Labor für Bestattungen

Labor für Bestattungen
Kirchliche üben neuen Realitätsbezug. Welche Sprache taugt in Bestattungs-Ansprachen? Das haben Pastor:innen in einem Labor getestet.

Zehn Pastor:innen treffen zehn Menschen, die der Kirche eher fern stehen. Im großen Raum ist eine Bestattungs-Kapelle nachgestellt: Sarg, Rednerpult, Leuchter, Pflanzen. Einer zieht seinen Talar an, stellt sich ans Pult und spricht eine Bestattungs-Ansprache. Sie handelt von einem Menschen, der real beerdigt wurde. Der Name ist geändert. Die zehn Kirchenfernen hören aufmerksam zu. Das Ganze ist eine Art Forschungslabor.

Die Pastor:innen möchten wissen, wie ihre Trauer-Ansprachen auf Menschen wirken, die mit "Gott" nichts anfangen können. Oder das, was ihnen heilig ist, nicht so nennen. Sie möchten wissen, welche Sprache taugt für eine ehrliche Ansprache. Es geht nicht um Mission, sondern um gute Seelsorge.

Zuerst sind alle ein wenig scheu. Die Gäste fragen sich, ob sie geeignet sind für Auskünfte, die Pastor:innen haben ein wenig weiche Knie. Aber nach der ersten Ansprache ist das alles verflogen. Eine Verkäuferin sagt: „Jetzt bin aber erstaunt. Ich war mal bei einer Beerdigung, da hat ein Pfarrer immer so Sprüche gesagt aus der Bibel und dazwischen Lebensdaten, das fand ich schrecklich. Da passte nichts zusammen. Ich dachte, das muss er wohl bei Kirche so machen. Aber Sie haben sich ja hier Gedanken gemacht über das Leben. Jetzt bin ich echt beruhigt. Dann kann man ja doch einen Pfarrer bestellen, wenn es soweit ist.“ Ein junge Grafikerin sagt: „Ich glaub nicht an das, was ihr glaubt. Das wird sich auch nicht ändern. Aber ich glaub euch Pastoren, wenn ihr es selber glaubt.“

Die Geistlichen sind beeindruckt. Sie merken, dass die Leute genau hinhören. Ein Schreiner sagt: „Ja, erklärt uns ruhig mal was. Warum die Tante in den letzten Jahren so hart war oder so. Man versteht ja sein eigenes Leben auch nicht immer. Aber redet vom Leben und nicht so frommen Sachen, die man nicht versteht.“  Ein älterer Mann mit Aushilfsjobs schweigt lange, als er nach seinem Eindruck gefragt wird. Dann sagt er: „Ist schon ok mit diesen religiösen Sachen. Stört mich nicht. So eine Leichenrede ist wichtig. Und wenn der Pfarrer so richtig echt ist wie er ist, dann ist das gut. Macht mal weiter.“

Alle ziehen bewegt nach Haus.

weitere Blogs

Kirchenansicht bei Nacht in der Wiener Votivkirche
Ein berührender und atmosphärisch beeindruckender queerer Kreuzweg mit persönlichen Geschichten, Musik, Tanz und Gebet fand in der Wiener Votivkirche statt. Ein Bericht von Katharina Payk.
Die Evangelische Jugend Wesermünde veranstaltet seit 20 Jahren Konfifreizeiten auf dem Ijsselmeer
Zoe Saldana, Gewinnerin des Preises für die beste Leistung einer Schauspielerin in einer Nebenrolle für "Emilia Perez".
Mit Konklave und Emilia Pérez waren in diesem Jahr zwei Filme vielfach für den Oscar nominiert, die queere Bezüge haben. Wolfgang Schürger sieht in beiden auch eine tiefe theologische Dimension.