Fangen wir doch gleich mit der absurdesten Meldung an. Donald Trump hat seinem Fan-Nachrichtensender Fox News in einem Interview gesagt: „Ich mag Twittern eigentlich gar nicht.“
Das hätte man jetzt nicht unbedingt vermutet. Aber man beginnt sich ja langsam daran zu gewöhnen, dass Donald Trump die Dinge oft so sieht, wie sie dem eigenen Empfinden nach gerade nicht sind. Dafür würde auch die Begründung seiner Aussage sprechen.
„(…) Die Medien berichten sehr unehrlich. Die Presse ist sehr unehrlich. Und das ist für mich die einzige Möglichkeit, darauf zu reagieren.“
Auch da hätte ich eher gesagt: Das Gegenteil ist der Fall. Und als hätte man ihn darum gebeten, hat er das dann gleich am Mittwoch auf Twitter wieder unter Beweis gestellt - mit einem Tweet, in dem er sich darüber beschwert, dass ein NBCNews-Bericht über seine Ankündigungen, tausende Jobs gerettet zu haben, „voreingenommen“ sei - oder anders gesagt: auf Tatsachen beruht.
Die Washington Post stellt so etwas mittlerweile gleich bei Twitter richtig.
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Wenn man es nicht eh schon gemacht hat, kann man sich also merken, dass das Wort „Fake News“ in einem Tweet von Donald Trump oft einfach ein Ausweis ist für eine sehr verlässliche Berichterstattung.
Es wäre also keine Überraschung, wenn es heute bei Twitter im Zusammenhang mit der Trump University auftauchen würde. Da war Trump vorgeworfen worden, er hätte Studenten mit falschen Versprechungen betrogen. Man hatte sich auf eine Vergleichssumme von 25 Millionen Dollar geeinigt. Und spätestens, als er im Wahlkampf angekündigt hatte, er werde keiner Lösung zustimmen, hätte man ahnen können, dass er genau das doch tun würde, was nun passiert ist.
Wenn man das Prinzip einmal verstanden hat, ist es also gar nicht so schwer und kann man auch diese Meldung sehr leicht übersetzen. Trump sagt:
„Ich möchte keine Prominenten bei meiner Amtseinführung.“
Aber so leicht ist es dann doch nicht immer, denn ganz vorbehaltlos kann man sich auch auf „die Medien“ nicht verlassen. Sie produzieren oder verbreiten mitunter nämlich selbst „Fake News“, ohne sie später zu korrigieren. Darauf weist Stefan Niggemeier bei Übermedien hin.
„Jetzt, auf einmal, entdecken die Medien die Gefahr der ‚Fake News‘ und wollen mit großem Einsatz dagegen kämpfen. Was für eine Heuchelei“,
schreibt er und fragt:
„(…) wie glaubwürdig ist die Empörung über die ‚Breitbart‘-Methoden, wenn die weitgehend identischen ‚Bild‘-Methoden seit Jahren achselzuckend hingenommen oder gutgeheißen werden?“
Es entstehe der Eindruck,
„dass sich Kollegen untereinander nicht wehtun“. Und „(…) wenn es scheint, als sei das Haupt-Problem von ‚Fake News‘ womöglich gar nicht der Inhalt, sondern der Absender – dann haben sie keine Chance, diesen Kampf zu gewinnen“.
Generell findet er:
„Als Vorbild im Umgang mit Fehlern taugen viele klassische Medien immer noch nicht, ganz sicher nicht ‚Bild‘, wo die einstige Korrekturspalte längst wieder abgeschafft wurde und man im Zweifel auf die Berichtigung von Fehlern in der gedruckten Zeitung verzichtet.“
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Noch mal der Blick auf die andere Seite des Ozeans. Wie Donald Trump vorgehen wird, wenn man gar nicht mehr weiß, wem man noch glauben kann, beschreibt Margaret Sullivan von der Washington Post (hier in der Zeit):
„Er wird nicht unversucht lassen, den Menschen einzureden, dass sie nur ihm glauben sollen, und nicht ihren eigenen Augen.“
Das wäre wiederum das Gegenteil von dem, was ich für richtig gehalten hätte.
