Die Debatte als solche ist das Debattenthema des Tages: Ist Empörung gut oder böse? Hat Thomas Gottschalk bei "Wetten, dass..?" wegen eines Deals mit einem Blumengroßhändler den Valentinstag angekündigt? Und Einschätzungen des Abkommens zwischen Google und Frankreich.
Man könnte, wenn schon bald Valentinstag ist, den Spruch von Karl Valentin, demzufolge alles gesagt ist, nur noch nicht von allen, ja auch mal ein bisschen variieren: Es ist alles gesagt, nur noch nicht zu jeder Zeit. 2008 zum Beispiel wurde die Debatte über die Grimme-Nominierung von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" in Tina Feys US-Comedy-Serie "30 Rock" in einigen Facetten vorweggenommen. NBC-Chef Jack Donaghy (Alec Baldwin) diskutiert in der zweiten Staffel im Lauf der Folge "Insel der scharfen Mütter" mit seiner Fernsehautorin Liz Lemon (Tina Fey) über die Seite Serie "MILF Island".
Donaghy: "Da gibt es Sex, Lügen, Pubertät, Verrat, Staffelläufe. 'MILF Island' reflektiert das Drama der menschlichen Erfahrung. Ist das nicht das Wesen der Kunst?"
Lemon: "Wenn man Käfer isst, nur für einige Tampons..."
Donaghy: "Folge neun, 22 Millionen Zuschauer."
Lemon: "...ist das keine Kunst. Schauspiel ist ne Kunst, Schreiben ist ne Kunst, was wir tun, ist ne Kunst."
Schnitt in die Gedanken der Fernsehautorin Liz Lemon: "Jemand hat so viele Fürze in diese Maschine gesteckt, sie wird gleich noch explodieren."
Da steckte tatsächlich schon einiges an Argumentationshilfen drin. Der Spiegel begegnet der heftigen Kritik am "Dschungelcamp", die in größeren Contenance-Verlusten und gar einer "Warnung vor dem Abgleiten in den Faschismus" (Spiegel) in einem Freitag-Blog gipfelte, in einem kurzen Beitrag mit größerer Distanz als der kritisierten Show:
"Falls RTL jetzt morgen bekanntgäbe, ein TV-Format zu starten, in dem kleine Kinder gegessen werden, würde sich herausstellen, dass alle Eskalationsmöglichkeiten aufgebraucht sind."
Egal, wie man das "Dschungelcamp" aber nun sieht, letztlich fügt sich die Diskussion darüber durch ihren Gesamtverlauf vorbildlich ein ins bisherige Großdebattenjahr 2013 mit den Themen Antisemitismus, Rassismus und Sexismus. Die Debatte selbst ist mittlerweile zum Debattenthema geworden: Der Leitartikel der Süddeutschen Zeitung, ein Essay im Spiegel, noch ein Text im Spiegel, der momentan meistkommentierte Blog bei freitag.de, ein Beitrag über die "demokratische Elastizität" von Twitter am Beispiel von #aufschrei bei "Berlin direkt" – ganz Deutschland diskutiert es gibt am Wochenende und am heutigen Montag diverse Diskussionsbeiträge, die von medialen Prozessen handeln.
Beginnen wir mit einem kulturkritischen Text im (gedruckten) Spiegel, der damit seine hin und wieder auch schon gebrochene Tradition fortsetzt, der digitalen Neuordnung der Medienlandschaft Skepsis entgegenzubringen:
"Nachrichten im sozialen Netz haben keinen Anfang, keinen Ursprung. Sie sind einfach plötzlich da. Erklärungslos, dafür meinungslastig, emotional. Vor allem das. Vor allem geht es darum, etwas sehr gut oder grauenvoll zu finden",
schreibt Ralf Hoppe, der auch meint: "Meinungen regnen nieder, endlos" und der "eine neue Ungenauigkeit" aufziehen sieht. Schlimme Fehldiagnosen stellt er da einerseits sicher nicht. Andererseits werden sich zweifellos ein paar Besserwisser finden, die der Meinung sind, dass ungenaue Meinungsbeiträge von Journalisten, in denen die Ungenauigkeit der Meinungsbeiträge von Bloggern – "Wer waren die Bösen? Gab es Böse? Und wer waren die Guten? (...) Leider gab es keine Antworten, jedenfalls keine verbindlichen. Denn es gab keine Journalisten, die diese Sachverhalte, die ja unangenehm kompliziert sind, genau recherchieren, aufbereiten, erklären konnten" – gegeißelt wird, nicht der Weisheit allerletzter Schluss sind. Mehr dann im Altpapierkorb.
