Das sind so Fragen an Tagen wie diesem, an denen die BamS-Chefs auf "Spiegel" machen ("recherchierender Journalismus") und Frauen sich was wünschen dürfen
"Wenn ich mir was wünschen dürfte", steht auf der TAZ von heute. Es ist Frauentag, 100 Jahre Frauentag sogar, und deshalb dürfen sich 100 Frauen etwas wünschen. Ob das logisch ist, müssen andere entscheiden.
Man liest die kurzen Texte von mitunter prominenten Autorinnen (Angela Merkel, deren KTGs-Rücktritts-SMS-Annette-Schavan-Zeigen mittlerweile ja auch als Film kursiert) durchaus gern.
Etwa den von Gloria von Thurn und Taxi, deren Wunsch eher eine Freude über endlich Erreichtes ist:
"Der Beruf der Hausfrau und Mutter findet endlich die Anerkennung, die ihm gebührt: vielseitigstes Mikromanagement, Budgeterstellung, Budgetverantwortung, Menschenführung (sprich Coaching) und Organisation."
Eva Herman würde sich naturgemäß fragen, ob es nicht schon Zeiten gegeben hat, in denen der Mutterberuf bereits größere Anerkennung genoss, Stichwort Mutterkreuz.
Aber mit solchen Fragen wollen wir Gender-Gloria nicht behelligen. Viel eher interessiert doch, ob schon im nächsten Jahr Mutter endlich auch ein anerkannter Ausbildungsberuf werden wird. Womöglich könnte die durch das ganze Guttenberg-Durchgewinke in Verruf geratene Uni Bayreuth hier noch weitere Pionierarbeit leisten und einen Bachelorstudiengang einrichten, in dem man irgendwas mit Mutter macht.
Das Elend, das sich in Sonderausgaben zeigt, wie die TAZ sie produziert, oder in großflächigen Frigga-Haugg-Christina-von-Braun-Interviews in anderen Zeitungen, besteht doch darin, dass, wie der Medienkritiker Hape Kerkeling in seiner Rolle als Kleingärtner Rico Mielke dereinst in Heinrich Lummers Talksendung bei TV.Berlin bemerkte (ab 8.52), sich einmal ausgeheult werden darf, damit der Zuschauer sich amüsiere "aber auf den Punkte kommen wir nicht".
Teil dieses Elends ist allerdings, dass an die Wirkkraft von Appellen, Frigga Haug oder Christina von Braun auch an den 364 anderen Tagen interviewen zu können, vermutlich nur Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder glaubt. Insofern haben wir es mit einem brutalstmöglichen Dilemma zu tun.
Deshalb schwenken wir rasch um auf unsere eigenen Wünsche. Das heißt zu Springer, wo die einzige Möglichkeit für Frauen, wirklich Karriere zu machen, noch immer in der fragwürdigen Praxis besteht, jung einen alten Verleger zu heiraten und dessen Verlag dann zu erben.
Schon lange wünschen wir uns die hotte Täbris-Inside-Serie bei Springers heißem Blatt ("Jens Koch/Marcus Hellwig: So litten wir beim Irren von Teheran"). Stattdessen druckt die FAZ heute ein arschlahmes Interview mit den BamS-Chefredakteuren.
In dem klingen nicht nur die Auskünfte über die Feelings und Emotionen der beiden BamS-Reporter nach dem Martyrium von Täbris wie das Gesundheitsbulletin von Honecker im Sommer 1989:
"Man sagt bei solchen Gelegenheiten gern 'den Umständen entsprechend'."
Die beiden alten Boulevard-Hasen hören sich überdies an, als arbeiteten sie für den Spiegel (eine Retourkutsche?):
"Recherchierender Journalismus, der die Interessen anderer durchkreuzt, birgt Risiken."
Immerhin erfährt man etwas über das Geschäftsmodell bei Bild:
"Es ist unsere Aufgabe, gerade dort hineinzuleuchten, wo man lieber unbehelligt bleiben möchte."
Nicht nur Otti Fischer weiß, wovon Mayer-Stellvertreter Backhaus spricht. Obwohl dieser Satz in seiner paradoxalen Grammatik (hinein/wo) auch dem geschulten Arno-Schmidt-über-Karl-May-Leser eine Freude sein müsste. Einer möglichen Kritik an der Unerfahrenheit der Reporter wird nicht stattgegeben:
"Beide haben Reportererfahrung auch in riskanten Regionen gesammelt, zum Beispiel in Sarajevo zur Zeit des Bürgerkriegs."
[listbox:title=Die Artikel des Tages[100-Frauen-TAZ (TAZ)##BamS-Chefs-Interview (FAZ)##Auslandskorrespondentenmisere (Berliner)##Lanz ist nicht darstellbar (SZ)##]]
Wobei man sich fragen kann, ob Jens Koch, 29, zu Zeiten des Bürgerkriegs in Sarajevo überhaupt schon volljährig war. Tut Interviewer Michael Hanfeld aber nicht.
