Wäre Julia Jäkel in ihrem Verlag überall superbeliebt, wenn sie ein Julian wäre? Google mal nicht als Friend oder Enemy, sondern als Frenemy betrachtet. Die taz analysiert mediensoziologisch die Insolvenz der Frankfurter Rundschau und lobt dabei die FAZ, die trotzdem kein gutes Jahr hatte. Außerdem: ein konstruktiver Vorschlag für Verlage
Falls sich jemand fragt, was man noch lesen soll, weil ohnehin überall das Gleiche drinstehe – hier kommen Dietmar Daths vorweihnachtliche Zeitschriftentipps aus dem FAZ-Feuilleton vom Samstag:
„Konkret“, „Missy“, „Strange Horizons“, „Interzone“, „L Mag“, „Clarkesworld“, „Marxistische Blätter“, „Nature“, „Sight and Sound“, „Times Literary Supplement“, „Ansible“, „Texte zur Kunst“, „Cargo“, „SFX“, „Lapham's Quarterly“, „Rock Hard“, „De:Bug“, „Adel Aktuell“.
Wäre natürlich gut für die genannten 18 Magazine, wenn sich die deswegen jetzt auch noch jemand ins Abo nähme, am besten alle. Aber womöglich sind wir hier bei der sogenannten Medienkrise: Das wird nämlich niemand machen; kein Mensch liest auch nur einen Bruchteil dessen, was ihn interessieren würde, das wäre einfach nicht praktikabel.
Könnte man daher nicht nochmal über eine Art Medienflatrate nachdenken? 100 Euro im Monat, und man kriegt 200 Artikel aus kleineren Medien auf den Computer. Oder 20 Euro an Gruner+Jahr, und man kriegt 40 Artikel aus Dogs, Neon, Stern und Brigitte (und natürlich vor allem dem neuen wirtschaftspolitischen Verlagskernstück, Capital). Das wäre ein Weg, wie ich Geld für, zum Beispiel, den Stern ausgäbe, den ich sonst halt eher nicht kaufe.
+++ So, das war schon mal der konstruktive Vorschlag für heute. Falls ihn jemand "total naiv", "vollkommen verblödet", "uralt" oder "wasndasfürnscheiß" finden sollte – das war natürlich nur ein Test.
Neben Zeitschriftentipps aus der FAZ gibt es aber natürlich auch noch die immer wieder aufs Neue überraschenden und weniger erfreulichen Medienthemen – erlebt "die deutsche Presselandschaft" doch "nach Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit gerade die größte Entlassungswelle seit Bestehen der Bundesrepublik": Die jüngste Quasi-Krisenmeldung (quasi, weil: kein Personalabbau, Rücklagen vorhanden) handelt von der FAZ, die laut Hamburger Abendblatt das Jahr 2012 mit "einem Verlust zwischen zehn und 20 Millionen Euro" abschließen soll.
"Verantwortlich für das Minus soll ein unerwartet heftiger Einbruch des für die 'FAZ' extrem wichtigen Stellenmarkts gewesen sein. Er sei nun auf einem Niveau, auf dem ihn die 'FAZ'-Geschäftsführung erst in fünf Jahren erwartet habe."
Wie gesagt: im Grunde bekannt, die Sache mit dem Geldverdienen und der Anzeigenfinanzierung, die Verluste der FAZ wurden zudem schon vor kurzem in der Zeit angedeutet. Und zugleich immer wieder überraschend, denn gerade die FAZ hat auch einiges richtig gemacht, wie ihr am Wochenende die taz bescheinigt hat. Peter Unfried schrieb darin die bislang beste mediensoziologische Analyse über die Frankfurter Rundschau, die seit ihrer Insolvenz erschienen ist. Und die FAZ hat darin (siehe hierzu auch die kürzlich bei Carta geführte Diskussion über "linke Zeitungen") auch ihre Rolle:
"Speziell in Frankfurt war ein Bekenntnis zur Rundschau immer auch eine Ablehnung der FAZ gewesen. Ein Nein zur Bankenwelt und ein Ja zur Priorität gesellschaftlicher Anliegen. Und nun gibt es ein Problem: Konservative, die sich bewegen, lernen dazu. Aufstiegsgeschichte. Linke, die sich bewegen, geraten unter Verratsverdacht, vor allem bei sich selbst. Abstiegsgeschichte. Die FAZ bewegte sich, hatte irgendwann mehr als nur Geld im Kopf und knackte das Diskursmonopol der anderen Seite, indem sie beide Seiten übernahm. Und heute lesen Leute die FAZ – die Sonntagszeitung FAS sowieso –, von denen man dächte, sie lesen oder läsen immer noch Rundschau oder taz. Aber es ist nicht andersherum."