+++ Nicht vergessen sollte der verantwortungsbewusste Fachjournalist über all den Debatten, Episoden von "MILF Island" und Debattendebatten, die das Feld des Medienjournalismus in die anderen Ressorts der Zeitungen hinein erweitern, dass bald Valentinstag ist die Debatten über genuine Medienseitenthemen. Konkret heute und am Wochenende: Google und die Verlage. Sowie die Öffentlich-Rechtlichen und ihr Selbstverständnis.
Gemein ist beiden Themen, dass sie breite gesellschaftliche Debatten losträten, wenn die Welt wäre, wie sie sich manche Kritiker viel zu öffentlich-rechtlicher Medien und viel zu privater Internetunternehmen wünschen. Auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ist in einer Überschrift davon die Rede, dass in Sachen Rundfunkbeitrag "Wut wirkt". Irgendwie hat man dann aber vergessen, die Wut auch in den Text zu schreiben – wie die Funkkorrespondenz bemerkte: "Wer im Text der #FAS (...) die Wörter 'Wut wirkt' findet, hat gewonnen".
Es geht im besagten Text um die vielfach aufgegriffene Meldung, die Stadt Köln wolle, so fasst es die FAS zusammen, "keinen Rundfunkbeitrag mehr überweisen", was sie jetzt zwar doch tue, aber nicht so richtig usw. Kein ganz schlechter Stoff für alle, die es ja schon immer wussten.
Anders klingt diese spezielle Geschichte rund um die Kommunen aber im Spiegel, der schreibt, das Projekt "neuer Rundfunkbeitrag" wirke "wie eine Akzeptanzvernichtungsmaschine für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk" und erhöhe "dramatisch den Legitimationsdruck auf ARD und ZDF, die Anforderungen an Transparenz und eine sinnvolle Verwendung des Geldes für gute Programme", der aber auch einordnet:
"Vieles ist (...) gerade Hysterie. Der 'Aufstand der Kommunen', den das 'Handelsblatt' [siehe auch Altpapier vom Freitag] beispielsweise vergangene Woche beschrieb, um zugleich einen 'Gebührenboykott der Städte' heraufzubeschwören, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als nicht viel mehr denn als Ausdruck von Geburtswehen. Man sei in Gesprächen, heißt es in Köln, von enem Zahlstreik könne keine Rede sein. Man zahle den bisherigen Beitrag – bis die Höhe des neuen Bescheids ermittelt sei."
Eine Meldung wäre das natürlich dummerweise so eher nicht. Die taz schneidet noch einen auch nicht ganz verkehrten Aspekt der Beschäftigung mit den Öffentlich-Rechtlichen an: Wem gehört eigentlich, was sie produzieren? Fragt sich im allmontäglichen Interview auch Friedrich Küppersbusch:
"Ich lese, dass ich bei Sport-Bild eine DVD mit den Bundesliga-Hits der 70er kaufen kann. Cool. Das haben die Öffentlich-Rechtlichen damals gefilmt, von meinem Gebührengeld. Im Grunde gehört mir das also eh. Doch die Öffentlich-Rechtlichen können es laut Gesetzeslage nicht herzeigen – während es Springer mir verkaufen darf. So funktioniert die Verlegerkampagne."
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+++ Und weil da schon das Buzzword Verlegerkampagne gefallen ist, gleich schnell weiter zum Medienseitengroßdebattenthema Google: In Frankreich zahlt Google 60 Millionen Euro in einen Fonds, der der Presse "den Übergang in die digitale Welt" erleichtern soll, der von einem unabhängigen Stiftungsrat kontrolliert werden und der "konkrete neue Projekte" fördern soll, wie es heißt (siehe für Details, auch zum zweiten Teil der Einigung, demnach Google den Verlagen Sonderzugänge zu seinen Plattformen bietet, etwa zeit.de und sueddeutsche.de). Die FAZ findet 60 Millionen "angesichts der Einnahmen von Google in Frankreich und der nicht bezahlten Steuern eine eher lächerliche Summe" (wobei in der gedruckten FAZ von 50 Millionen Euro die Rede ist); wie FAZ-Autor Jürg Altwegg (S. 27) ohnehin nicht begeistert ist über die Einigung:
"Der akzeptierte 'Kompromiss' ist ein Pyrrhussieg der Presse und ein Rückschritt. Und angesichts der Erwartungen in Europa eine herbe Enttäuschung – fast schon ein Verrat. Frankreich macht die hohle Hand, akzeptiert hoffnungsvoll die amerikanische Entwicklungshilfe und verzichtet darauf, weiterhin die Rolle des mutigen Vorreiters zu spielen."
