Reduktion führt zu Wachstum. So könnte man die Tatsache zusammenfassen, dass es den meisten Pflanzen gut tut, wenn sie ab und an beschnitten, eingekürzt und von alten Blüten befreit werden. Auf diese Weise bleiben sie gesund, kräftig, dicht im Wuchs und von ansehnlicher Gestalt.
Nun könnte man einwenden, dass der Einsatz von Schere, Messer und Trimmer in einem naturnahen Garten wie dem unseren nichts zu suchen hat, sondern die Natur ja von allein alles richtig mache. Doch wenn ich die Pflanzen sich selbst überließe, würde in kürzester Zeit der pure Darwinismus herrschen, survival of the fittest in Reinform, wobei der bzw. die Stärkste vermutlich Brombeere hieße. Unser Garten soll aber ein attraktiver Lebensraum für möglichst viele geflügelte und bebeinte Bewohner sein - uns eingeschlossen.
Jedenfalls: Jetzt, wo das Schnittwerkzeug schon mal ausgepackt ist, könnte ich ja außer den verblühten Köpfen der Rosen, Storchenschnäbel, Berg-Flockenblumen und Kratzdisteln auch gleich die Clematis beschneiden. Acht der schlanken Ranken winden sich inzwischen am Zaun und der Hauswand hoch, ergänzt um zwei Vettern in Strauchform, die frei im Beet stehen. Miss Bateman, Jan Lindmark, Miss George Jackman, mehrere Berg-Waldreben (Montana) und eine unbekannte, fliederfarbene Schönheit haben in den letzten Wochen dem schlechten Wetter getrotzt und seit dem Frühjahr für Farbe im Garten gesorgt. Kein Wunder, dass sie inzwischen etwas mitgenommen aussehen.
Die Verwirrung setzte ein, als ich zur Sicherheit in Sachen richtiger Rückschnittszeit die Pflanzenschildchen, verschiedene Gartenbücher, das Internet und den Schwiegervater befragte. Die Auskünfte waren sehr unterschiedlich, zum Teil auch widersprüchlich, von "im Winter auf Bodennähe zurückschneiden" bis "gar nicht schneiden" reichte die Palette.
Inzwischen habe ich herausgefunden: Sie haben alle recht. Denn alle etwa 300 Arten Clematis werden in drei Schnittgruppen eingeteilt, die unterschiedlich behandelt werden sollten:
Schnittgruppe 1: Hierzu gehören alle Montana- und Alpina-Sorten. Zu erkennen sind sie daran, dass sie schon früh im Jahr blühen (April), kleine Blüten und einen umso größeren Wuchs haben. Eigentlich braucht man sie gar nicht zurückzuschneiden, höchstens wenn sie zu groß wachsen und das stützende Spalier unter ihrem Gewicht zusammenzubrechen droht. Wenn man dann zur Schere greift, sollte man es nach der Blüte im Mai / Juni (also jetzt) tun. Nie im Winter beschneiden, denn die Clematis der Schnittgruppe 1 haben dann bereits die Knospen für die nächste Saison gebildet. (Außer trockene Spitzen, die können ab.)
Schnittgruppe 2: Hier hinein gehören die großblütigen Hybriden, die etwas später blühen (Mai / Juni und dann nochmal im August / September). Sie treiben bereits im Winter an den oberen Zweigen aus, unten rum bleiben sie nackt. Damit sich dies nicht fortsetzt und die Pflanzen im Sommer sozusagen auf kahlen Stelzen stehen, sollten sie im Winter um circa die Hälfte zurückgeschnitten werden. Die neuen Triebe treiben dann von unten her aus und sorgen für eine buschige Gestalt. Zur Verjüngung der Pflanze sollte sie alle 5 Jahre noch weiter zurückgeschnitten werden, bis auf 20 cm, also tief ins alte Holz.
Schnittgruppe 3: Die sommerblühenden Clematis bekommen jedes Jahr eine solche Radikalkur - im Winter werden sie bis auf 20 cm zurückgeschnitten, sonst werden sie kahl und unansehnlich.
Grundsätzlich gilt:
Jede Clematis kann ab und zu ganz runtergeschnitten werden, wenn sie zu holzig und dürr daherkommt.
Wenn man sei nicht zurückschneidet, macht es auch nix, die Gesundheit der Pflanze leidet jedenfalls nicht darunter, nur die Ästhetik.
Allen neu gepflanzten Clematis tut ein sogenannter Aufbauschnitt im November / Dezember gut, d.h. sie werden im ersten Jahr nach dem Einpflanzen bis auf 20 cm heruntergeschnitten.
Clematis mögen einen halbschattigen Standort und kühle Füße, deshalb sollte der Wurzelstock nie der prallen Sonne ausgesetzt sein. Auf der Terrasse können dazu z.B. kleinere Töpfe davorgestellt werden, im Beet andere Pflanzen oder Bodendecker für Kühle sorgen.
Ich kann also die Schere wieder einpacken, jedenfalls wenn es um die Clematis geht - unsere Montanas sind noch verhältnsimäßig klein, brauchen also nicht gebändigt zu werden, und die anderen sind erst im November dran. Dann kümmere ich mich eben um die Rosen.
Schlanke Ranke
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