"Atmen? Kann ich!", ruft der Kollege in den Konferenzraum, als ich dieses Thema in der morgendlichen Runde vorstelle. Er erntet lautes Lachen von den umstehenden Versammelten. Ja, klar - er hat schon einen Punkt: Atmen können wir alle. Sonst wären wir nicht hier. Aber machen wir es auch richtig? Und kann Atmen vielleicht sogar unsere Stimmung verändern?
Das will ich von einer Expertin wissen. Irmtraud Siebeneichner ist eine: Seit knapp 30 Jahren arbeitet sie als Atemtherapeutin, betreibt eine Praxis in Darmstadt, gibt Kurse etwa an der Volkshochschule. Es ist ihr Beruf, Menschen zu zeigen, wie sie besser Luft bekommen. Und sie auch wieder herauslassen.
Sarah Neder ist Redakteurin bei evangelisch.de. Sie studierte Politikwissenschaft, Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie an der Goethe-Universität Frankfurt. Später volontierte sie bei der Offenbach-Post, wo sie anschließend als Lokalredakteurin arbeitete. Im Sommer 2017 ist sie nach England ausgewandert, und arbeitet in Manchester als freie Journalistin und Autorin für englische und deutsche Publikationen wie den Tagesspiegel oder den Dumont-Reiseverlag. Seit November 2020 ist Sarah Neder Teil des evangelisch.de-Teams.
Klingt einfach. Denn Atmen funktioniert meist unbewusst. Aber richtiges Atmen, weiß Irmtraud Siebeneichner, das braucht Übung: "Man kann nicht nicht atmen. Aber es gibt gewisse Techniken." Unser Atmen, sagt die Expertin, werde beeinflusst durch unsere persönliche Entwicklung, Körperhaltung, gesundheitliche Einschränkungen, Erkrankungen und Stimmungen. Siebeneichner beruft sich auf die Tradition der Atemtherapeutin Ilse Middendorf. Ihr Ansatz will uns zeigen, wie wir mit dem Atem unser körperlich-seelisches Befinden bewusster wahrnehmen können. "Oft wird uns die Atmung erst bewusst, wenn der Atem stockt, wir atemlos sind, keine Luft mehr bekommen." Den Atem im Alltag wahrzunehmen, weiß Irmtraud Siebeneichner, das braucht Übung.
Hier können Sie selbst gleich mitüben!
Dieses eingebettete Video wird von Instagram bereitgestellt.
Beim Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern von Instagram hergestellt.
Dabei wird Instagram mitgeteilt, welche Seiten Sie besuchen. Wenn Sie in Ihrem Instagram-Account eingeloggt sind, kann Instagram Ihr Surfverhalten Ihnen persönlich zuordnen.
Dies verhindern Sie, indem Sie sich vorher aus Ihrem Instagram-Account ausloggen,
Wird ein Instagram-Video gestartet, setzt der Anbieter Cookies ein, die Hinweise über das Nutzer:innenverhalten sammeln.
Weitere Informationen zum Datenschutz bei Instagram finden Sie in der Datenschutzerklärung des Anbieters unter: https://help.instagram.com/155833707900388
Wenn Sie kommentieren oder liken wollen müssen Sie sich bitte einloggen bei Instagram
"Unser Ziel ist es nicht, den Atem in eine Richtung zu lenken. Aber wir wollen dem Atem die Möglichkeit geben, dass er frei fließen kann", sagt Siebeneichner. Das funktioniere am besten, wenn der Atem mit Bewegung verknüpft wird, erklärt sie und demonstriert eine ganz einfache Übung vor ihrer Computerkamera. Behutsam öffnet sie ihre linke Hand und bittet mich, es ihr gleichzutun. "Merken Sie, wie Sie automatisch spürbar einatmen?" Ja, tatsächlich. Das tue ich. Beim Ausatmen schließen wir unsere Handflächen. Wie eine Lotusblüte, die tagsüber aufblüht und nachts schrumpft. Ein schöner Gedanke.
Aber zurück zum Atmen. Siebeneichner bekräftigt: "Und umso fortgeschrittener man ist, desto mehr verbinden sich Atem und Bewegung." Und je mehr wir das tun, desto besser kann der Atem im Körper wirken. "Wenn ich nur flach atme, dann gebe ich meinem Körper nicht das, was er braucht", sagt die Expertin. Richtiges Atmen hingegen mache die Gelenke beweglicher, verbessere den Blutkreislauf, den Lymphfluss und sogar die Darmtätigkeit. Aber wie sieht es mit der Stimmung aus?
Dazu hat Irmtraud Siebeneichner eine einfache Übung parat: "Erinnern Sie sich eine Weile an eine schöne Situation in Ihrem Leben und beobachten Sie Ihren Atem. Wie empfinden Sie Ihren Atem? Danach erinnern Sie sich an eine Situation, die schmerzhaft war oder Sie traurig gemacht hat. Wie empfinden Sie Ihren Atem jetzt?"
Atmen, sagt Siebeneichner, das ist auch eine Bewusstseinsschule. Gelernt hat sie das noch vor ihrer Ausbildung im Selbstexperiment. "Ich hatte damals Anfänge von Asthma und so bin ich an die Atemtherapie gekommen. Das hat nicht nur gegen mein Asthma geholfen, sondern ich habe auch gemerkt: Es reguliert auch andere Sachen." Etwa, sich im Leben auch Pausen einzuräumen.
Sollten starke Gefühle, wie Panik aufkommen, ist es oft gut, diese frühzeitig zu erkennen. "Es ist wichtig, ein Gespür für die Anfänge zu entwickeln", sagt die Therapeutin. Wenn jemand akut unter Panik leide, zieht sich oft alles zusammen – auch körperlich, erläutert Siebeneichner. "Atemübungen können da eine Erleichterung bieten, wenn sie rechtzeitig angewandt werden."
Aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung weiß sie eben auch: Beim Atmen geht es viel ums Wohlbefinden. Atemtherapie sei - wie Yoga oder Meditation - eine Art der Selbstfürsorge. "Wenn meine Klienten nach der Stunde ihren Atem freier erleben und entspannter nach Hause gehen, als sie gekommen sind, ist das schön."