TV-Hammer (Express): RTL setzt Schreyls Marco ab. Ebenfalls abgesetzt wird "Der Marker" von ZDF-Kultur – der Status des ganzen ein Jahr alten Digitalkanals lautet damit: "Es ist kompliziert." Das "Morgenmagazin" wird derweil 20 – und hat Zuschauer, die noch laufen können
Tag der Absetzung: a) RTL setzt Marco Schreyl bei "DSDS" und "Supertalent" ab (Frankfurter Rundschau / Berliner Zeitung). b) Das ZDF setzt, wohl zum 30. September, den "Marker" von ZDF-Kultur ab.
Die Sache mit Schreyl: Die ist halt einfach so, wie sie ist. Und wer ein klein wenig mehr darüber erfahren will, warum ein Sender den Moderator von Shows austauscht, die keinen Moderator brauchen, weil sie nebenbei zum Beispiel Bohlen, Gottschalk und Hunziker als Jury haben, klickt zum Express, der diesen "TV-Hammer" in seiner Werkzeugkiste entdeckt hat.
Die zweite Sache, die mit dem "Marker", ist möglicherweise eher von medienpolitischer Bedeutung: Die Einstellung des "Markers", der täglich beim 2011 gestarteten ZDF-Digitalsender ZDF-Kultur über die "Popkultur aus der analogen und digitalen Alltagswelt" berichtet, wird von DWDL (wo der ausführlichste und erste Beitrag zum Thema eingestellt wurde), als möglicher "Anfang vom Ende von ZDFkultur" gedeutet. Auch der Tagesspiegel fragt: "ZDFkultur, quo vadis?" Status-Update für den Kanal also: "Es ist kompliziert."
Während der Tagesspiegel noch ein wenig Restunklarheit über die Absetzung lässt und schreibt, das ZDF habe "das Aus auf Anfrage nicht bestätigt", heißt es bei quotenmeter.de, "(e)ntsprechende Spekulationen" habe die Pressestelle in Mainz bestätigt.
Das platzfüllende Interview, das ZDF-Intendant Thomas Bellut vergangene Woche der Zeit gab (siehe Altpapier), gewinnt so im Nachhinein an Newswert, denn darin hatte Bellut, schön verpackt mit ein paar Rüschen, mitgeteilt, dass die Kanäle ZDF-Neo und ZDF-Info für ihn Vorrang vor ZDF-Kultur besäßen. Vor dem Hintergrund der Sparauflagen, die dem ZDF von der Gebührenkommission KEF auferlegt wurden, wurde er zitiert: "Wir müssen uns schon fragen, wie viele Digitalkanäle wir stemmen können."
Womöglich, aber womöglich natürlich auch nicht, lautet die Antwort also: zwei. Zwei erwähnenswerte Stellungnahmen gibt es noch: Medienjournalist Peer Schader twittert zum Thema: "Wieviele @derMarker Sendungen entsprechen wohl dem Budget von einem Tag ?#Fußballstrand??" Und die Gewerkschaft Verdi kritisiert in einem ZDF-internen Schreiben, das DWDL zitiert, dass "die zuständige Redaktion des 'Markers' (...) jedenfalls nicht eingebunden worden" sei und weist "darauf hin, dass 'Der Marker' bislang von vielen Mitarbeitern gemacht wurde, 'die arbeitsrechtlich schlecht abgesichert' seien".
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Die taz umkreist das Thema eher indirekt, mit einer Rezension der ZDF-Kultur-Sendung "TV Noir", eines in Berlin-Neukölln vor Publikum live aufgezeichneten Talk- und Livemusik-Formats, dem nachgesagt wird, es belebe die guten Zeiten des Musikfernsehens wieder. Im taz-Text gibt es keinen Link zur "Marker"-Einstellung, aber doch ein paar Zahlen zur Frage, wie Fernsehen für Leute funktioniert, die zwar fernsehen, sich aber ihren Tagesablauf nicht mehr nach Programmzeitschrift zusammenstellen:
"Der Musiktalk im Retrolook ist äußerst erfolgreich: Die Shows sind innerhalb weniger Stunden ausverkauft, auf Facebook hat die Sendung knapp 37.000 Fans. Eine Million Klicks bei YouTube zählt 'TV Noir' jeden Monat, die meisten für die online gestellten Musiksequenzen aus den Shows. Dagegen nehmen sich die 0,1 Prozent Marktanteil, die man auf ZDFkultur im Schnitt erreicht, eher mager aus. (...) Wie viele Nutzer den Musiktalk unabhängig vom linearen Fernsehprogramm on demand in der ZDF-Mediathek abrufen, ermittelt ZDFkultur leider (noch) nicht. Dabei wären diese Zahlen eigentlich die interessanteren, da man die Zielgruppe von 'TV Noir' freitags um 23 Uhr kaum vor dem Fernseher vermutet."
