Frauentag in den Medien. Anne Will erzählt im SZ-Magazin fast einen Bildungsroman, nämlich von den Schwierigkeiten, eine Sprache gegen die Zurücksetzung zu finden. Das von der FAZ hochgelobte Debatten-Portal "The European" hat von dieser Sprache dagegen eine recht plumpe Vorstellung.
Frauentag in the house. Gerade, wenn die Abschweifung ins analoge Leben gestattet ist, eine alte Lady an der Supermarktkasse, die der Kassiererin ein Blümlein in die Hand drückt nach dem Abkassiertwerden und einen schönen Frauentag wünscht. Die ganz alte Schule.
Frauentag zu begehen, ist eine Sache für sich, weil Gleichstellung natürlich nicht ist, wenn Papa Mama einmal im Jahr das Frühstück ans Bett bringt, das Frühstück ans Bett gebracht zu kriegen ja aber auch was hat.
Oder so ähnlich. War jedenfalls Frauentagbegehen früher eine Domäne linker Zeitungen wie der TAZ, machen das heute auch andere. Das SZ-Magazin ist zum Beispiel mit einem Frauenheft am Start, in dem das Frühstücksdilemma als Anzeigencoup wiederkehrt: Es ist nämlich noch mal jene eindrückliche gelbe Louis-Vitton-Daniel-Buren-Werbung gebucht (siehe Bild), die schon sämtliche Hochglanzsupplements der deutschen Zeitungslandschaft mitfinanziert hat in diesem Frühjahr und dafür im nächsten Jahr vom Bundespräsidenten mit dem Verdienstkreuz zur Aufrechterhaltung der Meinungsfreiheit ausgezeichnet werden sollte.
Drin im Heft dann etwa ein Interview mit Anne Will, die sympathisch rüberkommt. Während Wills Freundin Miriam Meckel in der TAZ einen Liebesbrief abn die Zeitung verfasst hat, erfährt man im SZ-Magazin etwas über Wills Twitternutzungsverhalten:
"Ich lese mit, würde auch gern mitmischen, weiß aber nicht, ob ich die Konsequenzen tragen möchte, wenn ich da mit Foto erscheine und direkt angezwitschert werde."
Schön ist, wie Will Angela Merkels lässige Politik in eigener Sache erklärt:
"Nur an einer einzigen Stelle hat sie, glaube ich, justiert. In der Frage: Was wird von der Repräsentantin eines Landes verlangt? Und sich entsprechend umgestellt...In ihrem Auftreten. Das ist die einzig wahrnehmbare Stelle, an der sie sich mit ihrem Frausein und den Anforderungen, die man an Frauen in öffentlichen Positionen stellt, arrangiert hat."
Also Garderobe, Schminke und Frisur als Konzessionen an die Bilder, die von einer Bundeskanzlerin erwartet werden. Der – vorher kommunizierbare – Aufreger des Gesprächs ist, wenn man so will, Anne Wills #Aufschrei-Geschichte:
"Zum Beispiel im Volontariat beim SFB. Da gab es einen Kollegen, der junge Kolleginnen anfasste. Auch mich. Es war eindeutig total daneben, aber als junge Frau – ich war 25 – hat man nicht unbedingt das Instrumentarium, so einen in die Schranken zu weisen...Damals kam die Frauenbeauftragte zu mir und sagte: Hier gibt es einige Frauen, die den Kollegen X anzeigen wollen, allerdings anonym. Da hab ich gesagt: Ich mache mit, allerdings nicht anonym."
Die Begebenheit zeigt doch ganz schön, was an der Brüderle-Aufschrei-Sache so wichtig ist: dass es um kollektive Erfahrungen geht, für die nun ein Begriff gefunden ist. Die Wichtigkeit von so was – etwas auf einen Begriff bringen zu können –, erklärt Will nebenher auch noch:
"Meine Hoffnung ist, dass wir ein Wort zur Verfügung haben, wenn wir uns beleidigt sehen.
Nämlich?
Sexistisch.
So richtig neu ist das ja nicht.
Aber es war verstaubt. Um nicht zu sagen, tot. Mir war es als junge Frau jedenfalls nicht geläufig."
Frauentagswoche beim Berlin-Brandenburger RadioEins. Dort moderieren eine ganze Woche nur Frauen, weshalb man sich die Frage stellen kann, welchen Nachrichtenwert die Meldung hat, dass "Kino-King Knut" Elstermann trotzdem am Donnerstag über Filme geredet hat (über solche, in denen Frauen "Grenzen überschreiten", wie es heißt).