Pragmatischer betrachtet die Lösung sueddeutsche.de (und wird dafür, weil das so nicht in die deutsche Verlegerpolitik passt, von netzwertig gelobt): "Ist Google Freund oder Feind der traditionellen Medienunternehmen? (...) In Frankreich haben die Zeitungshäuser diese Frage nach langem Konflikt jetzt überraschend pragmatisch beantwortet: Sie wollen mit Google gute Geschäfte machen statt einer politischen Dauerfehde." Vorausgegangen war der Einigung eher ausführlicher Konflikt mit den französischen Verlagen. Für den Fall keiner Einigung hatte die französische Regierung eine Art Leistungsschutzrecht wie in Deutschland angedroht (siehe etwa den Spiegel-Online-Text). Springer-Lobbyist Christoph Keese, "prominentester Google-Kontrahent", wie die SZ auf ihrer weitgehend dem Thema gewidmeten Medienseite und sueddeutsche.de schreiben, sieht in der Einigung nun verlässlich genau das, was er gerade braucht, in diesem Fall, dass Google also doch für Snippets zahle, wie von ihm für Deutschland gefordert, auch wenn er die französische Lösung für Deutschland dann erst einmal ablehnt. Kay Oberbeck von Google erkennt in Keeses Einschätzung ein paar Twitter-Antworten darunter dagegen kaum weniger verlässlich "Blödsinn".
Hihihi, hat jetzt überhaupt nichts damit zu tun – aber diese Liz Lemon...: "Jemand hat so viele Fürze in diese Maschine gesteckt, sie wird gleich noch explodieren."
+++ Hat Thomas Gottschalk in "Wetten, dass..?" Werbung für das Tierfutter-Unternehmen Fressnapf gemacht, indem er in einer Fressnapfwette das Wort "Fressnapf" verwendete? Machte er Werbung für einen Blumengroßhändler, als er mehrfach auf den bevorstehenden Valentinstag hinwies? Ein Spiegel-Text im Anschluss an die Titelgeschichte (siehe Altpapier) vor drei Wochen legt das nahe. AUDIatur et altera pars – aber Thomas Gottschalk äußert sich dazu nicht +++ Na ja, jedenfalls ist bald Valentinstag +++
+++ Zurück zur Debattendebatte: "Antisemitismus, Rassismus, Sexismus: Sind diese Debatten notwendig?", fragt im Spiegel Elke Schmitter, deren Text man in einem Aufwasch mit jenem von SZ-Feuilletonchef Andrian Kreye lesen könnte. Bei Schmitter heißt es: "Das Reden über Israel als Bedroher des Weltfriedens ist antisemitisch, das Wort 'Neger' ekelhaft und sexuelle Belästigung jeder Empörung wert. Wo es um die Gekränktheit der anderen geht, sind wir alle in der Vorschule der Empfindsamkeit" +++ Kreye, der den Leitartikel der Süddeutschen schreibt, sieht in der Empörung kein Instrument für zivilisatorisches Vorankommen: "Die Empörung wird langfristig zu einer Debattenmüdigkeit führen. Kurzfristig gibt sie dem Dünkel Zunder" +++
+++ Wie die WAZ und die Westfälische Rundschau das Ende der letzteren publizistisch begleiteten, unter anderem mit zahlreichen Erwähnungen der Zahl 120 – es ist die Zahl der gekündigten Mitarbeiter –, steht in Stefan Niggemeiers Blog +++
+++ Das beliebte Medium Fernsehen ist beliebt: Die FAZ bespricht heute den neuesten Teil von "Stralsund" (ZDF, 20.15 Uhr) und lobt "Tödliches Versprechen", darin werde das Wort "Arschloch" gebraucht, "dass es eine Freude ist", und auch für anderes +++ Zahlreich sind die Rezensionen – letzte Chance, sich auch noch zu äußern – zur am Sonntag bei Sat.1 gestarteten Mega-Geheimtipp-Serie "Homeland, siehe etwa Tagesspiegel, Berliner Zeitung, SZ, FAZ vom Samstag (die gleich die nächste Agentenserie, "The Americans", in den Blick nahm), die FAS... +++ Kaum weniger ausführlich gewürdigt: "House of Cards" (Sky Atlantic, montags, 21 Uhr) mit Kevin Spacey, in der FAZ vom Samstag, der SZ, der taz +++ Der Tagesspiegel schreibt über "Pan Am" mit Christina Ricci (Sixx, 21.20 Uhr) +++ "Günther Jauch"-Frühkritiken zum, wer weiß?, möglichen kommenden Debattenthema Kirche gibt es bei Spiegel Online, FAZ.net und Malte Welding +++ Und Kritiken über die "Goldene Kamera" gibt es auch, in SZ, Berliner Zeitung, bei Spiegel Online +++
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.