Über Verträge gibt's keine Auskunft

Über Verträge gibt's keine Auskunft

Warum nicht, muss sich dann keiner mehr fragen. Die SZ fragt jedenfalls Sandra Maischberger nach Quoten. Und Stefan Niggemeier den DLF über das Schweigen zu Liminski. Auf Burdas DLD tritt zur Beruhigung Paulo Coelho auf. Die TAZ gräbt einen Kittler-Text über die NSA von 1986 aus. Und das Dschungelcamp bringt einiges hervor.

Das Dschungelcamp ist ja eine Art Kontrastmittel, es macht alles Mögliche sichtbar. So kann man sich auf Meedia.de aus Anlass der Ausstrahlung freuen, dass Christopher Lesko, der sympathische Leiter von Leadership- und Pferde-Academy, mal wieder in die Tasten gehauen hat. Als Führungskräfteweiterentwickler ist das Dschungelcamp für Lesko quasi Pflichtprogramm, kennt er sich doch in der Psychologie auch von Menschen aus, die er nicht kennt. Sein aktueller Post diagnostiziert Larissa Marolt kurzerhand durch:

"Man würde ihr wünschen, sie könnte Kontakt herstellen zu den Wurzeln jener Verzweiflung, die jedem sichtbar ist. Jeden Tag seit Start der aktuellen Staffel. Man wünschte ihr, sie könnte genießen, wonach sie sich sehnen mag, anstatt es in Rekordzeit sekundenkurzer Reflexe zu attackieren und zerstören. Gelänge dies, könnten andere sie wirklich mögen, schätzen oder lieben. Sie müsste nur sich selbst gegenüber irgendwann einmal damit beginnen. Auch auf die Gefahr hin, dass alles an Bedeutung verlöre, was Marolt subjektiv aktuell Halt zu geben scheint."

Auf Paulo Coelhos Auftritt bei Burdas DLD-Tagung kommen wir weiter unten noch mal zurück. Konkurrenz für Leskos Anamnesen sucht ein dpa-Text, in dem sich ein Psychologe wichtig macht und der diesen Satz von unhintergehbarer Wahrheit enthält, mit dem etwa Prof. Lilienthal easy ein Semester lang Medientheorie bestreiten könnte:

"Glatzeder, Berger oder auch dem 68er-Altkommunarden Rainer Langhans attestiert Medienpsychologe Jo Groebel von der Business School Berlin Potsdam einen Hang zur öffentlichen Aufmerksamkeit. 'Und beim Dschungelcamp kriegt man eine ordentliche Injektion Öffentlichkeit mit – vor allem wegen der großen Begleitpublicity.'"

Groebel ist also versorgt. Zu Leskos Dschungelcamp-Features gehört auch ein Interview fürs Lufthansa-Magazin mit Sonja Zietlow, das allein den Download des Leseprobe-PDFs wert ist:

"Frage: Ich kann nicht vermeiden, eine Frage zu Dirk Bach zu stellen. Welche wäre Ihnen relativ angenehm?
Antwort: Ich habe mit keiner Frage ein Problem. Vielleicht auch, weil ich mit dem Thema des Todes keines habe."

Lesko, der Schwarze Friese unter den Interviewern, bei dem müsste mal Markus Lanz antraben, um zu lernen, wie man formvollendet Interviews führt. Wer weiß, vielleicht überrascht uns Lesko schon bald mit einem seiner exklusiven Extended Talks mit dem ZDF-Moderator.

Sonst werden zum Dschungelcamp gern Briefe geschrieben wie beim KSTA. Es geht halt um Kommunikation. Bei der Berliner ist von diesem Format  geblieben, dass sich Autorinnen abwechseln. Heute ist die westdeutsche TV-Kennerin Klaudia Wick dran:

"Wer schon mehrere Staffeln gesehen hat, darf sich in der Gewissheit wiegen, dass die Strippen der Veranstaltung hinter den Kulissen am Schneidetisch gezogen werden."

Die Idee des Briefes hat wohl auch zu tun mit unterschiedlichen ethischen Auffassung vom Dschungelcamp. Wobei dieser Dissens schwindet, wie man auch an steigenden Quoten womöglich ablesen kann.

Gut für RTL, dass es noch Ablehner gibt (sonst wäre ja die Brisanz des Dschungelcamps flöten). Rainer Stadler in seiner NZZ-Kolumne:

"Obwohl der Überraschungs- und Irritationseffekt dieser zynisch-derben Show längst erschöpft ist, erscheinen auch in der gedruckten Presse weiterhin grosse Artikel dazu."

