Monica Lierhaus' Rückkehr auf die Fernsehbühne ist schon wieder Fernsehgeschichte – doch auch die Frage nach ihrer Motivation, ausgerechnet den größtmöglichen Rahmen für sehr private Dinge zu wählen, wird gestellt
Man weiß ja vorher nie, wann Fernsehgeschichte passiert. Vermutlich besteht darin das Erfolgsgeheimnis von "Wetten, dass..?": Man will es halt auch nicht verpasst haben, wenn mal was los ist.
Jedenfalls: Samstagabend. Ich persönlich war unpässlich. Aber Youtube und Co. zeigen: Inka Bause im Bild. Barbara Schöneberger: Mund offen. Renée Zellweger touched. Günther Jauch applaudiert lebhaft. Netzer verspricht sich. Kurz: Fernsehgeschichte.
Oder wie Sueddeutsche.de schreibt: Es ist der "Abend, der als der Abend der Rückkehr von Monica Lierhaus in die Fernsehgeschichte eingehen wird".
Oder mit den Worten Peer Schaders (Spiegel Online, durch Kürzung geringfügig sinnentstellt): "Ulrich Tukur hat bei seiner Dankesrede gleich am Anfang das Mikrofon kaputt gemacht. Mehr hätte man nicht wissen müssen von diesem Abend. Doch dann kam Monica Lierhaus."
Oder wie Welt Online meint: "die überraschendste Rückkehr des Jahres".
Die telemedial vermittelte Mega-Emotion zu geißeln könnte am heutigen Tag, da auf den Medien- und Vermischtes-Seiten die auffallend menschlich geratene Rückkehr der ARD-Sportmoderatorin auf die Fernsehbühne (inkl. Heiratsantrag, siehe Foto) mit warmen Zwischentönen festgehalten wird, missverstanden werden. Gleichwohl sollte die Emotionsgeißelung als reine Möglichkeit hier einfach mal in den Raum gestellt werden.
Allerdings wäre sie – findet jedenfalls Michael Hanfeld (FAZ.net) – zynisch:
"Im Showgeschäft gibt es viele Momente voller falscher Gefühle und kalkulierter Emotionalisierung, doch gibt es auch wahre Momente wie an diesem Abend, die für Zyniker gleich wieder etwas Irritierendes und Schockierendes haben."
Da es möglicherweise auch zynisch wäre, auch nur zu fragen, warum die unkalkulierte Emotionalisierung durch mehrere Gespräche mit ausgerechnet Bild am Sonntag, die am Tag nach der Preisverleihung des Schwesterblatts Hörzu mit der Geschichte ("Monica Lierhaus - Mein neues Leben") erschien, vorbereitet werden musste, fragen wir gleich gar nicht, sondern stellen einfach mal die Möglichkeit in den Raum, dass jemand darüber verwundert sein könnte. Warum also BamS?
"Das Blatt war rechtzeitig zur Verleihung der Goldenen Kamera neben dem ZDF offenbar von Lierhaus auserkoren worden, vom 'Wunder ihrer Rückkehr' und Zukunftsplänen zu berichten",
schreibt der Tagesspiegel auf der Weltspiegel-Seite. Und Hans Hoff hat auf den Panorama-Seiten der Süddeutschen Zeitung noch eine plausible Erklärung:
"Sie hoffe, sagte Monica Lierhaus dem Reporter, dass sich die Fotografen dann auf das sportliche Geschehen konzentrieren würden und nicht darauf, wie schnell sie die Stufen bis zu ihrem Platz bewältige. Wahrscheinlich hat sie genau deshalb die größtmögliche Bühne für ihre Wiederauferstehung gewählt. Sie will, dass alle wissen, dass sie wieder da ist, und dann möchte sie im Schatten der Sensation wieder in Ruhe an sich arbeiten. Sie will keine Interviews geben, sie will nur zurück vor die Kamera."
Okay, genehmigt. Warum sie ihrem Freund auf dieser Bühne auch gleich noch einen Heiratsantrag gemacht hat, ist wieder eine andere Frage. