten gegenüber den siegreichen Babyloniern: „Ihr betet Sonne, Mond und Sterne als Götter an? Pah! Das sind nur Lampen, die unser Gott gemacht und an den Himmel gehängt hat“ Frechheit. Die man nur verstehen kann, wenn man herausgefunden hat, wann und wo der Text geschrieben wurde.)

gleiches Rezept, verschiedene Kuchen 

Ganz wichtig finde ich, herauszufinden, was ein Wort denn nun eigentlich in dem Zusammenhang bedeutet. Nehmen wir wieder unser Beispiel von den Kuchenbäckern. Die haben nun ein jahrtausendealtes Rezept ausgegraben. Hunderte von Malen wurde es abgeschrieben. Die Mengenangaben wurden vielleicht schon mehrmals in neue Maßeinheiten umgerechnet. Und dann steht da: Nüsse. 

Was meint der Autor mit Nüsse? Haselnüsse? Walnüsse? Vielleicht auch Kokosnüsse? Oder bedeutet es vielleicht sogar, dass man dem Küchenjungen eine Kopfnuss verpassen soll, wenn er zu viel Mehl in den Teig schüttet? 

Es könnte auch sein, dass das hebräische Wort für „Nüsse“ hier gar nicht „Nüsse“ bedeutet, sondern in diesem Zusammenhang für Rosinen steht. 

Eventuell ist es sogar ein Abschreibfehler: Es gehören gar keine Nüsse in den Teig. Irgend jemand hat mal an den Rand geschrieben: „Ich küsse den Erfinder dieses Rezepts. Genialer Kuchen.“ - wobei „Küsse“ vom nächsten Abschreiber in das Rezept übernommen wurde und der „offensichtliche Schreibfehler“ verbessert wurde.

Das Beispiel scheint weit hergeholt, doch die Auswirkungen sind deutlich: Ein einziges Wort, falsch interpretiert, kann den ganzen Kontext verändern. Je nachdem, wie man sich entscheidet, kommt ein ganz anderer Kuchen heraus – und eventuell noch ein Küchenjunge mit Kopfschmerzen. 

Ja, manchmal ist es wichtig, so genau hinzusehen. Nicht an jeder Stelle, aber eben doch immer wieder. Ich bin froh, dass ich das kann, wenn's drauf ankommt, und dass ich genügend Wissen im Hinterkopf habe, um manche Dinge von vornherein einzuordnen. Und dass ich zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür angeben kann, ob etwa ein bestimmter Satz wirklich von Paulus stammt oder später als Anmerkung am Rand mit in den Text hineingerutscht ist.

Wo bleibt Gott?

Aber – wo bleibt jetzt in dieser ganzen Sache eigentlich Gott? Ist diese in kleine und kleinste Bestandteile zerpflückte Bibel denn noch „Gottes Wort“? Reicht es aus, zu sagen: Die Autoren damals schrieben über ihre Erfahrungen mit Gott, und auch die späteren Redakteure, die Texte zusammenstellten, taten das im Glauben an Gott?

Ein nicht unwichtiger Kritikpunkt an der HKM ist, dass sie den Weg zum Glauben eher verstellt als fördert. Ja, das kann ich gut nachvollziehen. Vieles, was mir vor meinem Studium selbstverständlich erschien, geriet auf einmal ins Wanken. Die Bibel erschien mir als ein eher zufällig zusammengestöpseltes Werk aus Tausenden von Einzelmeinungen, Widersprüchen, ja sogar Zitaten aus ganz anderen Religionen. Ich kann verstehen, wenn es Christen gibt, die an diesem Punkt ihren Glauben verlieren – oder die vorher abblocken und sagen: Diese Methode ist nichts für mich, ich will mir meinen „einfachen Glauben“ bewahren.

Wankende Grundlagen

Manche werden da geradezu hysterisch: „Das muss ich mir nicht antun! Was bildest du dir ein, die Bibel so auseinanderzupflücken! Mit dir rede ich nie mehr über theologische Themen!“ - ja, so emotional geht es da wirklich zu. Schließlich geht's um die eigene Existenz. Um die Glaubensgrundlage des eigenen Lebens. Die anzuzweifeln, kritisch zu hinterfragen, sie „umzubauen“: Das erscheint gefährlich, geradezu lebensbedrohlich. Bestimmt kennen Sie so was aus anderen Zusammenhängen: Wer den Kuchen sein Leben lang mit Mandeln gebacken hat, möchte nicht zugeben, dass in Wirklichkeit Rosinen reingehören.

