Der Spiegel könnte für die rechtsextreme "Paulchen Panther"-DVD gezahlt haben. Und erkennt "Krieg" zwischen ZDF und ARD. Außerdem: heitere Sekunden mit Til Schweiger, freie Journalisten-Jobs im Schwarzwald.
Auf der medialen Seite der späten Aufdeckung der gespenstischen Neonazi-Mordserie gibt es Neues. Das Medienmagazin des NDR-Fernsehens, Zapp, hat es zutage gefördert: Für dank einer "Sperrfrist" "exklusive Vorabrechte" am sogenannten Bekennervideo, dessen Missbrauch des rosaroten Panthers hier bereits Thema war, soll Geld geflossen sein. Und zwar vom Spiegel, der es online, im Fernsehen und gedruckt als erster verwertete. Immerhin seien nicht Rechtsextreme bezahlt worden, sondern sozusagen im Gegenteil das "antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum" apabiz.de, dem eine DVD womöglich früher als anderen, die sie später ohne zu bezahlen auch hatten, zugesandt wurde.
Hier ist das knapp fünfminütige Zapp-Video zu sehen, in dem Hendrik Zörner vom DJV von "Scheckbuchjournalismus" spricht und Kai Gniffke aus der im NDR benachbarten Tagesschau-Redaktion (der sein Bloggen im August eingestellt zu haben scheint) sich auch gern entsprechend äußert. Hier fasst der Tagesspiegel die Sache in Textform zusammen.
Weitere mediale Seitenstränge des Themas folgen später im Altpapierkorb. Jetzt über den Tellerrand hinein in die eigentliche Medienbranche: Til Schweiger (auf dem Foto im Klassiker "Manta, Manta", den der RBB kürzlich zeigte) soll also, ebenfalls beim NDR, "Tatort"-Kommissar werden. Diese Meldung prescht von der Titelseite der gestrigen Bild-Zeitung (und aus dem gestrigen Altpapierkorb) natürlich ganz nach oben auf die Agenda der Medienmedien.
Sie erweist sich als Fest für Online-Voting- und Klickstrecken-Gestalter, für Journalisten, die bunte Zeitungsseiten füllen müssen oder mit nichts Neuem weitere Page Impressions generieren wollen. Wem der Sinn nach ein paar heiteren Sekunden mit Schweiger steht, empfehlen wir die Plot-Prognosen von jetzt.de.
Bloß Journalisten, die auf so viel Platz, wie der erwartbaren Beachtung der Meldung in etwa entspricht, zusammenfassen müssen, dass Til Schweiger "künftig an der Alster ermitteln" könnte, obwohl weiterhin keine belastbareren Aussagen vorliegen als gestern der Bild-Zeitung ("Ich äußere mich nicht zu Spekulationen!", "An Spekulationen beteiligen wir uns nicht"), haben's schwer. Der Tagesspiegel plaudert seine Zeilen aus der International Movie Database voll. "Dass Schweiger, der seit langem hauptsächlich fürs Kino arbeitet ('Kokowääh'), hauptberuflich ins TV wechselt, darf allerdings als unwahrscheinlich gelten", pflichtet knapp die Süddeutsche bei. Dass Schweigers Management sich auch nicht zu Spekulationen äußert, hat die TAZ exklusiv.
Es gibt an diesem Donnerstag aber auch harte News über künftige oder schon laufende Konflikte der Medienbranche. Einen deckt, nahezu exklusiv, und dieses Mal garantiert ohne dafür gezahlt zu haben, Spiegel Online auf: eine "versteckte Kriegserklärung" des ZDF an die ARD. Quelle: eine "läppische Notiz", die das ZDF gestern versandte. SPON verlinkt natürlich nicht zur Notiz, sondern lediglich aufs eigene, wenig brauchbare Archiv; um diese Meldung geht es.
Was das ZDF unter der exemplarisch nichtssagenden Überschrift "ZDF schärft Informationsprofil im Tagesprogramm" mitteilte: dass es ab 2012 auch im Vormittagsprogramm eigene Kurznachrichtensendungen unter dem "heute"-Logo senden will anstatt die "Tagesschauen" der ARD zu übernehmen. Was Spiegel-Redakteur Markus Brauck unter der Überschrift "Kampfansage am Morgen" hineininterpretiert: "Familienstreit", "endgültig... Konfrontation mit der ARD", ein "Symbol der Zusammenarbeit, das hier geopfert wird" und "vergiftetes" Klima, um nur ein paar Reizworte zu zitieren. Ach so, und, gewiss mit Recht, dass "eines der wenigen Sparmodelle im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, die seit Jahrzehnten funktionieren", beendet wird.
Der Hinweis auf all die Adelshochzeiten, die ARD und ZDF mit jeweils anderem Bildmaterial
so gern gleichzeitig übertragen, und dutzende weiterer Belege dafür, dass die gebührenfinanzierten Sender wenn schon kaum dem Privatfernsehen, dann immerhin einander Konkurrenz machen, werden gewiss hinzugefügt werden, sobald der Spiegel eine vielseitige Print-Story daraus gestrickt haben wird.
