Zwei Sorten Wut oder Himmel und Hölle
Ein etwa 30 jähriger schlanker Mann mit dunklem Haar und Bart betritt den offenen Innenhof einer Kirche. Er schaut sich um und seine Miene verfinstert sich. Er geht an den Ständen des Marktes für kirchliche Kosmetikartikel vorbei - eine Aktion für ‚die moderne Kirche‘. Er nimmt einzelne Gegenstände in die Hand und wirft sie wieder auf den Tisch. Er wirkt, als stünde er unter Strom. Er sagt: Es ist eine Schande. Das ist eine Kirche. Hier betet man mit Gott. Einige ältere Damen verdrehen die Augen.
Ein kleines Mädchen mit rotem Pferdeschwanz sieht ihn. Sie schielt. Man weiß nie, wen sie gerade ansieht. Wie heißt du, fragt sie. Dir gehört der Himmel, sagt er.
Er schaut sie an und dann in die Runde. Er hebt das Mädchen sanft hoch und setzt sie auf die Stufen am Eingang. Dann nimmt er Fahrt auf, reißt Flaschen, Flacons und Cremedosen vom nahen Tisch. Es klingt wie Polterabend, nur viel ernster.
So ähnlich erzählt man sich die ruppigste Geschichte vom friedlichen Jesus. Der immer Leute heil macht rastet aus. Weil er seine Kirche überschwemmt sieht: Die Leute sind leblos in ihren kleinen Ansprüchen. Er fürchtet, dass ihre Seelen versauen.
Ihr macht aus allem ein Geschäft. Alles ist käuflich. Eure Freizeit. Eure Körper. Eure Meinung. Alles.
Mein Gott macht euch umsonst schön. Du bist angesehen und hast Ansehen. Das ist der HIMMEL.
Die Leute aus dem schwarzen Block suchen das NICHTS. Sie sind namenlos. Sie verhüllen sich. Sie kommen wie Untote von überall her. Vielleicht reagieren sie auf unsere selbstgewisse Sicherheit des Besitzes. Das Eigentum, eins der großen Tabus unserer Zeit - einmal alle da treffen, wo sie am empfindlichsten sind. Auch ein Angriff auf das Prinzip ‚Kaufen statt Leben‘. Aber es geht um nichts. Kein Gott, kein Mitgefühl, kein Ansehen. Willkommen in der HÖLLE: Wir haben kein Gesicht, und wir brauchen Euren Schrecken, um uns selber zu fühlen.
Der Eifer dieses Jesus ist schräge. Aber ihm geht es um Menschen. ER ZEIGT SICH. Die Leute werden ihn gesehen haben und wissen, wer er ist. Sie haben ihn angeredet und seinen Namen gesagt. Und dabei bekamen sie selber Namen und Gesicht.