Aber: Glauben ist nichts auf ewig Sicheres. Ich denke: Zum Glauben gehören auch die Zweifel unbedingt dazu. Das Ringen mit dem Bibeltext und seiner Geschichte. Das Abbrechen alter Gedankengebäude, wenn sie nicht passen. Glauben ernst genommen, krempelt das Leben um. Nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Aber vielleicht stellen wir nach einer großen Krise fest: Der Kuchen schmeckt mit Rosinen einfach doch besser.
Wie „Glauben“, die verschiedenen Konzepte der Bibelinspiration und die historisch-kritische Beschäftigung mit der Bibel und ihrer Geschichte zusammenpassen, davon möchte ich nächstes Mal schreiben.

Weiter zum nächsten Teil: Gottes Wort geschieht


So könnten die zwei Noah-Geschichten ausgesehen haben...

Jahwist

6 1 Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, 
2 da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten.
3 Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre.
4 Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.
5 Als aber der HERR sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar,
6 da reute es ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen
7 und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe.
8 Aber Noah fand Gnade vor dem HERRN.

7 1 Und der HERR sprach zu Noah: Geh in die Arche, du und dein ganzes Haus; denn dich habe ich gerecht erfunden vor mir zu dieser Zeit.
6 19 Und du sollst in die Arche bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit dir.
20 Von den Vögeln nach ihrer Art, von dem Vieh nach seiner Art und von allem Gewürm auf Erden nach seiner Art: von den allen soll je ein Paar zu dir hineingehen, dass sie leben bleiben.
21 Und du sollst dir von jeder Speise nehmen, die gegessen wird, und sollst sie bei dir sammeln, dass sie dir und ihnen zur Nahrung diene.

7 13 An eben diesem Tage ging Noah in die Arche mit Sem, Ham und Jafet, seinen Söhnen, und mit seiner Frau und den drei Frauen seiner Söhne;
14 dazu alles wilde Getier nach seiner Art, alles Vieh nach seiner Art, alles Gewürm, das auf Erden kriecht, nach seiner Art und alle Vögel nach ihrer Art, alles, was fliegen konnte, alles, was Fittiche hatte;
15 das ging alles zu Noah in die Arche paarweise, von allem Fleisch, darin Odem des Lebens war.
16 Und das waren Männchen und Weibchen von allem Fleisch, und sie gingen hinein, wie denn Gott ihm geboten hatte. Und der HERR schloss hinter ihm zu.
17 Und die Sintflut war vierzig Tage auf Erden, und die Wasser wuchsen und hoben die Arche auf und trugen sie empor über die Erde.
18 Und die Wasser nahmen überhand und wuchsen sehr auf Erden, und die Arche fuhr auf den Wassern.
19 Und die Wasser nahmen überhand und wuchsen so sehr auf Erden, dass alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel bedeckt wurden.
20 Fünfzehn Ellen hoch gingen die Wasser über die Berge, sodass sie ganz bedeckt wurden.

21 Da ging alles Fleisch unter, das sich auf Erden regte, an Vögeln, an Vieh, an wildem Getier und an allem, was da wimmelte auf Erden, und alle Menschen.
22 Alles, was Odem des Lebens hatte auf dem Trockenen, das starb.
23 So wurde vertilgt alles, was auf dem Erdboden war, vom Menschen an bis hin zum Vieh und zum Gewürm und zu den Vögeln unter dem Himmel; das wurde alles von der Erde vertilgt. Allein Noah blieb übrig und was mit ihm in der Arche war.
24 Und die Wasser wuchsen gewaltig auf Erden hundertundfünfzig Tage.

8 1 Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen und die Wasser fielen.
2 Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt.
3 Da verliefen sich die Wasser von der Erde und nahmen ab nach hundertundfünfzig Tagen.

6 Nach vierzig Tagen tat Noah an der Arche das Fenster auf, das er gemacht hatte, 
7 und ließ einen Raben ausfliegen; der flog immer hin und her, bis die Wasser vertrockneten auf Erden.
8 Danach ließ er eine Taube ausfliegen, um zu erfahren, ob die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden.
9 Da aber die Taube nichts fand, wo ihr Fuß ruhen konnte, kam sie wieder zu ihm in die Arche; denn noch war Wasser auf dem ganzen Erdboden. Da tat er die Hand heraus und nahm sie zu sich in die Arche.
10 Da harrte er noch weitere sieben Tage und ließ abermals eine Taube fliegen aus der Arche.
11 Die kam zu ihm um die Abendzeit, und siehe, ein Ölblatt hatte sie abgebrochen und trug's in ihrem Schnabel. Da merkte Noah, dass die Wasser sich verlaufen hätten auf Erden.
12 Aber er harrte noch weitere sieben Tage und ließ eine Taube ausfliegen; die kam nicht wieder zu ihm.