Und einen Tipp hat auch noch Clarence Page, ehemalige Kolumnistin des Chicago Tribune (ebenfalls in der Zeit). Sie sagt:
„Die Medien nehmen Trump beim Wort, aber nicht ernst. Seine Wähler nehmen ihn ernst, aber nicht beim Wort.“
Das Problem aus dem ersten Teil der Aussage lässt sich auch per Twitter nicht lösen. Aber auch da hat Donald Trump sich schon etwas überlegt. Er will zukünftig selbst entscheiden, welche Journalisten an Pressekonferenzen teilnehmen. Und das ist vielleicht ein Vorgeschmack darauf, was in Deutschland zu erwarten wäre, wenn die AfD irgendwann mal eine Wahl gewinnen sollte. Dort kennt man die Methode ja auch schon.
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Was kann man dem entgegenstellen? Die New York Times hat sich Gedanken darüber gemacht, wie der Journalismus in Zukunft aussehen sollte. Und diesmal ist der Report nicht geleakt worden wie beim letzten Mal. Diesmal hat die Zeitung ihn selbst veröffentlicht. Er trägt den hoffnungsvollen Titel „Journalismus, der herausragt“. Aber erst mal geht es ums Geld.
Benedikt Frank berichtet auf der SZ-Medienseite darüber.
„Die Geschäftsziele sind ähnlich ehrgeizig: 2020 will die NYT digital 800 Millionen Dollar einnehmen, doppelt so viel wie noch 2014. Im vorigen Jahr erwirtschaftete man 500 Millionen.“
In der Zusammenfassung bei Meedia liest man allerdings unter anderem den irritierenden Satz:
„Inhaltlich will die New York Times verstärkt auf Service-Stücke (How to) setzen, die von der jüngeren Leserschaft gut angenommen werde.“
Und zu dem Eindruck, der da zurückbleibt, passt auch die gleichzeitige Ankündigung der Zeitung, Stellen zu streichen. Chefredakteur Dean Banquet und sein Stellvertreter Joe Kahn reden in einer Mitteilung an die Mitarbeiter erst etwas drum herum.
„Wir können nicht so tun, als wären wir gegen den finanziellen Druck immun und sehen diesen Moment daher als notwendige Repositionierung des Newsrooms, nicht als Verkleinerung.“
Schreiben dann aber:
„Wir sollten nicht drum herumreden: Die Veränderungen führen zu weniger Redakteuren bei der Times.“
Bei der Trump-Berichterstattung will die Zeitung allerdings nicht sparen. Hier will sie sogar fünf Millionen Dollar zusätzlich investieren. In die gleiche Richtung gehen die Pläne der Washington Post, die bereits angekündigt hat, in diesem Jahr „Dutzende Kollegen“ einzustellen.
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Die New York Times will ihr Geld vor allem mit Abonnenten verdienen. Und das würde die Bild-Zeitung auch gern, aber sie hat unglücklicherweise auch Abonnenten wie das Plappermaul Focus Online, das nichts für sich behalten kann und damit ein Bild-Plus-Abo praktisch überflüssig macht. (Altpapier vom Mittwoch).
Auf kress.de bemerkt Thomas Schmoll zurecht:
„Wenn ‚Focus Online’ (und andere Medien) über Diekmann Trump-Interview berichten, ist es für Springer okay. Lässt Steil aber andere ‚Bild Plus‘-Storys abpinnen, ist es ‚Inhalte-Diebstahl‘. Da wird mit zweierlei Maß gemessen.“
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Und dieses Stichwort führt uns noch einmal zurück den „Fake News“. Heute ist ja der letzte Tag vor dem „Ende der Welt (wie wir sie kennen)“ - wie der Spiegel im November titelte. Morgen wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt.
