Wenn Ihnen in dieser Woche der Sinn nach perfekt gewachsenen Rosenbüschen, manikürten Gräsern und handverlesenen Kieselsteinen steht –dann haben Sie leider Pech. Ebenso wie ich. Denn die 157.000 Eintrittskarten für die Chelsea Flower Show, die morgen beginnt, sind schon seit Monaten ausverkauft. Schlappe 47 Pfund kostete eines der begehrten Tickets, auf dem Schwarzmarkt werden sie angeblich für das 10-fache angeboten.
Wie gut, dass auf die BBC mal wieder Verlass ist: Bereits gestern begann die tägliche Berichterstattung, insgesamt elf Stunden lang, zwei Mal täglich, wird in dieser Woche über das Event im Fernsehen berichtet werden. Gastgeber der Abendausgabe, zur besten Sendezeit, ist, natürlich, Gartenguru Alan Titchmarch.
Chelsea, wie die weltgrößte und vermutlich -berühmteste Gartenausstellung kurz genannt wird, ist nicht nur Augenweide und Inspirationsquelle für Hobbygärtner, sondern ein gesellschaftliches Ereignis, das in einem Atemzug mit Wimbledon, Ascot und der London Fashion Week genannt werden muss. Die Crème de la Crème der Gartenwelt gibt sich hier die Heckenschere in die Hand. Auch die Queen wird wieder dabei sein, und die Veranstalter hoffen auf eine Stippvisite des frisch vermählten Prinzenpaars, damit Kate der neuen, auf ihren Namen getauften Rose ihren königlichen Segen geben kann.
Chelsea setzt Maßstäbe in Sachen Gartenstyle und Pflanzentrends. Für die teilnehmenden Designer und Landschaftsarchitekten geht es dabei um nichts weniger als den Gewinn einer der prestigeträchtigen Goldmedaillen, verliehen von den Juroren der Royal Horticultural Society (RHS), die die Show seit 1862 ausrichtet. Ein Gestalter berichtet im Fernsehen von seinen schlaflosen Nächten: "You are always thinking of Chelsea." 17 Schaugärten wurden in diesem Jahr in monatelanger Arbeit angelegt, Teiche gebuddelt, Cottages errichtet, sogar eine Mühle mitsamt Wasserrad aufgebaut. Australien, Monaco, Malysia, Kanada und Bermuda gehören zu den ausstellenden Ländern.
Alles muss perfekt sein. Für ein Chelsea-Arrangement aus 100 Blumen werden etwa 500 Pflanzen gezogen und dann nur die besten ausgewählt. Schon unter normalen Umständen also ein aufwendiges Unterfangen. In diesem Jahr fanden die Vorbereitungen jedoch unter erschwerten Bedingungen statt.
Wegen des außergewöhnlich warmen und trockenen Wetters im Frühjahr waren bereits viele der für die Show eingeplanten Blumen verblüht, bevor sie die Reise nach London antreten konnten. Manche Aussteller griffen deshalb zu Tricks, um die die sorgsam ausgeklügelten Planungen nicht zu gefährden: So manche Iris steht noch bis morgen mit feuchten Tüchern umwickelt im Beet, und Aussteller Chris Irland-Jones hat seine Tulpen und Narzissen bereits im Februar in die Kühlräume seines Nachbarn, eines Spargelbauern, gebracht, um ihre Blüte hinauszuzögern. Im Fall der Osterglocken war der Einsatz allerdings leider umsonst.
Gardening ist ja traditionell eine der großen Leidenschaften der Briten. Doch offenbar ist auch hier noch Platz nach oben: Die RHS meldet 19.000 neue Mitglieder in den letzten drei Monaten. Die Trends bei Otto Normalgärtner: Gemüseanbau und vertical gardening, also das Anpflanzen von Erdbeeren, Gurken, Kräutern und Blumen über- statt nebeneinander. Spezielle Behälter und Befestigungen machen's möglich. Auch Inhaber von kleinen Gärten, Balkonen und Hinterhöfen können so ihre Gartenlust ausleben.
Vielleicht werden diese Neuerungen ja auch in Chelsea aufgegriffen, immerhin gibt es eine Kategorie "small gardens". Alan Titchmarch wird es den Zuschauern bestimmt in den nächsten Tagen verraten. Einen Trend hat er schon ausgeplaudert: Rhododendren sind wieder im Kommen. "Haven't seen them since the eighties", fügt er hinzu. Auch bei Pflanzen ist offenbar Retro angesagt.
Wenn Rhododendron &Co in der nächsten Woche abgeräumt werden, beginnen umgehend die Vorbereitungen für Chelsea 2012. Vielleicht gelingt es mir ja im nächsten Jahr, eine Eintrittskarte zu ergattern. Bis dahin werde ich Vorlieb nehmen müssen mit der Show in unserem eigenen, windzerzausten Garten. Der setzt vielleicht keine Maßstäbe, kostet aber wenigstens keinen Eintritt.