15 Da redete Gott mit Noah und sprach:
16 Geh aus der Arche, du und deine Frau, deine Söhne und die Frauen deiner Söhne mit dir.
17 Alles Getier, das bei dir ist, von allem Fleisch, an Vögeln, an Vieh und allem Gewürm, das auf Erden kriecht, das gehe heraus mit dir, dass sie sich regen auf Erden und fruchtbar seien und sich mehren auf Erden.
18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne,
19 dazu alle wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.

20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar.
21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.
22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.


Priesterschrift

6 9 Dies ist die Geschichte von Noahs Geschlecht. Noah war ein frommer Mann und ohne Tadel zu seinen Zeiten; er wandelte mit Gott. 
10 Und er zeugte drei Söhne: Sem, Ham und Jafet.
11 Aber die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voller Frevel.
12 Da sah Gott auf die Erde, und siehe, sie war verderbt; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden.
13 Da sprach Gott zu Noah: Das Ende allen Fleisches ist bei mir beschlossen, denn die Erde ist voller Frevel von ihnen; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde.
14 Mache dir einen Kasten von Tannenholz und mache Kammern darin und verpiche ihn mit Pech innen und außen.
15 Und mache ihn so: Dreihundert Ellen sei die Länge, fünfzig Ellen die Breite und dreißig Ellen die Höhe.
16 Ein Fenster sollst du daran machen obenan, eine Elle groß. Die Tür sollst du mitten in seine Seite setzen. Und er soll drei Stockwerke haben, eines unten, das zweite in der Mitte, das dritte oben.
17 Denn siehe, ich will eine Sintflut kommen lassen auf Erden, zu verderben alles Fleisch, darin Odem des Lebens ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen.
18 Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen deiner Söhne.

7 2 Von allen reinen Tieren nimm zu dir je sieben, das Männchen und sein Weibchen, von den unreinen Tieren aber je ein Paar, das Männchen und sein Weibchen.
3 Desgleichen von den Vögeln unter dem Himmel je sieben, das Männchen und sein Weibchen, um das Leben zu erhalten auf dem ganzen Erdboden.
4 Denn von heute an in sieben Tagen will ich regnen lassen auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte und vertilgen von dem Erdboden alles Lebendige, das ich gemacht habe.

5 Und Noah tat alles, was ihm der HERR gebot.
6 Er war aber sechshundert Jahre alt, als die Sintflut auf Erden kam.
7 Und er ging in die Arche mit seinen Söhnen, seiner Frau und den Frauen seiner Söhne vor den Wassern der Sintflut.
8 Von den reinen Tieren und von den unreinen, von den Vögeln und von allem Gewürm auf Erden
9 gingen sie zu ihm in die Arche paarweise, je ein Männchen und Weibchen, wie ihm Gott geboten hatte.
10 Und als die sieben Tage vergangen waren, kamen die Wasser der Sintflut auf Erden.
11 In dem sechshundertsten Lebensjahr Noahs am siebzehnten Tag des zweiten Monats, an diesem Tag brachen alle Brunnen der großen Tiefe auf und taten sich die Fenster des Himmels auf,
12 und ein Regen kam auf Erden vierzig Tage und vierzig Nächte.
8 4 Am siebzehnten Tag des siebenten Monats ließ sich die Arche nieder auf das Gebirge Ararat.
5 Es nahmen aber die Wasser immer mehr ab bis auf den zehnten Monat. Am ersten Tage des zehnten Monats sahen die Spitzen der Berge hervor.
13 Im sechshundertundersten Lebensjahr Noahs am ersten Tage des ersten Monats waren die Wasser vertrocknet auf Erden. Da tat Noah das Dach von der Arche und sah, dass der Erdboden trocken war.
14 Und am siebenundzwanzigsten Tage des zweiten Monats war die Erde ganz trocken.
9 1 Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.
2 Furcht und Schrecken vor euch sei über allen Tieren auf Erden und über allen Vögeln unter dem Himmel, über allem, was auf dem Erdboden wimmelt, und über allen Fischen im Meer; in eure Hände seien sie gegeben.
3 Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich's euch alles gegeben.

Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

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