"Migration: Problem oder Chance?"

Ein Flüchtling aus Syrien blickt aus dem Fenster seiner Unterkunft in der Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete in Bramsche-Hesepe in Niedersachen bei Osnabrueck.
epd-bild/Detlef Heese
Ein Flüchtling aus Syrien blickt aus dem Fenster seiner Unterkunft in einer Erstaufnahmeeinrichtung.
Meinungs-Gastbeitrag
"Migration: Problem oder Chance?"
Für Khalid Al Aboud von Amal Berlin liegt die Antwort auf die Frage, ob Migration ein Problem oder eine Chance für Deutschland sei, auf der Straße. In seinem Gastbeitrag würde er es begrüßen, wenn Parteien in ihren Wahlprogrammen dies auch so sehen würden.

Seit meiner Ankunft in Deutschland vor zehn Jahren waren die Themen Migration und Asyl nie aus der deutschen Öffentlichkeit und der politischen Debatte wegzudenken. In Wahlkämpfen konzentrieren sich die Parteien oft stärker auf Migrationsthemen als auf andere Fragen. Und obwohl Deutschland ganz andere und viel größere Probleme hat – wie drohende Zölle, den Krieg in der Ukraine, die Wirtschaftskrise und die Bedrohung durch den Klimawandel. Friedrich Merz, "Deutschlands Trump", betrachtet dennoch Migration als das größte Problem. Innerhalb der CDU ist das nichts Neues. Nachdem Merkel die Türen für Menschen geöffnet hatte, die vor Unterdrückung, Gewalt und Tod flohen, erklärte der damalige Innenminister Horst Seehofer (CSU), dass "Migration die Mutter aller Probleme" sei.

Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum einige deutsche Politiker in ihrer Rhetorik so hartnäckig darauf bestehen, Migration als Problem zu betrachten und ständig darüber nachdenken, wie sie die Asylpolitik verschärfen können, wie sie mehr Menschen abschieben und die Grenzkontrollen intensivieren können.  Ich würde es begrüßen, wenn Parteien in ihren Wahlprogrammen Migranten und Flüchtlinge als Chance betrachten. Anstatt über Abschiebung, Kontrolle und Verschärfung zu sprechen, sollten sie effektive Programme zur Integration von Geflüchteten in die deutsche Gesellschaft entwickeln.

Es sollte untersucht werden, warum ein Teil von ihnen nicht in den Arbeitsmarkt integriert ist, und es sollten ihnen der Zugang zu Arbeitsplätzen, Berufsausbildung und Bildung erleichtert werden. Experten haben längst bestätigt, dass Migranten eine Chance für Deutschland sind – insbesondere angesichts des demografischen Wandels, der steigenden Zahl von Rentnern und des enormen Fachkräftemangels, den Migranten laut Statistiken bereits zu einem großen Teil ausgeglichen haben. 

Die Zivilgesellschaft hat die Politiker inzwischen überholt. Hunderttausende Menschen sind am vergangenen Wochenende auf die Straße gegangen, um dagegen zu protestieren, dass Merz und seine Partei sich die Mehrheit im Bundestag mithilfe der rechtsextremen AfD beschafft hat. Sie erkennen die Bedeutung gesellschaftlicher Vielfalt.

Dies ist der beste Beweis dafür, dass das Volk und die Zivilgesellschaft die stärkste Bastion der Demokratie sind. Und das ist nicht das erste Mal – schon als im vergangenen Jahr der Geheimplan der Rechtsextremen beim Potsdamer Treffen enthüllt wurde, sind die Menschen massenhaft auf die Straße gegangen. Sie erklärten: "Wir sind mehr, und Faschisten und Rechtsextreme haben bei uns keinen Platz."

Abschließend möchte ich all jenen danken, die am vergangenen Wochenende an den großen Demonstrationen teilgenommen haben. Sie haben ihre Meinung sowohl auf den Straßen als auch in den sozialen Medien klar zum Ausdruck gebracht und uns wieder Hoffnung gegeben, dass wir weiterhin ein Teil dieser Gesellschaft sind. Und: Straftaten, die von Migranten begangen werden – wie die Angriffe in Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und Mannheim – müssen als das betrachtet werden, was sie sind: kriminelle Verbrechen. Die Täter müssen als Individuen zur Rechenschaft gezogen werden, ohne dass die Schuld auf eine gesamte Bevölkerungsgruppe übertragen wird.

evangelisch.de bedankt sich bei Amal Berlin für die Kooperation