Sowohl rechts als auch links

Sowohl rechts als auch links

Warm anziehen: Markus Lanz und die neue Kulisse von Wetten, dass..? werden vorgestellt. Brüche und Kontinuitäten, Altes und Neues. Wie so oft. Außerdem: euphorische Verleger, verblassende Mythen, schmollende Regisseure

Kritische Frage: Hat die Bildergalerie als Supertool des Netzauftritts von Zeitungen, Mailanbietern und sonstigen Webportalen ihren Zenit überschritten?

Der Anlass: die Welt-Bilderschau zum Wiesn-Auftakt. Ältere Leser werden sich erinnern, in früheren Jahren zweifellos ein Highlight, für das allein dapd schon lange sein Boulevard-Angebot hätte gründen müssen. Aber diesmal? Wie Back-Tycoon Heiner Kamps da vor einem Parkplatz seine Freundin Ella Mayer präsentiert, das hat doch keine Klasse. Mag sein, dass die Welt gerade zu sehr eingenommen ist von den Helmut-Kohl-Festspielen und deshalb alle fähigen Leute von der Wiesn-Bilder-Auswahl-und-Betextung abgezogen hat.

Immerhin findet sich in Bild 28/32 (Heino, Gloria von Thurn und Taxis, Florian Silbereisen und Marco Huck) ein schöner Satz, der mitten ins Thema des Tages vorstößt:

"Spannend, wie sich manche Runden zusammen finden."

[+++] Denn gestern wurde endlich die neue Kulisse präsentiert, die Markus Lanz künftig zusammenhalten soll. Die Berliner hat daraus, ernsthaft, ihr Tagesthema (Seite 2) gemacht. Vom Ort des Geschehens berichtet Anne Burgmer:

"Immer wieder kommt Lanz auf seine Talkshow zu sprechen. Auf diesem Gebiet fühlt er sich sicher. Und diese Kernkompetenz will er auch für 'Wetten, dass..?' nutzen. 'Ich wünsche mir, dass wir miteinander und die Gäste und Kandidaten auch untereinander ins Gespräch kommen.'"

Das sind die großen Utopien, die unsere Zeit zur Verfügung hat: Ein Top-Star wie Jennifer Lopez diskutiert mit Rolando Villazon und Pupsie Müller die Eurokrise und Einkaufstipps, während Lanz sich seiner eigenen "Challenge" hingibt, wie der Tribut an Stefan Raabs Samstagabendsendung hier heißt. Hammerst.

Groß ist auch das Video, das DuMonts KSTA vom Pressetermin eingestellt hat. Dort werden die wirklich wichtigen Akzente diskutiert. Da geht's um die Voraussetzung für das plaudernde Miteinander, O-Ton-Lanz:

"Und dazu gehört auch, dass wir nach Möglichkeit versuchen zu verhindern, das Menschen frühzeitig das Studio zu verlassen."

Aber eh irgendeine durchgeknallte Boulevardzeitung "Lanz plant Geiselnahme" titelt, dementiert Lanz sich Anschluss selbst und sagt gleich auch noch das Gegenteil.

Wer solche Feinheiten des Concepting ausführlich gewürdigt wissen will, kommt um Dwdl.de bekanntlich nicht herum. Dort wird der Abstand zum Gegenstand in Einheiten gemessen wird, die in der Mikroskopszene kursieren:

"Die Bühne selbst ist in ihrer Aufteilung recht gleich geblieben, auch wenn die Anmutung freilich eine andere sein wird - sieht man mal von der neuen Lounge und der nach vorne gerückten Couch ab. Die Wetten werden jedoch, bedingt durch die höhere Anzahl, nun sowohl rechts als auch links stattfinden."

Toll ist in diesem Zusammenhang auch das dapd-Video, das stern.de präsentiert. Darin gibt Lanz intime Einblicke ins "überarbeitete Showkonzept" noch einmal exklusiv vor dem Mikro. Auch hier: die Talkshow-Gewichtung.

"Trotzdem glaube ich, dass es möglich sein muss in der knappen Zeit da, wir mal ganz präzise über das eine oder andere sprechen. Natürlich immer mit einem unterhaltenden Anspruch, aber wenn Frau Kraft bei der Gelegenheit sagt, dass sie doch Kanzlerkandidatin wird, nehmen wir auch das."

Man muss kein Prophet sein, um zu verstehen, was das bedeutet: Das Gespräch mit unterhaltendem Charakter, das mit NRWs Ministerpräsidentin Hannelore Kraft in zwei Wochen geführt werden wird, wird um nichts anderes kreisen als die so genannte K-Frage – als beispielhaft darf das knallharte Wowereit-Verhör aus Stefan Niggemeiers Horrorzusammenschnitt von Lanzens Arbeit gelten (ab 1.37).

