Der größte Verlierer des MDR-Debakels heißt nicht Bernd Hilder, schreibt die SZ, die Sächsische Staatskanzlei widerlegt eine Fernsehthese von Sibylle Berg, und ProSiebenSat.1 plant einen Sender für die Senioren ab 40
Fangen wir einfach da an, wo wir gestern aufgehört haben: beim MDR. Im publizistischen Ausstoßvergleich zu gestern, aber nur im direkten Vergleich, ist qua Schnaufpause wenig los an der Staatsfernefront, aber ein bisschen was natürlich schon: Wiederholt wird etwa die schon gestern anderswo geäußerte Einschätzung, wer nun für die Intendanz theoretisch "ins Spiel gebracht werden" könnte: MDR-Justiziarin Karola Wille – "heißt es", heißt es in der taz.
Was, so es so käme, insofern bei oberflächlicher Betrachtung als Pointe zu bezeichnen wäre, als von der verhinderten Staatsnähe des MDR-Intendanten am Ende eine Frau profitierte, der Mitte August noch Systemtreue zum Vorwurf gemacht wurde; von welchem Nonkonformisten auch immer, ausformuliert jedenfalls vom Spiegel (zitiert auch im Altpapierkorb von damals):
"Nach der Wende hatte sie an der Fernuniversität Hagen einen zweiten Abschluss in Rechtswissenschaft gemacht – ein Neuanfang. So blieb bisher verborgen, dass Wille noch 1985 an der Universität Jena eine Dissertation verfasste, in der sie dem Sozialismus huldigt."
Dass der Typus politikferner Kandidat von außen, der gestern hier noch als wahrscheinlicher genannt wurde, noch im Rennen ist, versteht sich natürlich von selbst. Was bleibt von der Ablehnung des Kandidaten Bernd Hilder, dem der eine oder andere Wutbürger eine gewisse Nähe zur sächsischen Staatskanzlei nachsagt, obwohl es ja bis dorthin nun doch 114 Kilometer von seinem Arbeitsplatz bei der Leipziger Volkszeitung aus sind (siehe Foto), ist heute immer noch dies:
"Das Votum des Rundfunkrats darf auch als deutliches Signal an die Politik interpretiert werden, dass sie sich aus der Intendantenwahl herauszuhalten habe." (Funkkorrespondenz)
Vor allem aber auch dies: Der "ganz große Verlierer des Debakels" heiße Johannes Beermann, zitiert die SZ (S. 19) einen thüringischen Christdemokraten, also einen Parteifreund Beermanns.
"Beermann selbst ist nicht ganz unschuldig an der Niederlage seines Kandidaten. Im Auftrag von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ist er Medien-Koordinator für die B-Länder – also für die CDU-geführten Bundesländer. In dieser Funktion sollte er sich allerdings auch auf Florett und Feinmotorik verstehen – denn Medienpolitik ist im Länderkreis nur im Konsens möglich. Für die Intendanten-Wahl in Sachsen aber bediente sich Beermann eher der Holzhammermethode. Allzu massiv wurde versucht, den Kandidaten der Staatskanzlei durchzudrücken."
Noch eine Passage aus dem auch oben, im Karola-Wille-Bereich, verlinkten Spiegel-Text vom August ist es, die hier Einfluss auf die Personalbeurteilung zu haben scheint:
"Unverhohlen kritisierte der Politiker, von dem manch staatsnah empfindender Mitarbeiter im MDR auch eine gewisse Fürsorgepflicht erwartete, im Gespräch mit Journalisten die mangelnden Kontrollen wie auch das schlechte Krisenmanagement in der Programm-Anstalt: 'Ich mache mir Sorgen um das Haus. Kaum eine Instanz in diesem Sender ist intakt'. Dieses Magazin-Zitat hat Beermann erheblich geschadet."
[listbox:title=Artikel des Tages[Frau Ferres und Frau Neubauer (Sibylle Berg/SPON)##Bartl gibt ab (FAZ)##ProSieben nach Hollywood (FTD vom Dienstag)]]
Aber ganz andere Frage: Womit ging eigentlich die Sächsische Staatskanzlei gestern so an die Öffentlichkeit? Tatsächlich handelte gestern gleich die erste Meldung auf ihrer Homepage von einer medialen Mittäterschaft:
"Heute beginnen die Dreharbeiten für das historische Filmepos Der Turm. Die Mitteldeutsche Medienförderung, deren Aufsichtsratsmitglied Johannes Beermann, Chef der Staatskanzlei ist, fördert das Projekt mit 750.000 Euro."
Und so, wie es aussieht, spielen weder Veronica Ferres noch Christine Neubauer mit noch "Frauen, die so aussehen wie sie, die also eher als Frauendarstellerinnen denn durch filigrane Schauspielkunst überzeugend ihre großflächigen Gesichter vor eine untergehende Landschaft halten", sondern Nadja Uhl und Claudia Michelsen.