Interessant ist dagegen das Gespräch, das Andreas Schwarzkopf für die Berliner mit dem langjährigen Auslandskorresponenten Christoph Maria Fröhder über die Berichterstattung aus Nordafrika geführt hat.
"An manchen Tagen haben wir aus Ägypten leider weniger über die Vorgänge dort erfahren als über die Gefühle der Korrespondenten. Statt Analysen zu liefern, haben manche uns erzählt, dass sie ihr Büro nicht mehr betreten konnten und in Hotel-Zimmer geflüchtet seien. Viele Etablierte kümmern sich auch nicht um gesellschaftliche Veränderungen in ihrem Berichtsgebiet."
Die Schwäche der Öffentlich-Rechtlichen erklärt Fröhder als Folge schlechter Ausstattung und punktueller Aufmerksamkeit für gewisse Gebiete:
"Außerdem fehlt in vielen Häusern ein Team, das den Kollegen vor Ort über das Gesamtbild informiert. Öffentlich-rechtliche Sender haben entsprechende Konzepte in den Schubladen verschwinden lassen."
Altpapierkorb
+++ Guido Knopp, auch einer der ganz Großen unseres Geschäfts, hat eine neue Hammeridee gehabt: Wettlauf zum Südpol wie dereinst zwischen Amundsen und Scott, wobei das schlechte Omen des historischen Vorbilds (Scott didn't make it) nicht ins Gewicht zu fallen scheint. Bei Knopp kämpft Deutschland gegen Österreich, was immer das heißen mag und völlig unbeleckt von der Frage, ob sich "Deutschland" tatsächlich von Markus Lanz und Joey Kelly repräsentieren lässt. Für die SZ fragt sich Birgit Lutz-Temsch, was die betroffene Umwelt von diesem Unsinn hat. +++ Womöglich bringt das Elend dieser Unternehmung Thomas Gehringers Kritik im Tagesspiegel aus der radikalen Perspektive des Endverbrauchers bräsig vor der Glotze aber besser auf den Punkt: "Lanz ist erstaunlich fit, aber seine fernseh-erprobten Floskeln vom 'Wettlauf gegen sich selbst' und dem Rennen, 'das mein Leben verändert', sind ein wenig langweilig." +++ Das ist Understatement, denn bei den Sachen, die Lanz so reden (kein Tippfehler), weiß man irgendwann nicht mehr, wer da der CEO im Hause ist. In der SZ ist noch die schöne Bemerkung überliefert, tatsächliches Reenactment der Amundsen-Scott-Konkurrenz "sei schon finanziell gar nicht darstellbar". Es hätte uns immerhin Monate der Ruhe vor Markus Lanz beschert. +++
+++ Der unermüdliche FAZ-Netzökonom Holger Schmidt schreibt auf über die Ausbreitung von Facebook im Interview (Seite 15). +++ Der Tagesspiegel orientiert über die eher trostlose Lage von Sat.1. +++ Die Lage bei Newsweek ist eigentlich nicht besser, auch wenn mit Tina Brown ein Neustart versucht wird. (SZ, Seite 15, FAZ, Seite 31). +++ Die Beliebtheit des rechtswahnsinnigen US-Fernsehmoderators Glenn Beck geht derweil zurück, ist aus der Berliner zu erfahren: "Um sein Publikum bei der Stange zu halten, habe der 46-Jährige immer abstrusere Verschwörungstheorien entwickelt - und damit letztlich bis auf einen harten Kern alle Zuschauer verschreckt." Irgendwie auch bitter. +++
+++ Fernsehen: Sat.1 zeigt einen Film, der eine romantische Komödie sein soll und "Stadtgeflüster – Sex nach fünf" heißt. Friederike Haupt hatte für die FAZ offenbar Schwierigkeiten, die 90 Minuten auch durchzuhalten: "Zwischen Seichtigkeiten und tollen Requisiten gibt es viel Mittelmaß, so dass man wenig verpasst, wenn man auch zwischen den Werbepausen das Zimmer verlässt." +++ Während Klaudia Wick sich in der Berliner an einer gewissen Weltferne stört: "Wer einmal den Dudelfunk eines Privatradios gehört hat - und wer hat das nicht? -, wundert sich, wie wenig Regisseur Josh Broecker Wert auf die richtige Tonalität legt." +++Die SZ verbindet die Ankündigung, dass die Zeit jetzt Lyriker zur Politikwahrnehmung beschäftigt, mit einem Lob des unfassbaren Volker Zastrow (an dem hier gestern auch nicht gespart wurde). Bei den Lyrikern sorgt sich der aufmerksame Literaturfreund allerdings, ob die ICE-Gedichte von Durs Grünbein überhaupt zu toppen sind. +++
Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.