Wem etwas mehr Distanz lieber ist, dem sei Hans Hoffs Beobachtung des Termins in der SZ (Seite 31) empfohlen.

"Und dann kommt die Mädchenfrage. Was zieht er an? 'Wir haben so eine Idee, aber wir haben nicht vor, alte Teppiche aufarbeiten zu lassen.' Hoho, ganz schön frech, der Lanz, raunt es im Saal. Das spürt der Lanz und qualifiziert sich gleich für einen Diplomatenjob: 'Nur Thomas darf das. Er ist ein Paradiesvogel, wie er im Buche steht. Bei mir würde es als Anbiederung verstanden.'"

Dort steht schließlich auch die Zahl, die über Lanzens Erfolg entscheiden wird:

"Programmdirektor Norbert Himmler kommentiert die von Intendant Thomas Bellut als Ziel ausgegebenen acht Millionen vielsagend: 'Ich bin mir sicher, wir werden am Sonntag alle zufrieden sein.'"

Um Thomas Gehringer im Tagesspiegel zu zitieren:

"Ob sich das ZDF mit Markus Lanz etwas getraut hat, bleibt abzuwarten."

Bemerkenswert ist, dass Lanz bei Überschriften schon mal Kreativität freisetzt: "Lanz allein" (SZ), "Veronica, der Lanz ist da" (TSP), "Watten, dass..?" (Berliner).

Außerdem gibt es flankierende Texte zum Thema. Klaudia Wick schreibt eine kurze Geschichte der Samstagabendunterhaltung aus dem Geist von Radio und Revue.

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"Die Tücke steckt auch bei der großen Sonnabendabendunterhaltung wie so oft im Detail: Wer für den Zuschauer ein interessanter Prominenter ist, und an welchen Spielen das Publikum Vergnügen finden, ist dem Zeitgeist geschuldet."

Den muss man sich wohl wie einen Hasen vorstellen, der manchen Haken schlägt, wenn in der ersten Lanz-Sendung der Rapper Cro die Jugend vor den Bildschirm locken soll, während Campinos Tote Hosen demnach die Wünsche älterer Zuschauer befriedigen sollen.

Alt ist überhaupt ein gutes Stichwort. Joachim Huber kommt im Tagesspiegel nämlich zu dem Schluss, dass es in der Samstagabendunterhaltung schon länger nichts Neues gegeben hat.

"Das ZDF hat keine Idee für eine echte Novität, RTL hat auch keine. Beide Sender haben nur Einfälle, wie sie die früheren Quotenerfolge prolongieren können. Wobei, und das ist erstaunlich, das öffentlich-rechtliche ZDF mit dem neuen (Talk-)Moderator Markus Lanz das größere Risiko geht als die kommerzielle Konkurrenz mit Dieter 'Teflon' Bohlen."

Wie schwer das mit dem wirklichen neuen Neuen allerdings ist, kann man auch daran sehen, dass Huber am Schluss seines Textes als Arbeitsaufgabe an die Redakteure in den Unterhaltungsredaktionen nichts anderes einfällt als dieser Vorschlag:

"Müssten nicht alle hirnen, welche Show dem fehlgeleiteten Unterhaltungsgenie Thomas Gottschalk anzubieten wäre?"

Wie wäre es mit einer täglichen Liveshow am, sagen wir, Vorabend, in der das Unterhaltungsgenie zu seinen Wurzeln als Radiomoderator zurückgekehrt und in einem heimeligen, sagen wir, Berliner Studio einen bunten Tagesmix und interessante Gespräche mit Prominenten präsentiert?