Womit Stadler allerdings weniger schimpfen als geschickt überleiten will zu einer größeren Frage, die sich die routinierte Dschungelcamp-Betratschung in den Medien naturgemäß nicht stellt:

"Ist das nun die kundenfreundliche Wende der Zeitungen, deren Selbstverständnis durch den Strukturwandel seit der Jahrtausendwende erschüttert wird? Bringt man nun das, was das Volk offenbar bewegt?"

Am Verhältnis zum Tratsch (im Fall von Francois Hollandes Affäre) sieht Stadler ein Krisenmoment der Medien:

"Der Sorbonne-Professor und Medienhistoriker Patrick Eveno hingegen findet, die Presse müsse sich den neuen Konsumbedingungen anpassen. Sie dürfe dieses Terrain nicht den Klatschmagazinen und den Internet-Publizisten überlassen. Andernfalls verliere die Presse die Zukunft. Evenos Meinung wird sich wohl durchsetzen."

Wobei man sich hier durchaus fragen kann, ob der Klatsch nicht immer schon Antrieb war, Zeitungen zu kaufen.

[+++] Dass der Blick in die Geschichte demütig macht, wenn man aufgeregt über Aktualität oder News spricht, zeigt dabei gerade die NZZ. Auf der Medienseite steht ein Text von Adrian Lobe über den Ausbau von Yahoo mit Journalisten als Contentperformern:

"Renommierte Medien verlieren also altgediente Redaktoren, während Yahoo sich daran macht, eine mediale Plattform aufzubauen. Die Zeiten, in denen Yahoo mit dürren Meldungen aufwartete, sind damit vorbei. Yahoo bietet heute auf verschiedenen Kanälen Informationen an. Die neue Katie-Couric-Show soll ein breites Publikum ansprechen."

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Und dazu kommt – das kann man Redaktion nennen – eine Buchbesprechung von Rolf Hürzeler, der Frank Lorenz Müllers Biografie des 99-Tage-Kaisers Friedrich III. auf dessen Medienpolitik hin liest:

"Sein engster Kreis erwog, ein 'Pressebureau' zu gründen, um die Tageszeitungen zu beeinflussen. Das Vorhaben wurde zwar nicht umgesetzt, aber die Strategie hinter der Idee war sehr modern: Das Büro sollte Texte durch 'wenige engagierte Federn lancieren und alles tun, um die Popularität Friedrichs zu steigern', wie es in einem schriftlichen Exposé aus dem Beraterkreis des Monarchen hiess. Vor allem sollte das kleine Institut 'ganz incognito' bleiben – Public Relations pur."

Von 1986 ist die Rezension des Buchs "NSA. Amerikas geheimster Nachrichtendienst" von James Bamford. Verfasst hat sie Friedrich Kittler, die TAZ hat den Text nun wiederveröffentlicht, er sorgt leichterhand für Aha-Momente:

"Wie viele Millionen Fernmeldungen die NSA als Input ihres 'Staubsaugerverfahrens' pro Jahr entziffert oder abhört, ist unbekannt; der entsprechende Jahres-Output an Geheimdokumenten liegt jedenfalls zwischen 50 und 100 Millionen – mit allen Müllproblemen, die moderne Datenlawinen machen. Auch das ist Diskursanalyse, aber nicht eines Lesers in Bibliotheken, sondern von Computern auf Hochfrequenzbändern. (Ein technischer Durchbruch von COLOSSUS-Ausmaß hat selbst Mikrowellen, deren bleistiftdünner Richtstrahl Marconis Interzeptionsprobleme lösen sollte, abhörbar gemacht.)"

Heute druckt die FAZ (Seite 27) einen Text von dem als @NeinQuarterly bekannt gewordenen US-Germanisten Eric Jarosinski, der Bekanntschaft mit Mitlesern von staatlichen Stellen gemacht hat:

"Ein Typ im State Department sitzt in seinem Büro in Washington D.C., liest meine Tweets und versucht, mich freundlich und betont ungezwungen für einen Vortrag in einer offiziellen Vertretung Amerikas im Ausland zu gewinnen? Patriotismus war nie meine Sache. Aber was glaubt der Typ von mir? Wie stellt er sich das vor? Kann ich? Muss ich? Meine Antwort: ein höfliches amerikanisches Nein ('I’ll think about it')."

Genauso höflich hält sich Jarosinski im Folgenden mit Meinung, Ratschlägen oder Kritik an der Lobo-Enttäuschung zurück.