Die Zielgruppe des "Morgenmagazins" von ARD und ZDF ist da womöglich durchschaubarer: Die Bewegtbildvariante des Frühstücksküchenradios dürfte kaum zeitversetzt gesehen werden.
"Nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung haben mittlerweile 600 000 Haushalte einen Fernseher in der Küche stehen. Bei 44 Prozent davon läuft öffentlich-rechtliches Frühstücksprogramm",
schreibt der Tagesspiegel zum 20. Geburtstag des "Morgenmagazins", dessen Zuschauer "durch die Wohnung" liefen, während es auf Sendung sei. Bewegtbildradio eben. Immerhin: Wer läuft, rostet ja nicht. Noch eine Hammerinfo: Dunya Halali fährt jeden Morgen Taxi zur Arbeit. Hallo? S-Bahn?
Die Süddeutsche Zeitung widmet ihren Medienseitenaufmacher dagegen heute, anders als taz und Tagesspiegel, nicht der Fernseh-, sondern der Internetnutzung.
"Die Abwanderungsströme der User von klassischen Suchmaschinen zu sozialen Netzwerken einerseits, von Heim-PCs zu mobilen Endgeräten andererseits, strukturieren das Netz neu, das Internet bekommt ein anderes Gesicht. Wie es einmal aussehen wird, hängt dabei zu einem großen Teil davon ab, wie sich die Werbung in die neuen Strukturen integrieren lässt."
Vielleicht ja mit einem Internet-Hammer?
+++ Um eine zentrale Mediengeschichte der vergangenen Tage weiterzuführen: Nachdem sich alle üblichen Verdächtigen zum Vatikan-Titanic-Rechtsstreit geäußert haben, kündigt die Satirezeitschrift für die August-Ausgabe ein weiteres Papst-Cover an (Spiegel Online) +++
+++ Die Wikipedia ist Thema der FAZ: "Eine Benutzerin, die unter dem Pseudonym 'Liesbeth' schrieb, unterhielt mindestens fünfzehn weitere aktive Benutzerkonten und manipulierte damit Administratoren-Wahlen", was zu Liesbeths Sperrung geführt habe. "In den anhaltenden Diskussionen über den Vorfall wird vermutet, dass sie längst einen 'Schläfer' aktiviert hat und weiterschreibt" +++
+++ Die meisten weiteren Medienartikel des Tages befassen sich mit den Öffentlich-Rechtlichen: Ebenfalls Thema der FAZ – der Aufmacher des Medienressorts (S. 33) – ist, nach dem "ungeheuer freundlichen Drehbericht" aus der SZ gestern (Altpapier), der ZDF-Dreiteiler über das Berliner Hotel "Adlon", der Anfang 2013 laufen soll, von natürlich Oliver Berben, der natürlich präzisiert, dass es nicht um das Adlon gehe, sondern um „die deutsche Geschichte anhand des Hotels Adlon“. Wer braucht Schulbücher, wenn es Dreiteiler gibt. Ungeheuer unfreundlich ist dieser FAZ-Drehbericht nun auch nicht +++
+++ Der Tagesspiegel berichtet über eine neue Personalaufstellung für die Champions-League-Übertragungen des ZDF: Katrin Müller-Hohenstein hat demnach während der Spiele Zeit für ihren 17-jährigen Sohn, der - vielleicht mal ein Fun fact für eine Bela-Rethy-Moderation - bald Abitur macht +++ Die FAZ bespricht die "exzellente", von der BBC produzierte Horrorserie "The Fades", deren erste Staffel heute bei ZDF-Neo startet +++ Die SZ (S. 31) bespricht derweil weder schwarz noch weiß den ZDF-Psychothriller-Genrefilm "Davon willst du nichts wissen" (23.30 Uhr) +++
Das Altpapier gibt es wieder am Montag.