Das Medienkonzentrationsrecht muss überholt werden. Der Einfluss der Politik aufs ZDF wird vom Bundesverfassungsgericht verhandelt. Der NDR-Programmdirektor zahlt 30.000 Euro Buße, die nach Kenntnis seiner Akten nicht von Schuld motiviert ist. Die IHT heißt jetzt INYT
Gibt so Tage. Geht nicht viel. Oder nur der ganz harte Stuff.
Interview in der NZZ, Frage Rainer Stadler:
"Derzeit ist ein Wiederaufleben der Fernsehkritik in der Presse zu beobachten."
Antwort Martin Dumermuth:
"Ja, aber wird auch über die medienpolitischen Fragen diskutiert? Ich zweifle."
Und die Quizfrage lautet nicht: Wer ist Martin Dumermuth? Die Quizfrage lautet: Wo hat Martin Dumermuth gearbeitet, wenn sein Arbeitgeber sich Bakom abkürzt?
Hier würde man an ruchlose Telekommunikationsunternehmen mit miesem Kundenservice denken, in der Schweiz verbirgt sich dahinter aber das Bundesamt für Kommunikation, das Dumermuth nach 19 Jahren verlässt, um Chef vom Bundesamt für Justiz (Bajus?) zu werden. Das ist Detailwissen, mit dem sich lange Winterabende am Kamin im Kreise der Lieben bestreiten lassen.
Um nun aber auf Dumermuths Pessimismus zurückzukommen: Nein, Sire, wird es!
Heute zumindest.
Am dicksten steigt – Chapeau, Chapeau – Claudia Tieschky in der Süddeutschen (Seite 31) ein. Wobei die Überschrift statt "Wo klemmt es?" auch "Wer kennt es?" hätte heißen können. Geht nämlich unter anderem ums:
Medienkonzentrationsrecht.
"Das Medienkonzentrationsrecht könnten die Länder ganz ohne den Bund erneuern. Medienkonzentrationsrecht ist ein sperriger Begriff für die wichtige Tatsache, dass eine Meinungssteuerung wie die in Italien durch Berlusconis Medien in Deutschland nicht möglich wäre. Doch das entsprechende Gesetz geht immer noch davon aus, dass Fernsehen das einzige Leitmedium im Land sei. Was im Internet stattfindet, existiert als eigenständige Meinungsmacht nicht."
Oder um es anschaulich zu machen:
"'Wenn Youtube Springer kaufen wollte, sollte man annehmen können, dass dadurch eine Meinungsmacht entsteht', kritisiert Schmid. 'Diese ist aber im Medienkonzentrationsrecht nicht erfasst.'"
Schmid, Tobias, ist der Protagonist der Geschichte, der Cheflobbyist der Privatsender vom Verband VPRT, the New Jürgen Doetz, wobei man sich so helmutkohlhaft erst daran gewöhnen muss, dass Jürgen Doetz nicht mehr synomym ist mit VPRT-Chef.
Anyway. Tieschky reist auf Schmids Ticket. Der habe zwar eigene Interessen, aber in der Frage der Reformbedürftigkeit der Medienpolitik leider recht.
"Tatsächlich passen die deutschen Rundfunkgesetze in vieler Hinsicht nicht in die digitalisierte Welt; vor allem sind Internet und TV hier immer noch getrennte Welten. Aber Medienpolitik ist durch den Verbreitungsweg Internet komplizierter geworden."
Vielleicht könnte Dumermuth noch eine Note schicken zum Abschied.
Tieschky nicht unähnlich argumentiert Christian Fahrenbach auf Carta in Bed with the Devil, wenn auch wir dafür kurz in das Becken der Medienökonomie rausschwimmen müssen.
Fahrenbach quittiert die Auftakthäme (siehe Altpapier) über die Dirtyness der (deutschen) Huppington Fost mit langfristiger Illusionslosigkeit:
"Egal, dass die HuffPo nur einen Teil der Meinungsbeiträge nicht entlohnt, egal, ob das Angebot krachend an die Wand fährt, dieser Interpretationsrahmen ist erst einmal in der Welt und wird bei entsprechender 'Viralität' der Beiträge (allein das Wort schon) sicher für viele Chefetagen attraktiv sein."
Die Fragen, die sich für Fahrenbach aus dieser Gewissheit ableiten, lauten:
"Was mich aber wirklich interessiert: Was machen wir denn jetzt? Gratisschreiben finden wir doof, aber höhere Löhne werden nicht wiederkommen. Unternehmerische Querfinanzierung finden wir auch doof, aber übersehen vielleicht, dass seit Jahrhunderten jedes Medienangebot über Anzeigen unternehmerisch querfinanziert wird. Wer sich, wie die öffentlich-rechtlichen Kollegen, nicht am Markt beweisen muss, den finden wir auch doof, und als Finanzierungsmodell wird das ja auch nicht die komplette Landschaft erhalten."