Altpapierkorb

+++ Zu Burdas DLD twittert Christina Wächter einen schrecklichen Social-Media-Verdacht: "Minutiöse Berichterstattung vom #DLD14 interessiert niemanden, der nicht vor Ort ist." +++ Burdas Focus ist bekanntermaßen vor Ort, interessiert sich also auch für minutiöse Berichterstattung und legt einen Live-Ticker hin (der den zu Schumi übrigens nicht ersetzt, die Live-Ticker-Kapazitäten beim Focus sind groß): "12:15 Uhr: Während im ersten Raum hitzig über die Macht der Maschine diskutiert wird, geht es auf zweiten Bühne besinnlich zu. Arianna Huffington liest aus Paulo Coelhos Werk vor. Er ist überzeugt, dass besonders in der heutigen Zeit, zwischen all den technischen Neuerungen Achtsamkeit und die Besinnung auf das spirituelle 'Ich' wichtig ist." Wer wollte widersprechen? Ursula Scheer in der FAZ (Seite 31)? "Da wirkte es geradezu rührend, dass die Gründerin der „Huffington Post“, Arianna Huffington, im Gespräch mit dem Bestseller-Autor Paulo Coelho erzählte, sie meditiere in einer technikfreien Umgebung." +++ Im Tagesspiegel berichtet Jörg Seewald: "Umso mehr geriet Jan Koums Auftritt bei der DLD-Conference zu einem Höhepunkt des Tages. Arianna Huffington und Paulo Coelho hatten Koum mit ihrer uninspirierten Vorstellung den Boden bereitet. Die Gratis-Journalistin ('Huffington Post') und der Esoterik-Autor ('Der Alchimist') hatten sich darauf geeinigt, dass es oft kleine Anlässe seien, die einen ein neues Leben beginnen lassen. Coelho verwies auf den Duft einer Madeleine bei Marcel Proust, die jenen zum Schreiben von 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' bewegt hatte. Bei WhatsApp-Gründer Jan Koum war es die Erfahrung, als er 1992 aus den USA, wohin er als Junge gezogen war, mit seiner Familie in der Ukraine teuer kommunizieren zu müssen." +++ "Auf dem Presserechtsforum der Zeitschrift 'Kommunikation und Recht' in Frankfurt" war derweil Guardian-Justiziarin Gillian Phillips zu Gast, die die angeordnete Festplattenzerkloppung im Redaktionsgebäude in Zusammenhang brachte mit dem Festhalten von Glenn Greenwalds Lebensgefährten am Londoner Flughafen: "Er musste seine Passwörter herausrücken, die technischen Geräte wurden beschlagnahmt. Dagegen hat er geklagt, das Verfahren ist anhängig. 'Wir vermuten, dass die Behörden erst noch das Ergebnis dieses Urteils abwarten, bevor sie entscheiden, wie sie weiter gegen uns vorgehen', sagte Gillian Phillips." Schreibt Corinna Budras in der FAZ (Seite 31). +++

+++ Dem im Altpapier von gestern gewürdigten Reden über das Öffentlich-Rechtliche gesellen sich heute einige Spielarten hinzu. Sandra Maischberger variiert (was soll sie auch machen, könnte man entschuldigend einwenden) die Quotenabhängigkeit vom "Elo" in eine nur scheinbare Entspanntheit im Interview mit Claudia Fromme in der SZ (Seite 25): "Mich interessiert die Quote über das Jahr hinweg, nicht für einzelne Sendungen. Ich wehre mich aber dagegen, dass es das einzige Kriterium ist." Gegenfrage: "Zeitweise wurden Sie auch nach Quote bezahlt, ferner hatte der verantwortliche WDR ein Sonderkündigungsrecht, falls der Marktanteil unter zehn Prozent fällt." Antwort: "Sie wissen, dass ich über Verträge keine Auskunft geben darf." +++ Wer das nicht wusste, kann es auch erfahren aus den Antworten, die der DLF in Sachen Jürgen Liminski dem Blog von Stefan Niggemeier gegeben hat: "Herr Liminski ist seit Jahren bei Deutschlandradio fest angestellter Journalist. Er war und ist als Redakteur und Moderator tätig. Ich bitte um Verständnis dafür, dass der Arbeitgeber aus datenschutz- und arbeitsrechtlichen Gründen keine weitergehenden Angaben zu seinen Angestellten machen kann. (Eigentlich ist dem Arbeitgeber nicht einmal die in diesen beiden Sätze gegebene Auskunft gestattet.)" Dabei hatte Niggemeier nach etwas anderem gefragt: ("Ich habe gelesen, dass Sie gegenüber epd Medien und der Süddeutschen Zeitung keine Auskunft geben wollten über die weitere Zusammenarbeit mit Herrn Liminski. Warum ist das so? Verstehe ich das richtig: Der Deutschlandfunk äußert sich nicht zu der Frage, ob Herr Liminski in Zukunft im Deutschlandfunk moderiert? Warum nicht? Wovon hängt das ab?"), was illustriert, wie Angst den Raum von Kommunikation verengt. Und der generöse Hinweis, dass schon die beiden Sätze eigentlich wie ein Staatsgeheimnis behandelt werden müssten (obwohl jeder Hörer weiß, dass Liminiski im DLF moderiert), führt die Vertragsschweigeparanoia ad absurdum: Was ist denn eigentlich so geheim an Arbeitsverträgen? Und warum? +++ Wäre Ingo Zamperonis Arbeit ein Text, dann ginge es in dem TAZ-Interview mit David Denk ausschließlich um die Parerga seiner neuen Tätigkeit: "Ich kann doch jetzt noch nicht sagen, was in drei Jahren ist. In den letzten Jahre haben sich viele Chancen ergeben, daraus ist ein Urvertrauen erwachsen. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Dafür braucht man Glück und Förderer. Und ich glaube fest daran, dass der neue Job mich weiterbringt, ich dadurch noch besser gerüstet sein werde für den danach – welcher auch immer das sein mag." Zamperoni wird übrigens ARD-Korrespondent in Washington, aber vielleicht ist das auch egal. +++