Obwohl Nico Hofmann produziert (Ausstrahlung 2010 in der ARD, vorberichterstattet der Kölner Stadt-Anzeiger). Was die Kolumne von Spiegel-Online-Kolumnistin Sibylle Berg über "Frau Christine Neubauer oder Frau Veronica Ferres, oder Frauen, die so aussehen wie sie" und über "Nico Hofmann, Filmproduzent von TV-Mehrteilern, die Titel tragen ähnlich wie 'Der Förster, der Wald, der Greif, der Hund'", nicht wirklich entwertet – nur ihre eigentlich grundseriöse Zusammenfassung der Hofmann-Filme stimmt dann halt womöglich so schon wieder nicht mehr:
"Die deutsche Frau, eine klugscheißerische Planschkuh."
Altpapierkorb
+++ ProSiebenSat.1 ist auch ein Thema: Zum einen ist der Vorstand erweitert worden, zum anderen kauft der Konzern über seine Tochter Red Arrow etwa eine Mehrheit an der US-Firma Fuse (FTD vom Dienstag, Süddeutsche von heute, S. 19). Ziel: Ideen für Serien importieren, exportieren und gemeinsam entwickeln +++ Die FAZ interviewt Sat.1-Geschäftsführer Andreas Bartl, der dort bekanntgibt, am 4. Oktober, also – danke für die Umschreibung – "am Tag nach der deutschen Einheit", an Joachim Kosack abzugeben (dazu auch DWDL). Und er spricht über einen neuen Seniorensender für die Zielgruppe ab 40: "Ich denke, dass es im Fernsehen im digitalen Zeitalter eine ähnliche Entwicklung geben wird wie auf dem Zeitschriftenmarkt, es gibt einigen Raum für Spezialisierung. Und da wir die Mediapower einer großen Gruppe im Hintergrund haben, gibt uns das große Chancen. Wir können einen neuen Sender sehr schnell bekannt machen. Starten soll unser Best-Ager-Kanal im zweiten Halbjahr 2012" +++
+++ Samer Allawi, "Der palästinensische Chef des Kabuler Büros des Senders Al Dschazira hat zugegeben, Kontakte zur islamistischen Hamas zu unterhalten" (FAZ), "(e)in israelisches Militärgericht verurteilte ihn nun wegen 'Verschwörung zugunsten einer verbotenen Organisation' zu einer dreijährigen Haftstrafe"; in der SZ hat die dort längere Geschichte einen anderen Fokus: "Auf der Internetseite von al-Dschasira allerdings bestreitet der freigelassene Allawi alle Vorwürfe und wirft Israel vor, ihn zu benutzen, um seinen Sender zu erpressen. Es habe 'keine Beweise' gegen ihn gegeben, erklärt er und fügte an, lediglich rein berufliche Kontakte zur Hamas und anderen Gruppierungen zu unterhalten: 'Ich treffe Leute überall, um von ihnen Neuigkeiten zu erfahren'" +++
+++ Mehr aus aller Welt: Über Morde an Journalisten und Bloggern in Mexico berichtet die Berliner Zeitung +++ Der Tagesspiegel interviewt den tunesischen Blogger Slim Amamou +++ Ebd. geht es um die Umbenennung von "vor" und "nach Christi" in "gebräuchliche Zeitrechnung" bei der BBC – Update 29.9.: die aber so standardmäßig, wie sie der Tagesspiegel behauptet, nicht stattfindet (Bildblog) +++ Rupert Murdochs Stand in Australien beleuchtet die taz +++
+++ Im Medienmagazin "Zapp" im NDR-Fernsehen laufen "interne Debatten über den Kurs", schreibt die SZ (S. 19): "Viele Autoren argumentieren, die Sendung sei zu brav und habe ihr Alleinstellungsmerkmal als investigatives Medienmagazin verloren. Im Zentrum der Kritik steht (Steffen) Eßbach, der 2009 zu Zapp kam (...) Kritiker lasten ihm an, dass er sich nicht für ARD-intern unbequeme Themen stark mache. Zapp berichtet zwar noch über Missstände im öffentlich-rechtlichen Milieu, hinkt aber hinterher. Ein Film über die MDR-Intendantenwahl war angemessen bissig. Mit solchen Beiträgen fällt Zapp aber zu selten auf" +++ Joachim Fuchsberger erhält den Ehrenpreis des Deutschen Fernsehpreises (TSP) +++ Und an der Medienfront labert taz-Kriegsreporterin Silke Burmester heute eher so vor sich hin +++
+++ Aktuell im Fernsehen: Hermann Unterstöger ist ebd. einigermaßen angetan vom Udo-Jürgens-Zweiteiler "Der Mann mit dem Fagott" (ARD, 29. und 30. September) +++ Und Dieter Bartetzko in der FAZ vom "Helmut-Qualtinger-Porträt André Hellers (Donnerstag bei ZDFkultur, Samstag bei 3sat) +++ Die Berliner Zeitung nimmt die 3D-Doku "Die Huberbuam" (ZDF und irgendwie doch nicht ZDF – kompliziert!) zum Anlass, zu erklären, was "natives 3D" ist: "echtes 3D. Und vom echten 3D spricht man, wenn nicht irgendjemand zweidimensionale Bilder nachträglich am Computer hochgerechnet hat, sondern direkt in 3D gefilmt wurde. Natives 3D, kann man sagen, ist qualitativ einfach besser. Wie natives Olivenöl" +++
Das Altpapier stapelt sich morgen wieder