Ihre Fragen, unsere Antworten Folge 3: Von Feuer und Schwert

Ihre Fragen, unsere Antworten Folge 3: Von Feuer und Schwert
Warum postet evangelisch.de ein Bild von den Anti-EZB-Krawallen auf Facebook und stellt dazu Matthäus 26,52?

Liebe Nutzerinnen und Nutzer von evangelisch.de,

als in Frankfurt am Mittwoch vormittag Polizeiautos brannten und radikale linke Autonome (und neuesten Berichten zufolge offenbar auch Rechtsextreme) gegen EZB und den Staat wüteten, lange bevor die normalen Menschen ihre Demonstrationen gegen die EZB und die europäische Finanzpolitik begannen, haben wir ein Bild auf Facebook gepostet.

Dieses hier.

Darauf gab es einige Reaktionen (23 Kommentare, 44 Shares, 141 Likes), die völlig auseinander gingen. Die Reaktionen gingen von:

Thorsten Römer Ich unterstreiche meine politischen Ansichten auch immer mit Bibelzitaten...
Mieser Post.

...bis zu:

Yesu Ayebare Endlich mal ein anständiger Post bei evangelisch.de.

Die Kommentatoren störten sich vor allem an zwei Dingen: An der "reißerischen" Aufmachung, und daran, dass unser Post die strukturelle Gewalt, die vom finanzkapitalistischen System ausgeht, nicht mit berücksichtigt habe und zu undifferenziert sei.

Zum Thema "reißerisch": Ja, der Post ist plakativ. Er spiegelt die Reaktion aus der evangelisch.de-Redaktion wieder, die wir hatten, als wir die Bilder aus Frankfurt sahen - der Stadt, an dessen Rand auch unsere Redaktion liegt. Wir empfinden das Anzünden von Autos und Mülltonnen, das Bewerfen von Straßenbahnen mit Steinen und den Versuch, in das EZB-Gebäude einzudringen, als unverhältnismäßig und ungerechtfertigt. Diese Reaktion lässt sich einfach besser in einem plakativen Bild mit dem Bezug aufs Evangelium ausdrücken als in (beispielsweise) einem redaktionellen Kommentar. Außerdem ist ein solcher Post schneller erstellt als andere redaktionelle Inhalte, Bei einem solchen Ereignis wollen wir gern auch zeitnah reagieren, während es uns und Sie aktuell bewegt.

Wir haben die Stelle aus dem Matthäus-Evangelium ausgewählt, in der Jesus selbst auf Gewalt reagiert, deren Zeuge er wird. Die Soldaten kommen, um ihn zu verhaften, und einer von Jesus' Anhängern zieht sein Schwert und schlägt einem Knecht des Hohepriesters ein Ohr ab. Jesus gebietet ihm den Satz, den wir auf das Bild geschrieben haben: Er solle sein Schwert wegstecken, "denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen". Jesus sagt das nicht als Ankündigung einer Strafe, sondern als Kritik an der Anwendung von Gewalt. Wen er Gewalt wolle, sagt Jesus, könnte er himmlische Heerscharen erbitten, aber Gewalt sei an dieser Stelle das falsche Mittel.

Es ist eine der Stellen, an denen Jesus sich klar gegen Gewalt als Mittel zur Lösung weltlicher Probleme aussspricht. Darauf beziehen wir uns - und forderten die Aggressoren auf, ihre Gewalt zu lassen.

Was mich direkt zur anderen Frage führt: War das undifferenziert? Unser Post geht nicht auf die Ursachen dieser Straßengewalt ein und auch nicht auf die berechtigte Kritik an Entscheidungen, die die meisten Menschen nicht verstehen und von denen sie sich einen anderen Ausgang wünschen - sei es kein Geld für Griechenland oder keine Austeritäts-Politik, die zu Lasten gerade der ärmeren Menschen geht. In dem Sinne ist er undifferenziert, aber er sollte auch gar nicht anders sein: Denn die Verurteilung dieser unsinnigen Gewalt ist nicht differenziert. Solche Gewalt und weitergehende Aggression können wir als Christen nicht unterstützen.

