Ich hab' leider keine Zeit

Ich hab' leider keine Zeit

But it keeps going: Meldungen in eigener Sache und ein kurzer Blick aufs daily Geschehen.

Nachricht des Tages – das ist heute easy:

"Die Gespräche über die Dell-Übernahme befinden sich offenbar in der Endphase."

Untertitelt das Handelsblatt eine Geschichte, die, kleiner Scherz, damit natürlich nicht gemeint ist.

Sondern diese Meldung hier:

"Gleich zwei Preisträger werden für das Jahr 2012 mit dem Bert-Donnepp-Preis ausgezeichnet. Der mit 5.000 Euro dotierte Deutsche Preis für Medienpublizistik, der von den Freunden des Adolf-Grimme-Preises vergeben wird, geht an die Website 'tittelbach.tv' sowie das Weblog 'Das Altpapier'."

Sing Halleluja! Der Bert-Donnepp-Preis, diese Goldene Kamera der Medienpublizistik, der Grimme-Preis für Leute, die über das Fernsehen schreiben, statt es zu machen, der Henri-Nannen-Preis für Nicht-Bild-Angestellte, der Bambi der unbestechlichen Kritik, der Otto-Brenner-Preis der Herzen – kurz: wir sind gerührt und froh (die anderen drei auch). Und: Congrat, Rainer Tittelbach.

In der Begründung der Jury heißt es übers Altpapier:

"Denn es zeigt Zusammenhänge auf, und ist damit längst nicht nur zum Archiv, sondern vielmehr zum Gedächnis des deutschen Medienjournalismus geworden."

Gedächtnis, da war doch was, das Ur-Altpapier, das nicht das erste, sondern die Nullnummer ist, wenn man das im Online-Biz sagen würde. Als Hommage an den Anfang deshalb hier heute auch kein Foto.

Aber eh wir jetzt vom Krieg erzählen, ein Blick aufs Tagesgeschehen, der an diesem Feiertag kürzer ausfällt wegen der Uffregung und des Zeitmangels; müssen doch heut noch zur Preisverleihung auf dem Grimme-Bergfest, heading Marl-Mitte, und vorher noch zum Frisör. Und gepackt ist auch noch nix.

Gedächtnis ist ein schönes Stichwort: eins zu haben, muss man sich manchmal ja auch dann noch erinnern, wenn man nicht Politik heißt und so derbe gehetzt wird, damit Bernhard Pörksen (feat. Wolfgang Krischke) Bücher über einen herausgeben kann, die wie folgt heißen:

"Die gehetzte Politik. Die neue Macht der Medien und Märkte"

Auf Carta koppelt Jasmin Faller das darin enthaltene Interview mit Stefan Niggemeier aus, der etwa sagt:

"BILD versucht im Moment, seriös zu wirken und schlägt  an ein paar Stellen nicht mehr ganz so offensichtlich über die Stränge wie früher. Viel davon ist aber nur Fassade. Dahinter verletzen die Journalisten des Blattes immer noch regelmäßig Persönlichkeitsrechte, sie haben nicht mehr Skrupel als früher."

Von Springers heißem Blatt ist der Weg nicht weit zu der Markus-Lanz-Show, die nicht nach ihm heißt. "Wetten, dass..?" ist, für die Amnestiker unter uns, kürzlich Gegenstand in der New York Times gewesen. Der schönste Satz gilt Thomas Gottschalk:

"With his frizzy blond mullet and outlandish suits he brought the off-kilter vibe of a Mad Hatter and the eccentricity of Gene Wilder’s Willy Wonka to a mainstream television show."

####LINKS####

Was dann auch irgendwie gegen Markus Lanz spricht – wenn man Charisma, Charme oder Eleganz für Kriterien hielte. Das tut Autor Nicholas Kulish, supported by Victor Homola, nur bedingt, dem Text ist die Bewunderung für Lanzens körperlichen Einsatz anzuhören. Er hätte Bergarbeiter werden sollen. Ansonsten phänomenisiert der Artikel "Wetten, dass..?" so runter, wie das im faktennüchternen amerikanischen Journalismus verbreitet ist, und geht auf deutsche Quotendiskussionen durchaus ein.

Ganz interessant ist noch, wie sich das Set an zitierten Stimmen zusammensetzt: Marc Felix Serrao, Dominik Graf, Bernd Ruhlich, 47, und Ehefrau Beate, Florian Illies.

Und wenn man gerade denkt, Moment, fehlt da nicht einer der wichtigsten Experten, taucht kurz vor Schluss noch Mr. Kalle auf, der profilierteste deutsche Fernsehkritiker, der nebenher noch stellvertretender Chefredakteur eines Wochenzeitungshochglanzsupplements ist. Und sagt melancholisch, wenn nicht sentimental über die eigene Arbeit:

"Everyone knows it, everyone has an opinion about it, so there’s a tendency to burden the state of 'Wetten, Dass ...?’ at any given moment with a lot of meaning... But it keeps going.'"


ALTPAPIERKORB

+++ Über den Quotenquatsch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen redet die Reporterlegende beziehungsweise "journalistische Drückerkolonne", wie Daniel Bouhs ihn im TAZ-Artikel nennt (nice), Christoph Lütgert (auch ein Darling all unserer Bemühungen hier) im Küchenstud.io-Interview mit Philip Banse. Darin spricht Lütgert auch über "Senderegoismen" und Chefredakteurseitelkeiten bei der ARD, was was hat. Andererseits könnte man mit dem ZDF-Sprecher wie zum NYTimes-Artikel sagen: "All dies belegt doch nur, was wir ohnehin alle wissen." +++

+++ So billig wie in Frankreich wird Google in Deutschland nicht davonkommen, könnte man sich denken, wenn man Sonja Pohlmanns Text im Tagesspiegel über die Einigung zwischen Präsident (Hollande) und CEO (Schmidt) liest. +++

+++ Ein Hype of Empörung dauert 10 Tage, hat Rainer Stadler in der NZZ gemessen. Medial gesehen. Für die Diskussion von gerade grassierenden Issues (Sex-, Rass-, Antisemitismus) empfiehlt Stadler den Talk im Kreise der Lieben, wobei man sich fragt, ob man da dazu gehören möchte, wenn diese Runde schon so angekündigt wird: "Ein Gespräch im Freundeskreis – unbehelligt von Tugendwächtern irgendwelcher Couleur – taugt besser dazu, diese Fragen zu beleuchten."

+++ Tugendwächter irgendwelcher Couleur – dagegen könnte sich wohl auch Elmar "Elmi" Hörig in Hate posten oder neue Emoticons erfinden, von denen kein japanischer Computernerd gedacht hätte, dass man Tastaturbefehle so kombinieren könnte. Stefan Winterbauer schreibt auf meedia.de einen einfühlsamen Nachruf ("Ach, Elmi. Was ist nur aus Dir geworden?") auf das, was Elmi anderen Leuten offenbar mal bedeutet hat. Heute beschränkt sich Elmi fernseh- und radiosendungslos auf dirty Ausgekotze auf seinem Facebook-Account. Das altmännerräudige Elend, das sich dahinter verbirgt, tritt einem aus diesem Stuttgarter-Zeitung-Text vom Januar entgegen. Immerhin scheint er Geld zu haben, er könnte also auch noch was Gutes tun. +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen donnepppreisverleihungsbedingt erst wieder gegen 11 Uhr.

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