Andere Medienbeobachter sehen die Vormittagsnachrichten gelassener. "Die Frage ist nun, ob die ARD dabei bleibt, in den Wochen des ZDF-Morgenmagazins die heute-Nachrichten zu senden" (Süddeutsche). Michael Hanfeld glossiert in der FAZ, dass am nachrichtensendungsmäßiger entscheidenderen Abend "das ZDF augenscheinlich die ARD-Krankheit" bekomme: "Preisfrage: Was ist das? 21.15 Uhr, 21.45 Uhr, 21.55 Uhr, 22 Uhr, 22.05 Uhr, 22.30 Uhr, 22.40 Uhr, 22.45 Uhr." Es handelt sich um die Anfangszeiten des heute-journals, das wegen Fußballspielen, Claus-Kleber-Reportagen oder Jörg Pilawa, der in der Tat seine Quizshows dermaßen überzieht, als sei er entgegen aller Dementis doch Thomas Gottschalk, laufend zu unterschiedlichen Anfangszeiten beginnt.
[listbox:title=Artikel des Tages[Zapp über den Bekennervideo-Handel##SPON über ZDF-ARD-"Krieg"##TAZ über Streikbrechersuche via Xing##Schwarzwälder Streikbote##Schweiger-"Tatort"-Plotprognose (jetzt.de)]]
Damit aus dem hohen Norden in den Schwarzwald und aus dem Fernsehen in die Papierzeitungsbranche, aber auch in die sogenannten sozialen Netzwerke. Eine interessante und scheinbar funktionierende Verbindung zwischen diesen beiden Mediengattungen haben die TAZ bzw. Altpapier-Autor René Martens entdeckt: Bei der Mediengruppe um den Schwarzwälder Boten, dessen Journalisten bereits seit Wochen für die Tarifbindung streiken, setzen Führungskräfte Xing ein, das "Business-Netzwerk" aus Hubert Burdas Medienimperium, um Botschaften wie diese an potenzielle Interessenten, also "Söldner" zu schicken:
"Der Schwarzwälder Bote, eine der großen Lokalzeitungen in Baden-Württemberg, befindet sich zurzeit in einer Streiksituation und sucht für sofort freie Redakteure […], die einspringen, um das Erscheinen einzelner Lokalausgaben abzusichern. Deren Aufgabe ist die Unterstützung in der Seitenproduktion […]. Für Unterkunft wird auf Wunsch verlagsseits gesorgt."
Wie man das auch formulieren könnte (oder es auf B2B-Ebene vielleicht ja formuliert wurde):
"Euch freien Journalisten geht es eh so schlecht, euch kann man alles anbieten."
Altpapierkorb
+++ Hans Leyendecker hat für die Süddeutsche (S. 6) mit Helmut Roewer, dem jetzt heftig kritisierten Ex-Verfassungsschutz-Chef Thüringens gesprochen. Was dieser, "etwas verdruckst und auch nicht sehr hoffnungsfroh" klingend, unter anderem erzählte: "Der Verfassungsschutz habe unter einer Legende Firmen gegründet, die dann Aufträge an TV-Journalisten vergeben hätten. Auftrag sei es gewesen, möglichst viele Bilder und Töne von Rechtsradikalen zu erhalten, um das Material mit den Erkenntnissen des Amtes abgleichen zu können. Die Fernsehleute hätten Bilder geliefert, die Beamte normalerweise nie bekommen hätten." Allzu viel Glauben scheint Leyendecker Roewer aber nicht zu schenken. +++ Indessen schaute die FAZ (S. 35) in rechtsextreme Foren wie das "Facebook für Rechte" namens "Thiazi", dessen Server in Texas steht, und entdeckte "Häme und Hass". +++ Kritik am Begriff "Döner-Morde" äußert nun auch Stefan Kuzmany bei SPON. +++
+++ Heute abend: die 500. "Maybrit Illner"-Sendung. Bzw.: "Wenn man behaupten würde, der Wechsel des Sendetitels", da die Show früher ja "Berlin Mitte" hieß, "sei die größte Veränderung in zwölf Jahren gewesen, wäre das natürlich sofort ein Grund für Maybrit Illner, detailgenau ungefähr 33 weitere Veränderungen aufzulisten", die außer ihr aber niemandem aufgefallen sind: So leitet Christopher Keil seine Laudatio in der Süddeutschen ein, in der er Illner dann den "gesamtdeutschen Gegenentwurf zu Sabine Christiansen: charmant, nahezu angstfrei, keck und nur ein bisschen rechthaberisch" nennt. +++ "Sie ist fix, sie ist helle, ihre Gesprächsführung ist selten lahm, bisweilen wird es laut und chaotisch, aber das ist, in Maßen, einer Talkshow nicht abträglich", würde Michael Hanfeld (FAZ, S. 35) sagen. +++ Frei online: die grundsätzlichen Gedanken zum ZDF, die Ulrike Simon aus dem Jubiläumsanlass in der Berliner Zeitung bündelt. +++