Wer noch mal zurückschauen mag, wird sehen, dass vieles doch gar nicht so neu ist, wie man denken könnte. Diese Arte-Dokumentation über Donald Trump zeigt einige Beispiele die belegen, dass die Wahrheit für Donald Trump eigentlich noch nie von besonderer Bedeutung war. Das vielleicht schönste ist aus der Zeit, als der Trump Tower gebaut wurde. Das Gebäude hat 58 Stockwerke, aber wenn man nach ganz oben fahren möchte, muss man im Aufzug auf die Zahl „68“ drücken. Und das liegt nicht daran, dass sich bei der Beschriftung irgendjemand vertan hätte. Die Stockwerke 1 bis 9 gar nicht gibt. Die damalige Bauleiterin erklärt das so: Trump war der Meinung: Die Leute wohnen lieber im 14. Stock als im 4.
Die gute Nachricht für Journalisten ist: Mit Diskussionen darüber, ob sie noch gebraucht werden, ist zumindest in den USA in den kommenden vier Jahren nicht zu rechnen (es sei denn, Donald Trump stößt sie an).
Kyle Pope, Chefredakteur des Medienmagazins "Columbia Journalism Review", führt in einem offenen Brief an Donald Trump im Namen der US-Presse all das auf, was in den vergangenen Wochen schon schiefgelaufen ist (unter anderem der Tagesspiegel berichtet) und kündigt an.
"Sie wollen vielleicht kontrollieren, was aus dem West Wing nach außen dringt, aber wir werden die Oberhand haben, wenn es darum geht, zu berichten, wie Ihre Politik umgesetzt wird."
Der Brief endet mit dem Satz: "Genießen Sie Ihre Amtseinführung." Und das ist wohl nicht so nett gemeint, wie es klingt.
Und damit rüber zum...
Altpapierkorb
+++ Wolfram Linke, ehemaliger Redakteur der Münsterschen Zeitung, erinnert sich im Interview mit Kress an den 19. Januar 2007, den Tag, als in Münster eine ganze Redaktion ausgetauscht wurde. Man hatte die 18 Redakteure abends zu einem Gespräch in ein Hotel eingeladen. „Der damalige Geschäftsführer Lutz Schumacher sagte: ‚Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass der Verleger den Auftrag zur Produktion der Münsterschen Zeitung mit der Münsterschen Zeitung GmbH gekündigt hat. Mit Wirkung ab null Uhr.‘ (…) Danach herrschte bestimmt zehn Sekunden lang Totenstille. Ich weiß noch, wie die einzelnen Leute reagiert haben. Das ist so präsent bei mir wie Nine Eleven. Eine Kollegin fing an zu heulen. Ein anderer kriegte einen Tobsuchtsanfall. Er ließ sich kaum beruhigen. Der Betriebsratsvorsitzende stand senkrecht, weil er vorher überhaupt nicht unterrichtet worden war. Um 20:10 Uhr gingen sämtliche Diensthandys aus. Da haben sie die Verträge sperren lassen, damit wir keinen Kontakt nach außen haben konnten. Das war generalstabsmäßig geplant. Parallel dazu, also während wir da saßen, ist eine Truppe in die Redaktion und hat sämtliche Computer abgebaut, wohl weil die Sorge bestand, dass wir die Ausgabe des nächsten Tages noch ändern würden.“ Ich selbst erinnere mich auch noch an den Abend. Ich war dort Volontär und an diesem Abend der Einzige, der in der Redaktion sitzen musste, um die Ausgabe zu lesen, die dann nie erscheinen sollte. Irgendwann kamen ein paar Herren im Anzug vorbei, um die Rechner auszustellen. Ich durfte in der neuen Redaktion anfangen, worüber ich damals glücklich war. Der Verleger sagte im Regionalfernsehen über die alten Kollegen, ihr Qualitätsniveau sei „unterirdisch“ gewesen. Später verstand ich allerdings, dass dieser Satz mehr über den Verleger verriet als über die gefeuerten Kollegen.
+++ Anne Will liest tatsächlich, was über ihre Sendung geschrieben wird. Hat sie jedenfalls in der Talkshow „Thadeusz“ gesagt. „(…) das guck’ ich mir schon an. Also, ich krieg’ auch ’ne Zusammenstellung wie mein ganzes Team, das haben wir so untereinander verabredet – wer hat was wie geschrieben –, und dann scann’ ich das so’n bisschen darauf hin, ob mir das was sagt und ob ich daraus was lernen kann oder nicht.“ Beim Lesen gedacht: Es wäre so schön, wenn die Leute, die sie einlädt es auch mal lesen und daraus lernen würden.