Im Tagesspiegel berichtet Markus Ehrenberg:
"Elstermann präsentierte seine Kinotipps, trotz 100- Prozent-Frauenquote. Ist der RBB-Kinoexperte etwa eine Frau? 'Knut Elstermann hat mir zuletzt während der Berlinale bestätigt, ein ,Mann’ zu sein', sagte Programmchef Robert Skuppin, 'ich weiß nicht, wie er es geschafft hat, ins Programm zu kommen, das hat die Frauenredaktion unter Leitung von Diane Arapovic entschieden.'"
Frage ist, wie skandalös das ist. Oder eben nur ein Marketingproblem. Schwieriger scheint das Frühstücks-Louis-Vitton-Dilemma, das sich für RadioEins etwa in der Formulierung vom "Der noch schönere Morgen" ausdrückt, nur weil die Sendung in dieser Frauenwoche von zwei Frauen moderiert wird – und Gutaussehen eine hervorstechende weibliche Qualität ist? C'mon.
Oder, wie es in Wilfried Urbes durchmoderierter Themensammlung "Frauen in den Medien" in der TAZ heißt:
"Dass Frauen in vielen Bereichen der Gesellschaft sowieso 'leider noch immer als schmuckes Beiwerk' angesehen werden, das kritisiert auch die ehemalige WDR-Intendantin Monika Piel: 'Egal, ob bei Ministerinnen oder bei TV-Köchinnen - immer wieder dominiert bei der Beurteilung das Äußere vor dem Können - wenn auch manchmal ,nur' indirekt über das Unterbewusstsein.'"
Man kann also bei RadioEins schon auch den Verdacht haben, dass es um Aufmerksamkeit geht. Eher zufällig scheint Ehrenberg den RadioEins-Chef Skuppin gleich noch zu den jüngst veröffentlichten Hörerzahlen gefragt zu haben:
"Was den Reichweitenverlust betrifft: Vor zwei Jahren hatte Radio Eins bei der März-MA schon mal 25 Prozent verloren. Die waren, so Skuppin, dann bereits im Sommer 'wie durch ein Wunder wieder da'."
Ein Zusammenhang? Wer weiß. Die Veränderung bei RadioEins im 1. Quartal der Media-Analyse sieht jedenfalls nach einer Schwankung aus, die man vielleicht nicht zu ernst nehmen sollte. Lieber mal die Messinstrumenter prüfen.
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RadioFritz does, also die Bälle flachhalten. Zumindest tönt das aus einem dem Sender wohlgesonnenen FAZ-Text (Seite 39) über 20 Jahre Jugendwelle in Berlin-Brandenburg raus:
"Ja, der Sender versteht sich auch als Kulturförderbehörde und man ist nicht wenig stolz auf die Entdeckungen, die man zum Erfolg emporgehievt hat. Wirklich Neues hat man sich für das Jubiläumsjahr nicht vorgenommen und man redet auch lieber über Events als über das Radioprogramm."
Auch wohlgesonnen, aber nicht auf der Medienseite und auch deshalb irgendwie suspekt: Stefan Schulz lobhudelt auf Seite 35 der FAZ der Seite theeuropean.de, die es als "Debatten-Magazin" auch schon gedruckt gegeben hat.
Die Überschrift –
"Es geht auch ohne News-Aggregatoren"
– könnte einen Hinweis geben, dass theeuropean.de quasi LSR-konform ist? Man weiß es nicht. Und suspekt ist das ganze ja auch nur, weil in dem Text so richtig nicht zur Sprache kommt, wie das Erfolgsprojekt wirtschaftlich eigentlich funktioniert. Am Ende eine Andeutung:
"Im Internet gilt für Autoren bislang allerdings fast ausschließlich das Freiwilligkeitsprinzip. Das Engagement muss der Einzelne sich leisten können, weil es kaum andere Quellen der Vergütung gibt. Dass die Redaktion von 'The European' ein Geschäftsmodell für insgesamt zweiundzwanzig Mitarbeiter gefunden hat, ist ein seltener und bemerkenswerter Fall."
Ein wenig kann man sich dann natürlich schon fragen, ob sich hier nicht etwas in den Schwanz beißt, wenn auf theeuropean.de for free solche Texte produziert werden wie der von Wolfgang Michal im Januar – in dem es um das Überangebot auf dem journalistischen Markt ging.
