Party in Nordkorea

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Während Thomas Bellut mit unzweideutigem Ergebnis zum ZDF-Intendanten gewählt wird, feiert Thomas Gottschalk ein letztes Mal Kindergeburtstag mit "Wetten, dass..?"


Was passiert, wenn an dem Wochenende, an dem Deutschlands ___________-ster Showmaster die letzte Ausgabe von Deutschlands ___________-ster Show moderiert, auch noch der Intendant von Deutschlands ___________-stem Sender gewählt wird (freie Stellen bitte selbst ausfüllen)?

Korrekto: Dann beschäftigt sich das Altpapier am Montag darauf vorrangig mit dem ZDF.

Es war natürlich so gut wie klar, dass Thomas Bellut (Foto: Kurt Beck, rechts, gratuliert) mit einem deutlichen Ergebnis zum ZDF-Intendanten gewählt wird (siehe auch Altpapierkorb vom Freitag). Lustig ist, wie es in etwa 96 Prozent der Artikel über die Wahl beschrieben wird: Journalisten witzeln über "nordkoreanische Verhältnisse" (hat die Berliner Zeitung gehört), es ist ein "gewissermaßen sozialistisches Ergebnis" (SZ), ein "geradezu sowjetisches Ergebnis von 96 Prozent" sowie ein – "breites Votum" (Thomas Bellut).

Und es war vorher auch so gut wie klar, dass Thomas Gottschalk wohl "routiniert" seine letzte "Wetten, dass..?"-Sendung vor den drei letzten Sendungen herunterrotzen würde. Welche Töne bei der Berichterstattung genau angeschlagen werden würden, war aber nicht klar. Also:

Thomas Gottschalk wird zu guter letzt noch einmal gefeiert und nicht gefeiert. Nicht gefeiert von der Berliner Zeitung, die zum größtmöglichen, aber natürlich völlig angemessenen Tiefschlag ausholt und für die Nachfolge der Mallorca-Ausgabe Andrea Kiewel empfiehlt.

Auch nicht gefeiert wird er von Medien-Branchendiensten, die sich wie immer eh nur für die Quoten interessieren. Sondern gefeiert wird er vor allem deshalb: "Es war wieder einmal der ganz große Kindergeburtstag", wie FAZ.net schreibt, und dafür bekommt er Anerkennung. Wobei noch zu bemerken wäre, dass Michael Hanfeld, der wie mit Röntgenaugen durch eine Fernsehbühne hindurch das Treiben im Hintergrund zu sehen versteht, bei FAZ.net auch eine über die Gottschalk-Beobachtung hinausgehende Notiz über die Fernsehprogrammierung anbringt:

"Bemerkenswert ist (...), wie das ZDF die Konkurrenz von RTL an diesem Abend ausschaltete: Gottschalk hatte nicht nur seinen ärgsten Samstagabendquoten-Widersacher Bohlen zu Gast (der im weißen Anzug einritt, nicht weiter auffiel und gottlob nicht sang), sondern auch den letzten Gewinner von 'Deutschland sucht den Superstar', Pietro Lombardi, und dessen neue Liebe Sarah, die den DSDS-Fans ebenfalls ein Begriff ist. Nehmen wir noch Cindy aus Marzahn hinzu, war die Anleihe bei RTL schon erheblich. So kann man der Konkurrenz auch begegnen: mit dem Zweiten sieht man Privatfernsehen."

Gefeiert wird Gottschalk dann etwa von Hans Hoff in der SZ:

"Wie groß diese letzte richtige Wetten, dass...?-Ausgabe ausfiel, war spätestens zu bemerken, als Gottschalk für ein Foto posierte mit Sängerin Jennifer Lopez, Schauspielerin Cameron Diaz, der Model-Dompteurin Heidi Klum und seiner Assistentin Michelle Hunziker, da wirkte das Gruppenbild mit Damen ein bisschen wie seine allerletzte Regierungserklärung. Schaut her, ich kann's noch, lautete die Botschaft. Ich krieg sie noch alle auf eine Bühne. Und als unausgesprochener Subtext stand da drunter: Sonst kann es keiner."

Womit ein Gedanke angesprochen ist, der langsam zum Klischee gerinnt: Gottschalk sei schwer zu ersetzen.