+++ Joachim Huber spricht für den Tagesspiegel mit dem Autor Stephan Andrae über die RTL-Sitcom „Magda macht das schon“, in der es um eine polnische Altenpflegerin geht. Schöne Antwort auf wohl die scherzhaft gemeinte Annahme, Andrae habe selbst eine „schwarz arbeitende polnische Putzfrau“: „Die Unterstellung, dass ein Drehbuchautor sich eine Putzfrau leisten kann, ist ein Imagegewinn, den ich so gern stehen lasse.
+++ Nachdem schlechte Krimis hier zuletzt so oft Thema waren, heute mal was über einen guten. Holger Gertz und Katharina Riehl sprechen im Interview auf der SZ-Medienseite (kostenpflichtig) mit Matthias Brandt über der Polizeiruf München, den es leider nicht mehr lange geben wird. Brandt mag nicht mehr. In dem Interview wird nicht nur sehr deutlich, was diesen Polizeiruf ausmacht („Ich muss als Meuffels in jedem Film irgendwie untergebracht werden, aber sonst gibt es fast keine Kontinuitäten“), sondern auch, wo bei vielen Fernsehkrimis das Problem liegt („Kaffeetrinkerei. Wurstbudenhaftigkeit. Ewiges Starren auf Wasserleichen.“) Fantastisch gut informierte Fragen. Am liebsten würde ich das ganze Interview hier zitieren. Aber man kann es ja auch einfach lesen.
+++ Der Kommunikationswissenschaftler Florian Arendt hat sich die Berichterstattung über Straftaten in der Bild, dem Kölner Express und der Süddeutschen Zeitung angesehen und herausgefunden: Die Herkunft von Straftätern wird häufiger genannt. Karoline Meta Beisel schreibt auf der SZ-Medienseite. „Arendts Befund ist nicht nur für Akademiker interessant. Wenn die Presse anders über Straftaten berichtet, hat das auch Einfluss darauf, wie Ausländer, Asylbewerber oder Mitbürger mit Migrationshintergrund in der Gesellschaft wahrgenommen werden. ‚Wenn Personen in der Zeitung wiederholt über kriminelle Ausländer lesen, verändert sich über die Zeit tendenziell auch ihr Weltbild‘, sagt Arendt. Das hätten Studien im In- und Ausland bereits bewiesen.“
+++ Rico Grimm liefert in seinem Krautreporter-Text (kostenpflichtig) über „Die Psychologie hinter den Online-Kommentaren“ eine resignierte Beschreibung des diskutierenden Menschen: „Der Mensch ist ein feiger, blasierter, stümperhafter, verbohrter Mitläufer, wenn er in eine Diskussion gerät. Man könnte auch sagen: Der Mensch ist dem Menschen ein Arschloch.“ Es gibt aber trotzdem Hoffnung, allerdings erst ganz hinten im sehr langen Text.
+++ Die Kölner Produktionsfirma Brainpool kommt nach Stefan Raabs Weggang langsam wieder auf die Beine und holt den Regisseur und Autor Tobi Baumann in die Geschäftsführung. Sidney Schering schreibt bei Quotenmeter: „2016 war für Brainpool nicht gerade ein Glanzjahr: Im ersten Jahr nach Raab musste die TV-Schmiede Verluste hinsichtlich ihres Stands im Fernsehmarkt hinnehmen und ihr Produktionsteam verkleinern.“ Aus dem Mund von Brainpool-Gesellschafter Jörg Grabosch klingt das Gleiche bei DWDL so: „Nach dem Rückzug von Stefan Raab war 2016 ein Jahr der Konsolidierung für Brainpool, welches wir trotz großer Herausforderungen auch wirtschaftlich positiv gemeistert haben.“
+++ Daniel Bouhs hat sich für den NDR angesehen, welche Nebenjobs Sportmoderatoren von ARD und ZDF haben. „Der Mainzer Medienwissenschaftler Thomas Koch, der sich seit Jahren mit Nebentätigkeiten von Journalisten beschäftigt, sieht hier eine ‚sehr dunkle Grauzone‘.“