+++ Was bei uns weiters dazu beigetragen hat – wir wünschen den Kollegen freilich alles Gute –, "suspekt" zu sagen, ist etwa die Kolumne von "Volle Kelle" auf "The European", in der Birgit Kelle sich Gedanken zu #Aufschrei vs. Gauck macht (siehe Altpapier von gestern). Denn das geschieht auf einem Niveau, für das die Bezeichnung "Halbe" oder "Viertel Kelle" treffender wäre: "Frauenthemen brauchen dringend einen Imagewechsel. Wie aber schafft man das, wenn Frau selbst nie auf die Sonnenseiten des Frauseins hinweist, sondern immer nur auf defizitäre Bereiche? Dabei hätten wir doch viel zu feiern. Erfolge vorzuweisen." Ist natürlich ein bisschen schnöselig, weil für mangelnde Erfahrung keiner was kann, aber auf solch ein Geformuliere würde man mit Anne Will doch gerne sagen: Werd' mal 35, dann sprechen wir uns wieder. Vollends albern wird's im European-Text dann gegen Ende: "Ein Vorschlag meine Damen, helfen Sie ihm. So als Mann und Präsident: Machen Sie ihm doch einfach eine Liste der Wörter, die er noch benutzen darf im deutschen Sprachgebrauch, im präsidialen Speech, ohne gleich ins sexistische Fettnäpfchen zu schlittern. Vielleicht kommt er demnächst dann ein bisschen wortkarg daher, aber wenigstens sagt er dann nichts Falsches mehr." Äh, ja. Was dann schon die Frage nach dem Sinn vons Ganze nach sich zieht: von unoriginellen Meinungen ist das Netz voll. +++
+++ In Sachen LSR fehlen Stefan Niggemeier die Worte angesichts den höchsten journalistischen Maßstäben beium Focus: "Ich weiß nicht, ob das nun auch Ausdruck der »Focus«-Propaganda ist, um den gut begründeten Protest der Netzpolitiker der Koalitionsparteien kleinzureden. Oder doch nur die Unfähigkeit der leitenden 'Focus'-Redakteure, zwei Sätze aneinanderzureihen, ohne einen falschen inhaltlichen Bezug herzustellen. Gut, dass auch diese Fehlleistungen in Zukunft noch stärker durch ein eigenes Gesetz geschützt werden." +++ Ronnie Grob diskutiert auf Medienwoche.ch eine Doktorarbeit von Uwe Krüger, in der es um Machtnähe von Journalisten geht: "Ein weiterer Punkt ist die Abhängigkeit der Medien von der Werbewirtschaft. Medien wie der 'Spiegel' oder die 'Zeit', in der Schweiz beispielsweise die Weltwoche und die NZZ, sind abhängig von Anzeigen von Luxusprodukten im Hochpreissegment wie Uhren, Autos oder Wein, welche die (vermögenden) Eliten ansprechen. 'In einem Konfliktthema werden Medien, die vor allem auf Eliten zielen, die Interessen der Vermögenden eher schützen', glaubt daher Uwe Krüger." +++
+++ Marin Majica hat für die Berliner auf der CeBit mit dem "Virenjäger" Costin Raiu interessant gesprochen über Computer-Kriege: "Die Akteure verhalten sich wie im historischen Kalten Krieg, der mit Nuklearwaffen geführt wurde: Alle Seiten bauen ihre Kapazitäten aus und liefern sich einen Wettlauf beim Bau neuer Cyberwaffen, denn die sind billig, sehr effektiv und können leicht gegen andere Ziele eingesetzt werden. Und außerdem sind sie völlig anonym und können nicht zurückverfolgt werden." +++ EU-Kommissarin Neelie Kroes äußert sich im Handelsblatt dazu weniger ausführlich: "Eines ist sicher: Es gibt grenzüberschreitende Angriffe und Störungen, teils von Regierungen aus dem Fernen Osten beeinflusst." +++
+++ Johannes Boie berichtet in der SZ (Seite 47) von dem Göttinger Professor Gerold Spindler, der eine Kulturflatrate durchgerechnet hat: "Für realistisch hält er einen Preis von 6,74, 'möglicherweise auch von 22.47 Euro'." +++ Andreas Kilb schreibt in der FAZ (Seite 39) beeindruckend über "Game of Thrones": "...und nie vergisst die Kamera, die visuellen Reste dieses Geschehens aufzuwischen: die abgerissenen Glieder, die rollenden Köpfe neben dem Richtblock, den Blutschwall, der aus dem Mund des Erstochenen quillt. Ja, „Game of Thrones“ ist gründlich, auf eine Weise, die den mittelalterlichen Chronisten fremd, dem Fernsehzuschauer des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts aber ein naturalistischer Hochgenuss ist." +++ Nikolaus von Festenberg schreibt im Tagesspiegel nach dem Tod von Dieter Pfaff eine kleine Geschichte der Korpulenz im Fernsehen, die, und das ist das nicht so aufregende, natürlich nur vorstellbar ist als Verfalls-, oder müsste man sagen: Abmagerungsgeschichte: "Nach Pfaffs Tod gibt es eigentlich nur noch einen TV-Darsteller, der die Würde der Opulenz ausdrücken kann: Horst Krause, der zarte Hinterwäldler von drüben, mit dem Hund im Motorradbeiwagen." Wobei man sich natürlich fragt, wo dieses "drüben" liegt?
Der Altpapierkorb füllt sich Montag wieder.