Dass die Briten leidenschaftliche Gärtner sind, wird ja gern und oft behauptet, auch in diesem Blog. Aber jetzt mal ehrlich: Wie viele britische Privat-Gärten kennen Sie wirklich? (Die öffentlichen Parks und botanischen Gärten zählen nicht, denn die sind von Fachleuten angelegt, von professionellen Landschaftsarchitekten und Gärtnern, da darf man schon etwas Können erwarten.) Wer weiß aber, was Mr. und Mrs A Smith oder Joe Bloggs - die englischen Gegenstücke zu Erika und Max Mustermann (auch bekannt als Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller) - hinter ihrem Haus so treiben? Gartenzäune, Hecken und Gebäude versperren meist die Sicht auf den back garden, sodass wir keine Ahnung haben, was sich dort verbirgt.
Ich kann bestätigen: Es gibt sie wirklich, die Oasen, die vor Farben- und Formenreichtum nur so schwirren, und sich dabei doch zu einem harmonischen Ganzen fügen, vermeintlich wild und natürlich gewachsene Biotope, von Menschenhand geschaffen. Gelegenheit, das Klischee zu überprüfen, bot sich vergangenes Wochenende in einem Nachbardorf hier bei uns in den britischen Midlands.
Die Aktion "Tag des offenen Gartens" wird vom National Garden Scheme jedes Jahr in ganz England und Wales organisiert und koordiniert. Gegen geringes Entgelt bekommt der Besucher dabei außer selbstgebackenem Kuchen und einer Tasse Tee auch Eintritt in die Kultstätten der Briten - ihren Garten. An die 4000 Privatleute öffnen jedes Jahr für einen oder mehrere Tage ihre Gartentore und zeigen jedem Interessierten ihr Werk.
Zum Beispiel Mrs Burgess. Ihr Cottage, an der Hauptstraße gelegen, sieht ziemlich zwergenhaft aus. Hinter der Backsteinmauer, die den Garten umgrenzt, öffnet sich dem Besucher jedoch ein Paradies. Klein zwar, und umgeben von Mauern, doch was Mrs Burgess aus dem Innenhof gemacht hat, ist eine echte Oase, inklusive Wasserfall und Feigenbaum mit riesigen Früchten. Die Hausherrin genoss die Anwesenheit der beeindruckten Gäste sichtlich, ebenso wie die Hauskatze, die keinen Besucher passieren ließ, bevor er ihr nicht den Bauch gekrault hatte.
Simon und Caroline verfügen dagegen über ein großes Grundstück, mit Blick auf die Weiden der Umgebung und gefüllt mit ungewöhnlichen Pflanzen. Ebenso die Wards, die erst vor zwei Jahren mit ihren Kindern eingezogen sind und nun einen familienfreundlichen Garten präsentierten. Die Schrebergartenkolonie hatte ebenfalls ihre Pforten geöffnet - das älteste Mitglied ist 90, das jüngste 10 Jahre alt. Alle hatten sie Tipps und Ratschläge parat und erzählten gern von ihrem Gartenalltag. Auch Jackie, die ein winziges Gärtchen hinter ihrem Neubau-Reihenhaus in ein verwinkeltes Labyrinth verwandelt hat, voller duftender Kletterrosen und Sitzgelegenheiten für mindestens 10 Leute. Allerdings war sie etwas schwer zu verstehen, die herumstehenden leeren Flaschen deuteten auf ausgiebigen Cider-Konsum hin.
An die 4000 Hobbygärtner in Großbritannien lassen jedes Jahr 750.000 Fremde hinters Haus gucken. Das Yellow Book, in dem die Organisation National Garden Scheme alle Teilnehmer auflistet, hat das Format eines Telefonbuchs einer deutschen Kleinstadt. Die durch Eintrittsgelder und Kuchenverkauf eingenommenen Gelder (ca. 2,5 Millionen Britische Pfund im Jahr) gehen an Wohltätigkeitsorganisationen, etwa die Krebshilfe und Hospize. Womit auch gleich das nächste Stereotyp bestätigt wäre: Dass die Briten unschlagbar sind, was das Engagement und den Ideenreichtum für Benefizveranstaltungen betrifft.
Tipps:
Wenn Sie das nächste Mal in England oder Wales sind, schauen Sie doch hier nach, ob ein Garten in Ihrer Nähe geöffnet hat - außer oftmals beeindruckenden Gärten und vielen guten Ideen sind auch nette Begegnungen mit deren Bewohnern garantiert.
Auch in Deutschland wurde die Idee inzwischen aufgegriffen. Eine Linkliste zu teilnehmenden Gärten, nach Postleitzahlen geordnet, finden Sie hier.
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