Und die sind tatsächlich interessant. Als Utopie bietet Fahrenbach fürs erste buchstäblich eine Utopie an:
"Einen Ort, an dem wir uns darauf konzentrieren, was bei anderen funktioniert, selbst wenn wir mit weiten Teilen von deren Angebot nicht einverstanden sind, und einen Ort, an dem wir auf Basis von sichtbaren Angeboten und Klickzahlen urteilen, und nicht Wochen vor dem Launch neuer Seiten oder auf Basis von Mutmaßungen nach Sponsorenschafts-Bekanntgaben."
In gewisser Weise kann man Carta als diesen Ort verstehen, als Huffington Post mit Herz und dem Verstand am rechten Fleck. Debattös ist das nur noch nicht ganz durchgesetzt.
[+++] Zurück zur Medienpolitik. Michael-Hanfeld-Tag in der FAZ, große Szenen.
Zum einen verhandelt das Bundesverfassungsgericht im November über den ZDF-Staatsvertrag.
"Es geht um die Besetzung der Aufsichtsgremien des Senders. Nach dem Dafürhalten der Kläger sind diese mit zu vielen Vertretern des Staates besetzt."
Wie es dazu kam, ist eine own story, die auswendig gelernt an besagten Winterabenden in der guten Stube ebenfalls unterhalten könnte, wenn das stündliche Programm im Rundfunk beendet ist und alle Adalbert-Stifter-Romane vorgelesen sind. Hanfeld schnalzt jedenfalls mit der Zunge:
"Die Genese des Verfahrens ist etwas für medienpolitische Feinschmecker und Freunde des Föderalismus. Sie verlief nämlich auf erstaunlichen Wegen. Der Anstoß dazu kam von den Grünen im Bundestag, namentlich der Medienpolitikerin Tabea Rößner. Auslöser war die Nichtverlängerung des Vertrags des früheren ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender."
Geklagt hat dann übrigens die SPD gegen sich selbst. 5. November, wir sind gespannt.
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Der zweite Hanfeld-Text handelt von der 30.000-Euro-Buße, die Fränki "Nicht zu verwechseln mit Reini" Beckmann aufgebrummt bekommen hat von der Staatsanwaltschaft Erfurt wegen Untreue. Beckmann ist Programmdirektor des NDR, war mal Geschäftsführer des Kinderkanal, dummerweise in der Zeit, als dort ein korrupter Einzelfall von subalternem Herstellungsleiter ganz allein und unbeobachtet sein finanzoriginelles Unwesen trieb.
Scheiße passiert, sagt der Amerikaner.
Hanfeld ist auch hier ganz Connaisseur, er hat seinen Dollase geschaut, und würzt in solch einem delikaten Fall nicht erst mit Empörung nach, wo es doch reicht, die Zutaten zu referieren:
"Der NDR-Programmdirektor Beckmann stimmt der Einstellung des Verfahrens gegen Geldbuße zu, weist den Verdacht der Staatsanwaltschaft aber zurück. 'Ein Schuldeingeständnis hätte ich niemals akzeptiert', sagte Beckmann dieser Zeitung. 'In Kenntnis aller Akten bin ich nach wie vor davon überzeugt, dass ich mir nichts habe zuschulden kommen lassen.'"
Eine heute zu Unrecht selten gewordene Praxis: altruistische Bußgeldzahlungen. Die meisten Leute rücken Geld ja nur raus, wenn sie wirklich müssen, weil ihnen etwa Schuld oder so was bis zum Hals steht.
"In Kenntnis aller Akten" – das wäre doch ein schöner Titel für die erste amerikanische Serie auf deutschem Boden, die uns einmal erzählte an den langen Winterabenden, an denen wir dann sogar den Computer aus dem Keller holen würden, wie das so läuft mit der Verwantwortung, der Kenntnis und dem Einzelfall in den Führungsetagen von ganz oben.
Hach.
