Public Viewing: Unser krönender Abschluss

Public Viewing: Unser krönender Abschluss
Abschlussgottesdienst
Foto: Stefanie Spitzer, evangelisch.de
Public Viewing der evangelisch.de-Redatkion in der Hotel-Lounge: Markus Bechtold (von links), Claudius Grigat, Frank Muchlinsky und Lena Ohm
Wir haben den Schlussgottesdienst des Kirchentags 2019 in Dortmund in unserer Hotellounge im Fernsehen verfolgt. So hat er uns gefallen.

Frank Muchlisnky: Zeit für echte Koalitionen!

Ich habe gern zugehört, als Sandra Bils gepredigt hat. Da ich mir nie alles merken kann, suche ich mir beim Predigtzuhören einen Satz aus, den ich mitnehmen und bedenken will. Ich habe gehört, dass sie gesagt hat, dass wir Christenleute uns zusammentun sollen mit anderen Leuten, die das Richtige wollen. Ich denke mir: Ja! Unsere christliche Motivation das Richtige zu tun ist eine besondere und wunderschöne. Aber um die muss es nicht gehen, wenn wir uns zusammen mit anders motivierten guten Menschen (!) für das einsetzen, was alle brauchen. Ach, und noch etwas habe ich mir gemerkt: Wir werden gebraucht. Darauf vertraue ich.

Markus Bechtold: Aufbruch ist jetzt

Das Läuten der Kirchenglocken klingt in Essen bis zu uns ins Hotel. Zeit für die Lounge, Zeit für den Fernseh-Abschlussgottesdienst. "Von guten Mächten wunderbar geborgen" erklingt durch den Signal Iduna Park hin zu uns. In der Hotellounge spielt laute Musik. Der Abschlussgottesdienst dringt trotzdem gut in unsere Ohren und wie ich feststelle, schnell in mein Herz. "Man lässt keine Menschen ertrinken! Punkt!", sagt Pastorin Sandra Bils in ihrer Predigt. "Und dann dreht sich unsere Kirchenwoche nicht nur um den Sonntag, sondern auch um den Freitag. #FridayForFuture." Sandra Bils ruft weiter dazu auf: "Wir werden gebraucht. Vielleicht mehr denn je." Kurz darauf singen alle zusammen: "Du bist heilig, Du bringst Heil". Damit ist alles gesagt.

Stefanie Spitzer: Weniger ist mehr

Für mich spiegelt der Abschlussgottesdienst die Eröffnungsfeier wider. Begann der Gottesdienst am Ostentor am Mittwoch mit persönlichen Beiträgen rund um das Thema Vertrauen und fand seinen Höhepunkt in der Predigt, beginnt er heute nun mit ihr. Pastorin Sandra Bils findet eindrucksvolle Worte und Bilder aus dem Leben und der Bibel zum Kirchentagsmotto. Kurz frage ich mich, was da im Anschluss die restlichen 75 Minuten noch kommen kann, aber dann werde ich von einem Luftballonträger, der durchs TV-Bild läuft, abgelenkt. Auch nett, junge Menschen mit großen, bunten Ballons durch das Signal Iduna-Stadion zu schicken, auch wenn sich mir der Grund nicht wirklich erschließt. Mit weiteren Predigten von Kirchentagspräsident Hans Leyendecker und der westfälischen Präses Annette Kurschus finde ich den Gottesdienst inhaltlich etwas überfrachtet und ich bin froh, dass ich nicht im Stadion schwitzen muss, sondern die Feier von der klimatisierten Hotellobby aus mitverfolgen kann.

Lena Christin Ohm: Chacka, du schaffst es

"Chacka, du schaffst es!" Dieser Satz aus Sandra Bils Predigt ist bei mir hängen geblieben. Wie sie ihn voller Elan, voller Überzeugung rausgehauen hat. Als Antwort darauf, dass wenn alles andere um uns herum bröckelt und wir nicht mehr wissen, was uns hält, wir auch auf uns selbst vertrauen können. Auf sich selbst vertrauen, auf sich selbst bauen, das ist aber nicht immer so einfach – auch davon erzählt Sandra Bils so, dass ich mich darin wiederfinde. Und sie sagt: Wenn man sich mal selbst nicht vertrauen kann, ist das nicht schlimm, denn da ist ja immer noch Gott. Ein Gott, der uns vertraut – manchmal nicht weil, sondern obwohl er uns kennt. Mit all unseren Schwächen und Unzulänglichkeiten. Mit allem, was wir lieber unter den Teppich kehren und vor der Welt verstecken würden. Bils bezeichnet uns alle als "Gottes geliebte Gurkentruppe" und ich für meinen Teil bin froh, Teil dieser Gurkentruppe zu sein.

Dass Bils in ihrer Predigt auf die im Mittelmeer Ertrinkenden, die Seenotretter und FridaysForFuture eingeht, war erwartbar – schließlich waren Seenotrettung und Klimawandel große und wichtige Themen auf dem Kirchentag. Ich persönlich hätte mir aber gewünscht, dass Bils ihre Zeit eher für andere konkrete Beispiele nutzt. Welche, die nicht sowieso schon in allen Medien rauf- und runterdiskutiert werden. Es wäre ein Augenblick gewesen, in dem man die Blicke der Menschen auf etwas hätte richten können, das sonst im Schatten steht. Ein Augenblick für all die Vergessenen, die nicht im Rampenlicht stehen. Darauf hatte ich gehofft.

Aber vielleicht wäre es auch sträflich gewesen, so eine große Bühne, so ein großes Publikum, nicht zu nutzen, um für etwas so elementares einzutreten wie den Grundsatz: "Man lässt keinen Menschen ertrinken. Punkt."

Claudius Grigat: Arschtritte und Luftballons

Es war eine wirklich schöne Bildidee: Die Luftballons, die in Grüntönen schon das Kirchentags-Artwork überall schmückten, in echt - und in bunt – im Stadion aufsteigen zu lassen. Jeder Luftballon ein Gedanke, wie Präses Anette Kurschus sagte, ein Gedanke des Vertrauens.

Das Motto des Gottesdienstes nämlich lautete "Werft euer Vertrauen nicht weg", ein Vers aus dem Hebräerbrief. Wie ein Arschtritt sei das, so Pastorin Sandra Bils in ihrer Predigt, und gleichzeitig ein Versprechen von Trost: Es kommt darauf an, es umzusetzen, das Vertrauen. Und deswegen war es gut, dass sie sich auf ganz aktuelle Themen bezog und sich eindeutig positionierte, indem sie klar machte, wofür Vertrauen notwendig ist. Im Alltag, im Kleinen – aber auch im Großen. Solidarität und Unterstützung für die "Fridays For Future"-Bewegung zum Beispiel. Und auch für die Seenotrettung im Mittelmeer und Organisationen wie "Sea-Eye" und "Sea-Watch". Für letztere und deren Aufklärungsflüge war dann auch ein Teil der Kollekte gedacht. Und auch Kirchentagspräsident Leyendecker bekräftigte noch einmal, wie wichtig es sei, die Welt menschlicher zu machen. Und dafür eben braucht es das Vertrauen, das den Mut und die Kraft und Motivation gibt: Gottvertrauen.

Und so kann es vielleicht gelingen, das zu werden, was das Motto für die Einladung zum nächsten Kirchentag ist, dem Ökumenischen Kirchentag 2021 in Frankfurt am Main: "Wolkenkratzer und Himmelsstürmer". So, wie die Luftballons im Himmel über Dortmund.

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