Es waren große Frauenrollen, die die Schauspielerin Barbara Sukowa bekannt gemacht haben neben Rosa Luxemburg und Hannah Arendt auch Hildegard von Bingen. Frauen, die auf der eher fortschrittlichen Seite der Geschichte standen. Aber Sukowa kann auch anders. In ihrem neuen Film "Klandestin" spielt sie eine konservative EU-Politikerin in Frankfurt, die gegen die Migration wettert, aber von einem Freund einen illegal in Deutschland lebenden marokkanischen jungen Mann in ihre Wohnung einquartiert bekommt.
Sukowa legt ihre Rolle doppelbödig an: auf der einen Seite die politischen Phrasen der Rechten, auf der anderen Seite kann sie aber auch Wärme und Menschlichkeit verströmen. "Klandestin" von Angelina Maccarone wurde im vergangenen Jahr beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen als bester Film ausgezeichnet, im April kommt er in die deutschen Kinos.
Barbara Sukowa, so hat man das Gefühl, erfindet sich beständig neu. Am 2. Februar wird sie 75 Jahre alt, sie kam 1950 in Bremen zur Welt. Seit den 90er Jahren lebt sie in den USA, aber in den vergangenen Jahren ist sie künstlerisch auch wieder nach Deutschland und Europa zurückgekehrt.
Sie hat in einem Kinderfilm mitgewirkt, in "Rocca verändert die Welt", und sogar in typisch deutschen Komödien: In "Enkel für Anfänger" (2020) und der Fortsetzung "Enkel für Fortgeschrittene" (2023) spielt sie eine flippige Hippie-Großmutter - Sukowa hat selbst drei Söhne aus drei verschiedenen Beziehungen und eine Enkelin. In "Dalíland" (2023) von Mary Harron verkörperte sie an der Seite von Ben Kingsley Gala, die Ehefrau von Salvador Dalí - resolut und eigensinnig und ebenso exzentrisch wie der Künstler.
Unabhängige mutige Frauen als Paraderollen
Die Darstellung kämpferischer und selbstständiger, Unabhängigkeit und Freiheit suchender Frauen gehört gewissermaßen zum Profil von Barbara Sukowa. Sie hat 2012 in "Hannah Arendt" die jüdische Philosophin und politische Theoretikerin verkörpert und in "Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen" die Nonne, die einen steinigen Weg voller Rückschläge gehen muss, bis sie sich gegen die Kirchenoberen durchsetzen und ein Frauenkloster gründen kann.
Einer der größten Erfolge der Schauspielerin war die Rolle der Rosa Luxemburg in dem gleichnamigen Film von 1986. Inszeniert hatte ihn Margarethe von Trotta, die auch bei "Vision" Regie führte und die zur prägenden Regisseurin für Sukowa geworden ist. In "Rosa Luxemburg" spielt Sukowa eine Sozialistin voller Elan und Durchsetzungsvermögen, die aber auch eine große Fähigkeit zum Mitleiden und zur Anteilnahme hat. Es gelingt Sukowa bei aller Idealisierung dieser historischen Frauenfigur auch, Schattenseiten Luxemburgs aufscheinen zu lassen: eine Harschheit im persönlichen Umgang, aber auch einen Mangel an Toleranz. "Rosa Luxemburg" war ihr größter Erfolg, sie hat dafür den Darstellerpreis bei den Filmfestspielen in Cannes 1986 bekommen und den Bundesfilmpreis.
Als "Mieze" entdeckt
Neben Hanna Schygulla war Barbara Sukowa die zweite große Darstellerin des späten Neuen Deutschen Films, und wie die Karriere der Schygulla war auch ihre mit dem Regisseur Rainer Werner Fassbinder verbunden. Fassbinder hat sie in seiner großen, 13-teiligen Fernsehverfilmung von Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" 1980 als "Mieze" entdeckt, der Freundin der Hauptfigur Franz Biberkopf. Da war Barbara Sukowa schon eine durchaus gefragte Theaterschauspielerin, in Frankfurt und Hamburg etwa, die auch immer wieder für das Fernsehen arbeitete. Das hat sie in späteren Interviews allerdings als "Kleinkram" beiseite gewischt.
Fassbinder besetzte sie in seiner Wirtschaftswunder-Satire "Lola" im Jahr 1981 als Edelprostituierte - eine irgendwie unnahbare Frau, die aber in einer von Männern dominierten Welt die Fäden zieht. Die 80er und 90er Jahre waren filmisch die produktivsten im Werk von Barbara Sukowa. Sie verkörperte etwa in Trottas "Die bleierne Zeit" die Schwester der RAF-Terroristin Gudrun Ensslin, spielte an der Seite von Christopher Lambert in Michael Ciminos "Der Sizilianer" und gab die Mutter von Julie Delpy in Volker Schlöndorffs Max-Frisch-Verfilmung "Homo Faber".
Seit Ende der 80er Jahre hat sie sich noch eine zweite Karriere aufgebaut: Als Gesangsinterpretin klassischer Stücke trat sie erfolgreich in aller Welt auf, mit großen Orchestern und Dirigenten. 2008 erhielt sie einen "Echo-Klassik"-Preis. Und die Künstlerin, die einmal in einem Interview sagte, dass sie keine Lust habe, sich zu wiederholen, hat dem noch eins drauf gesetzt: 1998 gründete sie zusammen mit ihrem damaligen Ehemann Robert Longo und dem Künstler Jon Kessler die Rockband "X-Patsys", legte 2010 mit "Devouring Time" ein beeindruckendes Album vor.
Seit 1991 lebt Barbara Sukowa in New York. In Hollywood zu arbeiten, war nie ein Traum von ihr - auch wenn sie etwa in dem Actionfilm "Atomic Blonde" eine Nebenrolle als Gerichtsmedizinerin hatte und 2023 in "Air" als Adidas-Erbin auftrat. Und natürlich ist Barbara Sukowa, die Frau mit den vielen Talenten, auch in US-Serien zu sehen, wie in "12 Monkeys" oder "Constellation".