+++ In FAZ und Tagesspiegel noch Texte über den gestern vermeldeten Umbau der Deutschen Welle. Joachim Huber in letzterem: "Die individuellen Konsequenzen der DW-Neuorientierung sind für die 1500 festen und ebenso vielen freien Mitarbeitern aus 60 Ländern erst in Umrissen absehbar. Limbourg sagte nach den Gesprächen mit den Belegschaften in Berlin und Bonn, es herrsche einerseits Betroffenheit, andererseits Erleichterung über den jetzt feststehenden Kurs. Für den englischsprachigen Bereich wird Personal gesucht, Qualifikationen stehen an. Unklar ist, ob die Mitarbeiterzahl insgesamt gehalten werden kann. Bisher beträgt der aus Steuermitteln finanzierte Etat rund 270 Millionen Euro im Jahr." +++ Der Perlentaucher baut ebenfalls um. +++ Ludwig Dieter Helmut Thoma baut dagegen wieder Fernsehen auf: NRW TV. Hans Hoff berichtet in der Süddeutschen. "Thoma denkt laut darüber nach, Bilder von Spielen zu zeigen, obwohl er keinerlei Rechte besitzt. Er beruft sich auf das Recht zur Kurzberichterstattung. Anderthalb Minuten dürfe jeder von einem Spiel berichten, sagt er: 'Warum sollen wir das nicht nutzen?' Er will seine Reporter mit Smartphones filmen lassen. Bisher seien die Kurzberichte nie zustande gekommen, weil die Vereine in den Stadien das Hausrecht haben. Aber gegen Thomas Smartphone-Filmer könnten sie wohl wenig ausrichten. 'Die können ja nicht allen Leuten die Handys abnehmen.'" +++ Wie wäre es mit einer Drohne? Kathrin Werner berichtet auf der gleichen Seite über die Vorzüge des Fluggeräts für die Bildproduktion: "Kleine ferngesteuerte Flieger gibt es inzwischen für weniger als 100 Dollar in jedem Elektro-Fachgeschäft. Hängt man eine Digitalkamera daran, kann das Filmequipment weniger als 200 Dollar kosten. So ist es nicht so schlimm, wenn die immer noch nicht perfekt steuerbaren Drohnen einmal abstürzen. Größere Risiken kann man mit ihnen allemal eingehen. Die Drohnen schaffen es in Gegenden, in die sich Reporter nicht wagen. Und sie können näher heran als die schwergängigeren Helikopter." +++

+++ In der FAZ schreibt Christian Deutschmann zum Radioprogramm aus Anlass von Lothar Trolles 70. Geburtstag am morgigen Tag: "Der siebzigste Geburtstag Trolles lässt Rückschau halten aufs Schaffen dieses phantasiereichen wie genauen Autors, dessen einstiger Erfolg mit 'Hermes in der Stadt' (Uraufführung 1992 unter Frank Castorf am Berliner Deutschen Theater) ihn leider nicht zur Berühmtheit werden ließ. Doch mit bisher zwölf Produktionen ist ihm das Radio treu geblieben." +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

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