ALTPAPIERKORB

+++ Steffen Grimberg wundert sich in der TAZ, dass die Zeitungsverleger bei ihrem Kongress plötzlich so euphorisch drauf sind: "'Die deutschen Zeitungen sind wirtschaftlich stark', hieß es gestern auf dem Kongress des Bund Deutscher Zeitungsverleger in Berlin. Bang, das sitzt. 'Wir werden unsere Position halten, vorausgesetzt, die Eurokrise stürzt die deutsche Wirtschaft nicht in einen steilen Abschwung', zack, na bitte, geht doch. Das war zwar nie anders, nur gesagt haben sie es nie." +++ Wirkt das Leistungsschutzrecht schon? Christian Meier vermisste auf meedia.de Plädoyers dafür. Die zuständige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger klang offenbar eher distanziert: "Unterm Strich verriet Leutheusser-Schnarrenberger natürlich die Ziele der schwarz-gelben Koalition nicht – aber sie ließ doch eine nicht ganz so kleine Distanz zum Leistungsschutzrecht erkennen. Eine Kampfrede für ein solch ambitioniertes Vorhaben hätte sich anders angehört als ihr Auftritt." Weshalb für Meier der Auftritt des Piraten Bruno Kramm letztlich einen kathartischen Sinn ergibt: "Oder sollte die Einladung eines Piraten-Politikers helfen, die eigenen Reihen etwas besser zu schließen? Weil ein gemeinsames Feindbild immer stablisierend wirkt? Falls es so wäre, ist der Plan nicht aufgegangen." +++ Der SZ-Bericht klingt wenig aufregend: "Helmut Heinen hatte in seiner Rede bedauert, dass sich die Regierung, was das Leistungsschutzrecht betrifft, 'nur zu einer sehr kleinen Lösung habe durchringen können'." +++ Ganz und gar nicht euphorisch: Christian Jakubetzens Bericht über die Lage in Nürnberg via Carta. +++

+++ Nicht sicher ist sich Thomas Thiel in der FAZ, was von der Spiegel-Affäre nach 50 Jahren und der Feierlichkeit mit kritischen Historikern am Wochenende in Hamburg (Altpapier von gestern) noch übrigbleibt, wo doch fast alle Mythen dekonstruiert wurden: "Man wusste am Ende nicht ganz, ob man nun die vorbildliche Selbstkritik des 'Spiegel' auf das sichere Gefühl einer gefestigten Demokratie zurückführen sollte, von dem Schmidt sprach. Oder auf den Versuch, sich aus dem Schatten Augsteins zu lösen, der beim letzten Jubiläum im Jahr 2002 noch selbst die Deutungslinien in der Hand hielt." +++ Das neue, Spiegel eigene Blog von Stefan Niggemeier und Marcel Rosenbach berichtete bekanntlich über die Zusammenkunft ausführlich. Und Niggemeier kündigt das neue Korrektur-Kommunikations-Tool in seinem eigenen Blog an, wo man dann merken kann, dass etwas auf der Strecke bleibt, wenn große Unternehmen sich Formen bedienen, die für den Einzelnen gemacht sind: So offiziös, oder umgekehrt: so wenig subjektiv, klang jedenfalls noch kein Post von Niggemeier. +++ In der Berliner (Seite 26) handelt Ulrike Simon ausführlich von der Affäre selbst und weniger von deren Neubewertung. +++

+++ Im Tagesspiegel schreibt Sonja Pohlmann unter Einsatz einer Kindermetapher (die doch eher eine Elternmetapher ist: "Bis einer heult!") über das neue, gedruckte Magazin der Website "The European". +++ Cristina Nord widmet sich (wie letzte Woche schon Frédéric Jaeger auf critic.de) in der TAZ dem Umstand, dass Til Schweiger seine mit Steuergeld geförderten Filme nicht vorab der Presse vorführt. Ist wohl in Ordnung, wie Nachfragen bei wenig auskunftswilligen Verantwortlichen zeigen: "Eine Sprecherin der FFA - die Anstalt ist mit 300.000 Euro Verleihförderung und 300.000 Euro Medienleistungen im Spiel - sagt: "Es ist die Entscheidung des Produzenten, wie er seine Filme vermarktet." Sie möchte namentlich nicht genannt werden, da es an ihrer Chefin ist, sich zur Sache zu äußern, die aber hat keine Zeit. Ähnlich beim Medienboard: Kirsten Niehuus, für die Filmförderung verantwortlich, hat zu viele Termine für eine Stellungnahme, ihre Sprecherinnen möchten sich inhaltlich nicht äußern." Keine Zeit, wer hat sie nicht? +++ Über die Zeitungskrise in Israel informiert ebenfalls die TAZ. +++ In der SZ empfiehlt Annette Ramelsberger groß das neue ARD-Radiofeature: Ulrich Chaussys "Genosse V-Mann, Kamerad Quelle" gibt fragwürdige Einblicke in die Arbeit der Spitzel. "Denn Chaussy spürt den französischen Spitzel auf, der den Rechtsradikalen Martin Wiese begleitete, als der einen Sprengstoffanschlag auf die Grundsteinlegung für das jüdische Gemeindezentrum in München plante. Und er problematisiert, ob Wiese oder nicht doch eher der Spitzel die Frage nach 'dem großen Bumm' stellte."

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.

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