Gottschalks Abschied war "ein Abschied, der um jeden Preis das Risiko vermeiden wollte – nicht nur das Risiko potentiell gefährlicher Wetten, sondern auch das, die Zuschauer noch in irgendeiner Form zu überraschen", schreibt Peer Schader bei Spiegel Online zunächst einmal und hält dann in seiner – im Grunde freundlichen – Besprechung fest:

"Es ist nicht völlig aus der Luft gegriffen, zu behaupten, dass 'Wetten dass..?' wahrscheinlich nie wieder so groß sein wird. Egal, wer jetzt das Steuer übernimmt."

Auch Matthias Kalle, für den Tagesspiegel, sieht das – lesen wir zwischen den Zeilen – ähnlich:

"(M)an muss sich nur einen beliebigen Moment aus der Sendung nehmen, sich Gottschalk wegdenken und sich stattdessen eine der Personen vorstellen, deren Namen in der Nachfolgediskussion immer wieder genannt werden: Markus Lanz fummelt am Kleid von Jennifer Lopez rum? Jörg Pilawa spricht mit Kevin James über Komik? Die Kunst von Thomas Gottschalk bestand in all den Jahren eben auch darin, die Dinge so einfach aussehen zu lassen, dass sie beinahe dilettantisch wirkten".

Alexander Kühns vergangene Woche erschienene Vorschau im Spiegel auf die Show in Mallorca ("Wetten, dass die letzte 'Wetten, dass..?'-Sendung so abläuft?", noch nicht frei online) ist somit – abgesehen davon, dass sie recht komisch war – am Ende tatsächlich treffend. Kühn schloss mit diesem kleinen Scherz über seine eigene Zunft der Fernsehkritiker: "Sein Nachfolger wird es verdammt schwer haben. Das sagen alle."

Jawoll. In die Hose könnte lediglich noch gehen, was Antje Hildebrandt bei Welt Online versucht – gegen Thomas Gottschalks Weggang vom ZDF wetten:

"(W)ir wollen uns auf der Stelle in einen Gartenzwerg verwandeln und Anton, Berti, Conni, Det, Edi oder Fritzchen heißen, wenn das ZDF seinen beliebtesten Moderator nach diesem triumphalen Empfang tatsächlich gehen lässt."

Den Gartenzwerg würden wir dann ggf. gerne sehen. Womit wir beim zweiten Punkt wären: Wohin steuert das ZDF unter Thomas Bellut? (Auch: Was macht er mit "Wetten, dass..?") Und wohin sollte es steuern?

[listbox:title=Artikel des Tages[Über Gottschalks Sendung (FAZ.NET)##Über die Sendung des Gottschalk (SZ / jetzt.de)##Über des News-Geschäfts neue Machtordnung (taz)]]

Im Spiegel-Interview kündigt Kim Jong-Il Bellut unter anderem einen Verjüngungskurs an, dazu das Ende der Kanalausbauarbeiten: "Die Grenzen der Ausdehnung sind definitiv erreicht."

Was auch die SZ am Freitag mitgekriegt hat, die Bellut heute auf der Medienseite porträtiert:

"Vor allem (...) hat er mit (Intendant Markus; AP) Schächter zusammen das ZDF zum Markenkanal gemacht, mit Moderatoren als Marken-Gesichtern und den Spartenkanälen ZDF neo, ZDF info und ZDF kultur. Folgerichtig gab er am Freitag – mit Schächter an seiner Seite – eine Absage an das Werben des SWR-Chefs Peter Boudgoust, der einen gemeinsamen digitalen Jugendkanal mit dem ZDF möchte. Das ZDF besitzt unter dem Namen ZDF kultur schon einen digitalen Jugendkanal."

Am Samstag porträtierte die SZ Bellut ebenfalls, auf Seite 4; dort hieß es über den nächsten, 2012 antretenden ZDF-Intendanten:

"Als Spitzenmann des öffentlich-rechtlichen Systems muss er den anstehenden Wechsel des Gebührenmodells rechtfertigen und Lösungen für das zunehmende Legitimationsproblem finden, das ARD und ZDF in der Gesellschaft haben. Eine Lösung wäre, ein Fernsehprogramm zu organisieren, das junge Menschen nicht nur mit Sportübertragungen erreicht und sich überzeugend zu den Werten des öffentlich-rechtlichen Auftrages bekennt: zu Information, Kultur und Bildung."