+++ Was wird aus Julian Assange? Großbritannien-Experte Steffen Grimberg erklärt in der TAZ, wie schwer es dem Wikileaks-Chef fallen dürfte, bis zum 5. Dezember den High Court davon zu "überzeugen, dass sein Fall übergeordnete Bedeutung hat und über seine Person hinaus von 'allgemeinem Interesse' für die 'britische Rechtspflege' ist". +++ Dass Assange schon mit seiner Auslieferung nach Schweden rechnet, entnimmt Gunnar Herrmann, Schweden-Korrespondent der Süddeutschen, der Tatsache, dass er bereits das Stockholmer PR-Büro Ullman angeheuert hat: "Die Profis sollen ihm dabei helfen, während eines möglichen Gerichtsverfahrens die Medien bei Laune zu halten", es sei bereits eine Grundsatzdebatte in schwedischen PR-Branche im Gange. +++
+++ Mehr Pilawa: Die Berliner Zeitung, die spät, aber umso umfassender ins Geschäft der Fernseh-Nachtkritik einstieg, bringt eine solche seiner gestrigen Show. +++ Der KSTA inzwischen auch online ein gewaltiges Warum-er-nicht-"Wetten,dass...?"-Moderator-wird-Interview. Pilawa sagt darin den großen Satz "Bei der momentanen Flut von Talkshows wäre noch eine Talkshow kontraproduktiv, das ist auf Eis gelegt", und fügt, als man fast seine Meinung über ihn revidieren wollen könnte, hinzu: "Und der beste Talker ist sowieso Markus Lanz. Ich finde, das wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet." +++ Aber Michael Hanfeld beachtet so was. Und nennt in seinem Illner-Text die Lanz-Show, in der auch Illner auftrat, "eine Geisterstunde, befeuert von Markus Lanz, der stets auf der Suche nach der nächsten flachen Pointe ist". +++
+++ Indes einer nicht im Fernsehen übertragenen Talkshow mit Norbert Lammert und Günther Jauch (der darin sagte, "die Politik müsse sich fragen lassen, warum sie beispielsweise für kommerzielle Sender so uninteressant geworden sei") wohnten der Tsp. bzw. die KNA bei. +++ Dem Dreh eines WDR-Spielfilms in Marokko über Bundeswehrsoldaten in Afghanistan wohnte die FAZ bei. "Er habe sich von Kathryn Bigelows Irakkriegsdrama 'The Hurt Locker' inspirieren lassen, erzählt der Regisseur Till Endemann". +++ "Bedenkenträger, Ideentöter und chronische Abwinker müssen entmachtet werden", fordert für den Fernsehfilm an sich Else Buschheuer (TAZ). +++
+++ Weitere Einschätzungen der neuen Philosophie-Zeitschriften (siehe Altpapier gestern): mit Distanz zu den aristotelischen Ansätzen schaute Sonja Pohlmann (Tagesspiegel) sie sich an, fand die Cover "wenig ansprechend" bzw das von Hohe Luft Brand Eins "zum Verwechseln ähnlich" - obwohl doch Philosophie Magazin-Chefredakteur Wolfram Eilenberger, "Philosoph und früher Autor des Tagesspiegel", ihr erzählte, dass "Philosophie ...nicht nur von alten Männern betrieben" werde, sondern auch "eine weibliche Leidenschaft" sei. +++ Wenigstens eine der Zeitschriften hätte Sophie heißen sollen, findet Willi Winkler in seinem Feuilleton (SZ-Medienseite 17), lobt indes an Hohe Luft, obwohl er so einige inhaltliche Fehler fand, "gutes Papier" und "anspruchsvolles Layout". +++
+++ Mehr Neues aus dem Netz: "Grenzwert für Interaktionsrate" bei Facebook "entdeckt"! (allfacebook.de). +++ Interessanter kleiner Kommentarstreit zwischen Don Alphonso und Peter Posztos (tegernseerstimme.de) unter dem meedia.de-Bericht über solch "professionellen Graswurzel-Journalismus" wie den der tegernseerstimme.de. +++ "Eigenartigerweise sind deutsche Medienmanager in der Regel so dämlich wie überall, sie sind anfällig für Trends und Moden wie fünfzehnjährige Mädchen. Wie der Übergang zur digitalen Medienwelt gemanagt wurde, war und ist einfach lächerlich und hat meinen Glauben an die Fähigkeiten dauerhaft beschädigt": Da, in einem Interview mit newsroom.de, lehnt sich Klaus Boldt für einen Reporter des managerfreundlichen Manager Magazin ganz schön weit aus dem Fenster. +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.