Gut zu wissen übrigens: dass in Frankfurt offensichtlich kein Mensch von der "FR" spricht. Das Ding heißt "Rundschau". Noch zu wissen: "Um die 'Frankfurter Rundschau' vor der Pleite zu retten, muss nach Ansicht von Insolvenzverwalter Frank Schmitt bis zum Jahresende ein Investor für die schwer angeschlagene Traditionszeitung gefunden werden" (u.a. Handelsblatt via dpa).
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+++ Die FR heißt also Rundschau. Wie die Frau von Ulrich Wickert heißt, weiß man mittlerweile auch: Julia Jäkel, die zum Triumvirat von Gruner+Jahr gehört, war die ganze Seite 3 in der Süddeutschen Zeitung vom Samstag gewidmet. Sowas muss man natürlich würdigen, weil: Mediengesellschaft, und da muss ja auch ein breiteres Publikum das Personal kennen usw. Aber letztlich ist diese Geschichte über Jäkel zu zwei Dritteln Zeitverschwendung; es steht nämlich nichts drin. Also: ja, doch, es steht viel drin, über Jäkels Sprache, ihre Aktenordner, ihre männlichen Vorstandskollegen, über die Einstellung der FTD. Aber das große Narrativ, das oben drüber geklatscht wurde – die Geschichte einer Frau, die in eine hohe Position gelangt – ist auf Indizienbasis etwas zu breit getreten. Evelyn Roll erzählt ausführlich, wie die Neue als Chefin aufgenommen wurde und kommt zu einigen nachvollziehbaren Beobachtungen (etwa dass man als Frau in einer solchen Position sich mehr Mist anhören muss als als Mann). Aber einige sind an den Haaren herbeigezogen:
"Wäre anders berichtet und geurteilt worden, wenn nicht Julia, sondern Julian Jäkel diesen Job übernommen hätte, ein Mann also? Nachweisen kann man das nicht. Andererseits legt Mathias Döpfner, Springers Vorstandsvorsitzender, gerade das Hamburger Abendblatt, die Berliner Morgenpost und die Welt zusammen. Die Medienjournalisten schreiben gar nichts oder applaudieren."
Was wohl bedeuten soll, dass man, wenn man Jäkels Aufstieg verfolgt, aber nicht die nächste Redaktionszusammenlegung bei Springer breit würdigt, ein verschobenes Frauenbild haben muss. Die Vergleichsgröße zu Jäkels Installation in der G+J-Verlagsspitze wäre freilich Mathias Döpfners Installation als Springer-Vorstandschef, nicht seine neueste Sparmaßnahme. Und dazu wurde dann ja doch das eine oder andere Dutzend Texte geschrieben.