In einer Außenbetrachtung der inneren Logik der Öffentlich-Rechtlichen beschäftigt sich mit der Legitimationsfrage – jener, die das Publikum stellt – auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Die Intendanzbewerbungsglosse von Feuilletonchef Claudius Seidl, die alsbald allzu ernst genommen wurde, ließ eigentlich erwarten, dass die FAS aus dem Schützengraben heraus die Intendantenwahl am ehesten kurz glossieren würde – nach dem Motto: Haben wir ja gesagt, die Wahl war gar keine.

Entsprechend stieg noch die Samstags-FAZ (S. 44) mit dem, genau, quasi-sozialistischen Wahlergebnis in den Bericht ein: "Mit mehr Voten konnte Thomas Bellut fast gar nicht ins Amt gewählt werden. Es ging fix am Freitagmorgen in Berlin und endete mit einer Zustimmung von fast 96 Prozent." Und wurde anschließend immergleich hanfeldisch.

Stefan Niggemeiers Text in der FAS über die Öffentlich-Rechtlichen geriet zwar auch kritisch, allerdings kommt er ohne die Infragestellung des gebührenfinanzierten Rundfunks aus. Bei Niggemeier zeigt sich ein Weg aus der Falle, in die andere ZDF-Kritiker regelmäßig tappen, wenn sie den erwartbaren Privatsendervertreter Jürgen Doetz und den ebenso erwartbaren FDP-Politiker Burkhardt Müller-Sönksen immer wieder mit irgendwelchem Lobbymüll zitieren. Der Weg: Man muss vielleicht doch einfach öfter mal den Zuschauer zum Maßstab erheben.

"Von außen wird die Diskussion um den öffentlich-rechtlichen Rundfunk oft ideologisch geführt, kommerziell motiviert oder juristisch, verhakt in Definitionen wie der zum Kampfbegriff gewordenen 'Grundversorgung'. Und im Inneren scheinen die Verantwortlichen so vollkommen gefangen in den Erfolgsmaximierungsregeln eines beliebigen Fernsehunternehmens, dass die Frage nach der Legitimation gar nicht mehr ihr Bewusstsein erreicht."


Altpapierkorb

+++ Und soooo viel mehr ist dann heute auch nicht los auf den Medienseiten: Wer wird Gottschalks Nachfolger? Es fallen im besagten Spiegel-Interview mit Bellut die Namen Pilawa und Kerkeling als Top-Favoriten – wobei die nicht Bellut nennt, aber auch nicht bestreitet +++

+++ Und irgendwie hängt ja immer alles mit allem zusammen: Wenn der Tagesspiegel den Produzenten der "Verbotenen Liebe" interviewt, steckt auch darin ein Hauch von Gottschalk: Schließlich könnte der ja im ARD-Vorabendprogramm landen +++ Und wenn ARD-Chefin Monika Piel im taz-Interview über ein ARD-Jugendradio spricht, schwebt Bellut darüber +++

+++ Fernsehen: Nicht Gottschalks Nachfolger wird vermutlich Emmanuel Peterfalvi, dessen neue Staffel die FAZ (S. 31) vorstellt: "Puschel-TV" (Nacht auf Dienstag, 1 Uhr, ARD +++ Im Fernsehen läuft auch "Falling Skies", das die FAS empfiehlt – allerdings im Bezahlfernsehen +++ Die taz bespricht eine Dokumentation über deutsche Touristen +++ Und die BLZ eine RTL-Reihe über Mietpreller +++

+++ Bild gegen Spiegel, nächste Runde: Der Spiegel berichtet über den Verstoß von Bild.de gegen die Unterlassungserklärung der Zeit +++

+++ Die taz traf US-Journalismusforscher Todd Gitlin in Potsdam: "Die neue Informationsordnung (...) ist sein Thema, bei der alle 'always on' und 'always connected' sind, wie Gitlin sagt – und deshalb etablierte Ordnungsmechanismen und Autoritäten ins Rutschen kommen. 'Diffused authority' nennt er das, diffundierende Autorität, 'wir müssen uns neu fragen, wem vertrauen wir, wem folgen wir, wen nehmen wir ernst'. Was ihn fasziniert, ist die völlig neue Machtbalance, die daraus resultiert – und von der noch niemand weiß, wie sie aussieht" +++

+++ Und die SZ schreibt, Helmut Markwort moderiere nicht mehr bei den Münchner Medientagen. Um auch dies ins Gottschalkische zu wenden: "Sein Nachfolger wird es verdammt schwer haben". Es fällt der Name Roland Tichys, des Chefs der Wirtschaftswoche +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag
 

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