Ja, Jesus hat die Geldwechsler aus dem Tempel geworfen, das ist ein beliebtes Gegenargument. Das allerdings war eine halbwegs effektive Maßnahme, die ihr Ziel auch erreicht hat - eine Beschreibung, die für das Anzünden von Polizeiautos und das Blockieren von Straßen durch brennende Mülleimer definitiv nicht zutrifft. Um eine andere Geldpolitik zu befördern und die angebliche "Alternativlosigkeit" der EZB-Poliitk infrage zu stellen, wäre die große Demonstration in Frankfurt von Zehntausenden erheblich hilfreicher gewesen. Diese inhaltlich getriebene Demonstration und ihre Forderungen wurden von der Gewalt auf den Straßen aber völlig überdeckt.

Aber die Banken und Politiker üben mit der aktuellen Bankenpolitik auch Gewalt aus, ruinieren Existenzen und Leben? Muss man das nicht berücksichtigen?

Doch, das muss man, aber das ist ein Schritt nach der Verurteilung der akuten, unsinnigen Gewalt. Man kann die aktuelle Geldpolitik der Eurozonee aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Geht es um die Stabilisierung des Euro? Geht es um die Bilanzen der Banken? Geht es um die Erhaltung des Lebensstandards in Deutschland? Geht es darum, die Not der Menschen in krisengeschüttelten Ländern zu lindern?

Letzteres muss aus christlicher Sicht die Hauptaufgabe sein. Dafür, wie das geht, haben wir auch kein Patentrezept, aber eines ist klar: Über Gewalt auf der Straße lässt sich dieses Ziel einfach nicht erreichen, und Jesus lehrt uns genau bei Matthäus 26,52, dass Gegengewalt kein angemessenes Mittel ist.

Wie Sebastian Bauer auf Facebook auch schon auflöste: "Die zitierten Worte Jesu enthalten keine Aufforderung zur Bestrafung der Gewalttätigen. Sie ist – ähnlich wie Gen 9,6 – nicht normativ zu verstehen, sondern als Warnung vor den Folgen, als tiefe Erkenntnis der menschlichen Natur und ihrer Gesetzmäßigkeiten."

Wer übrigens mehr über die Ausschreitungen lesen möchte, kann unser Interview mit Polizeipfarrer Wolfgang Hinz lesen.


Wenn Sie noch weitere, andere oder neue Fragen und Wünsche zu evangelisch.de haben, sind die Redaktion und ich auf vielen verschiedenen Kanälen erreichbar:
- evangelisch.de auf Twitter unter @evangelisch_de
evangelisch.de auf Facebook
E-Mail für alle inhaltlichen Fragen und Anregungen
E-Mails für alle technischen Probleme, die Ihnen auffallen

Alle Fragen zu Kirche und Glauben beantwortet Ihnen unser Pastor Frank Muchlinsky auf fragen.evangelisch.de.

Ich werde immer am Freitagabend an dieser Stelle ihre Fragen beantworten, so gut ich kann, und wünsche euch und Ihnen einen gesegneten Start ins Wochenende!

P.S.: Haben Sie schon den Protestant-O-Mat ausprobiert?

weitere Blogs

Martinstag ist ein schöner Feiertag: die bunten Lichter im Novembergrau, die Martinsmänner, die Geschichte vom geteilten Mantel.... aber man kann noch viel mehr tun, als dieser Bischof von Tours.
Manche halten sie einfach für Drag Queens, doch die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz sind eine nicht-religiöse Ordensgemeinschaft mit sehr klarem Auftrag. Einblicke aus dem Ordensalltag von Sr. Magdalena.
In den USA sind manche Schnellrestaurants durchaus religiös.