+++ Die Mediengeschichte, die uns heute in verschiedenen Medien begegnet, ist jedoch eine andere Springer-Geschichte: die Durchsuchung des Büros und der Wohnung eines Reporters der Berliner Morgenpost (siehe Altpapierkorb vom Freitag). Der soll einem Polizisten Geld für Informationen bezahlt haben. Wie die FAZ am Samstag berichtete und nun der Spiegel berichtet, geht der Journalist bzw. der Verlag gegen die Razzia vor. Die SZ ergänzt (S. 41), der Springer-Verlag wolle "noch ein eigenes Beschwerdeschreiben" einreichen, "verfasst von Rechtsprofessor Alexander Ignor. Dieser hatte im Prozess um die Durchsuchungen bei Cicero die Redaktion erfolgreich vertreten". Im Spiegel heißt es:
"Aus Sicht der Zeitung konnten die Bestechungsvorwürfe gegen den Reporter schon beim Eintreffen der Fahnder am vergangenen Mittwochmorgen entkräftet werden. Zwar zahlte die 'Mopo' einem Beamten des Berliner Landeskriminalamts (LKA), gegen den seit dem Sommer wegen der Weitergabe von Behördeninterna ermittelt wird, tatsächlich 3000 Euro. Dies sei aber keine Bestechung, sondern ein Honorar gewesen, da der Fahnder, ein enger Freund des Reporters, im Jahr 2010 eine gefährliche 'Mopo'-Recherche im Kinderhändler-Milieu in den Niederlanden als Bodyguard begleitete."
Ob der Verdacht auf Bestechung damit ausgeräumt ist, ist bislang nicht klar; der Tagesspiegel nimmt an:
"Der Verdacht auf Bestechung bleibt damit wohl. Wie es aussieht, wussten die Ermittler bereits von dem Nebenjob ihres Kollegen, sehen ihn möglicherweise aber als Tarnung an."
Während der Tagesspiegel sich von den Protesten der Journalistenverbände distanziert ("Ein Einzelfall, dessen Hintergründe unklar sind. Journalistenverbände hindert das nicht, die Aktion als Eingriff in die Pressefreiheit zu rügen"), schreibt die Berliner Zeitung:
"Um die Vorgänge zu erklären, hätte auch eine Vorladung gereicht."
+++ kreuz.net ist seit der Nacht zum Sonntag offline (SZ): "Alles deutet darauf hin, dass es die Urheber eines der bösartigsten deutschsprachigen Hetzportale mit der Angst zu tun bekommen haben. Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Wien ermitteln wegen Volksverhetzung und Beleidigung" +++
+++ In der Debatte ums Leistungsschutzrecht (Altpapier vom Freitag) gibt es neue Stimmen. Zeit-Online-Chef Wolfgang Blau schreibt in der Funkkorrespondenz: "Das Leistungsschutzrecht war eine Machtprobe für den Springer-Verlag, und Springer hat gewonnen. Der Schaden ist vielfältig. (...) Als jemand, der viele Jahre lang vom Silicon Valley aus und nun seit über vier Jahren als Chefredakteur von 'Zeit Online' das Gebaren amerikanischer Unternehmen wie Google, Apple, Facebook und Amazon beobachtet hat, kann ich den Impuls der Verlage und vieler Redakteure, einmal ihre geschlossene Macht zu demonstrieren, gut verstehen. Der Impuls war nur fehlgeleitet, die Kampagne hat kostbare Energien gebunden, das Leistungsschutzrecht lässt die Bundesregierung nun entweder als seltsam netzfremd oder als zynisch erscheinen, und es stehen jetzt weitere monatelange Machtproben zwischen Google und den Verlagen bevor. Die Verlage haben lediglich bewiesen, dass sie immer noch Macht ausüben können, auch über eine Bundesregierung. Geld werden sie von Google kaum bekommen. Google kann auch damit drohen, den Verlagen keinen Traffic mehr zuzuführen, was für einige, aber nicht alle Häuser fatale Folgen hätte." Und er plädiert quasi für eine rückwirkende Offenlegung der Motive für den Einsatz pro oder contra Leistungsschutzrecht +++