+++ Patrick Bahners wäre auch Fan, garantiert, der ist in der FAZ (Seite 35) schon ganz begeistert vom neuesten HBO-Schnickschnack: einem Stephen-Frears-Film über den Prozess Muhammad Ali vs. die USA: "Es ist beeindruckend, wie Frears und sein Drehbuchautor Shawn Slovo es schaffen, jeden der neun 'Brüder' [die Richter, AP] individuell zu charakterisieren, typischerweise mit dezenter Ironie." +++ Stefan Schulz verweist ebenda auf eine weitere Serie, "Hatfields & McCoys" mit Kevin Costner: "Das gelang insbesondere, weil Kevin Costner nutzt, was ihm ansonsten selten zugestanden wird: Zeit. Fast fünf Stunden dauert die dreiteilige Erzählung, in der Costner den Wilden Westen aufleben lässt, wie ihm das schon vor 23 Jahren, damals als Regisseur und Hauptdarsteller in 'Der mit dem Wolf tanzt', gelang." +++
+++ Das deutsche Fernsehen gestattet immerhin schöne Bücher. SZ-Architekturkritiker Gerhard Matzig ist eingenommen vom Band "Schauplatz Tatort" über die Architektur in der beliebten Fernsehreihe (Seite 31): "Was richtig Spaß macht: die Akkuratesse des Buches. Da wird die 'Präsidiumsarchitektur' mit der 'Wohnarchitektur' der Kommissare verglichen, das 'Wohnverhalten' wird als 'bürgerlich' (Felix Murot/Ulrich Tukur) oder als 'loftartig' (Moritz Eisner/Harald Krassnitzer) beschrieben – oder als 'unauffällig' für den Buchautor Wachtveitl." +++ Heimelig gibt sich auch ein neues Magazin, bei dem Ulrike Fokken in der TAZ allerdings drauf hinweist, dass es nicht frei von Marktinteressen ist: "In dem 100- Seiten starken Magazin überschneiden sich Corporate Publishing (CP) und Journalismus. Geschäftsführer Dorn findet, dass 'Wald kein klassischer CP-Titel ist', denn die Themen seien im Verlag entwickelt worden und außerdem habe 'Waldfreund Kohlhöfer', Philipp Kohlhöfer also, der Chefredakteur, sich das Wald-Konzept ausgedacht." +++ Peter Praschl schreibt in Springers Welt schön über Selfies: "Die Zeiten, in denen das Internet noch die Freiheit von den Körpern versprach, sind unwiderruflich vorbei. All diese Essays, die darüber geschrieben wurden, wie toll es ist, wenn das Aussehen der Kommunikation nicht mehr im Weg steht, wenn es nur noch darauf ankommt, was man sagt und wie man es sagt, und nicht mehr, wie die Menschen aussehen, die es sagen: Selbstbeschwörungen, deren Naivität einem heute fast peinlich ist. Die Idee, dass es im Netz um Geist, nicht um Schein ging, war bloß die Illusion einer Ära, in der man noch mit Modems ins Internet gehen musste und jedes Foto die Ladezeiten verlängerte." +++
+++ To the Ausland. "The International Herald Tribune" heißt nun "The International New York Times", wobei Sonja Álvarez im Tagesspiegel daran erinnert, dass das Ding bei seinem legendärsten Auftritt auch noch anders hieß: "Einen ihrer vielen berühmten Auftritte hatte sie 1960 in Jean-Luc Godards Kinofilm 'Außer Atem', als Jean Seberg eine Ausgabe an Jean-Paul Belmondo auf den Pariser Champs-Élysées verkaufen will. Sieben Jahre später wurde die Zeitung in 'International Herald Tribune' umgetauft." Wenn es zur Niggemeier-Rubrik "Super Symbolfoto" eine Entsprechung für den Überschriftensektor gäbe – Thomas Lückerath wären mit seinem IHT-Text auf dwdl.de der Man of the Day: "Eine anachronistische Ikone will sich neu erfinden" +++ Dem französischen Wirtschaftsmagazin "Courrier International" fehlt dagegen was in der Finanzierung: "Das Blatt hatte von der EU-Kommission jährlich 2,5 Millionen Euro für die Internetausgabe Presseurop erhalten. Der Dienst bietet eine Presseschau in verschiedenen Sprachen an. Die Subventionen sorgten vor allem in der angelsächsischen Presse für Unmut. Verschiedene Blätter witterten Wettbewerbsverzerrung und sahen darin ein Propagandainstrument der EU. Aufgrund der Brüsseler Sparzwänge wird dieser Zuschuss nun ersatzlos gestrichen." Adrian Lobe schreibt darüber in der Berliner. +++ Rupert Murdoch vertickt DFL-Rights worldwide. Jürn Kruse in der in der TAZ: "Während Sky verzichtet, hat dessen Mutterkonzern 21st Century Fox gerade Rechte gekauft: Ab 2015 darf Rupert Murdochs Firma die Bundesligaspiele in Nord- und Lateinamerika sowie in fast allen Ländern Asiens und in Italien, den Niederlanden und Belgien übertragen. Zu zahlender Betrag unbekannt." +++ Rainer Stadler in seiner NZZ-Kolumne über die Entdeckung des Nationalen in der Schweiz: "Bei der Feier des Nationalen spielen auch die öffentlichen Rundfunksender eine wichtige Rolle. Immerhin ist es der Staat, der ihnen die Versorgung mit Geld sichert. Als Gegenleistung versuchen sie das Volk vor der Mattscheibe zusammenzubringen, etwa mit televisuellen Geschichtsstunden. 1991 und 1992 sendete das ZDF während mehr als zwei Monaten die Serie 'Wir Deutschen', nun kommt die SRG mit der November-Reihe 'Die Schweizer'." +++ Und Moritz Teschermak hat im Topfvollgold Reisejournalismus in "die aktuelle" entdeckt: "Doch zwischen 'Lagerfeuer-Romantik' und klugen Sätzen wie 'Afrika lässt den Alltag vergessen, Afrika macht happy' ist noch genug Platz für einen Aspekt, der Frauke Fälschlein offenbar ganz besonders am Herzen liegt: Sie möchte gerne kräftig Werbung machen für die Agentur, mit der Samuel Koch nach Botswana gereist ist." +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.