+++ Sein sz.de-Kollege Stefan Plöchinger legt derweil einen Teil der Zahlen offen, die sz.de mit Google verbinden und bezeichnet in seinem Blog (und bei Carta) den Konzern als "frenemy", also nicht nur Freund, nicht nur Feind. Und er schreibt: "Ein interessanter Randaspekt am Streit über das Leistungsschutzrecht ist, dass die analogen Verlagsvertreter und die durchschnittlichen Digital-Aktivisten eigentlich näher beisammen sind, als sie denken. Letztere werfen Ersteren in diesem konkreten Fall vor, Klientelpolitik mit schlechten Argumenten zu machen. So be it. Doch abgesehen davon: Grundsätzlich verbindet beide Lager ein diffuses Misstrauen gegenüber Google. Auch Internet-Aktivisten finden es ja gefährlich, wie der Konzern in Sachen Netzneutralität oder beim Polieren von Suchergebnissen agiert" +++
+++ Ein dritter Text, der am Wochenende kursierte, stammt von Philip Klöckner, der einst SEO bei Idealo.de (74,9 % Springer) war und auch jetzt noch als Google-Opfer gelten kann (wie Plöchinger schreibt, was Klöckner selbst bestreitet): Klöckner wirft Google mit guten Argumenten Doppelmoral vor +++
+++ Wer "Adel aktuell" nicht kaufen will, aber trotzdem ein bisschen was von Dietmar Daths Lieblingszeitschrift mitnehmen will, kann heute auch den Spiegel lesen. Das Interview mit Schauspielerin Maria Furtwängler über ihre nicht vorhandenen Ambitionen, eine führende Position im Unternehmen ihres Mannes Hubert Burda zu übernehmen, ist, wie jede Prinzenpaargeschichte, sehr schön bunt. Und jetzt folgt ein Boulevardsatz aus dem Lehrbuch: Eine ihr angedichtete Affäre mit Kai Diekmann leugnet Maria Furtwängler nicht eindeutig. Sie sagt: "Mein Mann soll bei seiner Verlegerin angerufen haben, um sich zu beschweren. An der Geschichte gefällt meinem Mann besonders, dass sie daraufhin angeblich den ersten Journalisten ihres Hauses ins Ausland geschickt hat..." – Spiegel: "...wo 'Bild'-Chef Diekmann ja nun auch sitzt, als Silicon-Valley-Repräsentant seines Verlags. Ergibt also irgendwie Sinn." Huiuiui, wenn dieses halbherzige Demento mal nicht nach hinten losgeht. Wir bleiben dran – Burda und Springer machen's ja nicht +++
+++ In einem für meine Begriffe wenig konstruktiven Text im Tagesspiegel mahnt ein Michael Jürgs irgendwas zur Zeitungskrise an. Was gleich nochmal? Ach, richtig, die Branche soll mal ein bisschen konstruktiver sein. Grmpfl +++ Der vermeintliche eventuelle FTD-Käufer, der dann doch nicht kaufte, könnte laut Meedia ein alter Bekannter des Altpapiers aus Netzeitungs-Zeiten sein, Michael Maier +++
+++ Und zwei Personalien: Vorwärts hat eine neue Chefin: Karin Nink, bisherige stellvertretende Sprecherin der Bundes-SPD +++ Und Robert Thomson, der Rupert Murdochs Wall Street Journal führt, soll dessen neue Zeitungssparte leiten (beides etwa SZ). Schöne Fakten über Thomson und Murdoch für die Rubrik "Unnützes Wissen": "Beide sind Australier, beide haben am 11. März Geburtstag, beide sind mit einer Chinesin verheiratet – und ihre große Leidenschaft ist die Zeitung" +++
+++ Und Fernsehen: "filmisches Fast Food", sagt die SZ (S. 41) zu "In den besten Familien" (ZDF, 20.15 Uhr), einen Film, den auch die FAZ und der Tagesspiegel besprechen +++ Die zweite Hauptrolle unter den Fernsehrezensionen hat Ken Folletts "Die Tore der Welt" (Sat.1, 20.15 Uhr, Teil 1). Die SZ hat Cynthia Nixon getroffen, die mitspielt – die Miranda aus "Sex and the City" (S. 41) ++ Der Tagesspiegel sprach mit Follett +++ Dritte Hauptrolle: Märchen-Neuverfilmungen – über eine Art Trend schreibt die taz +++
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.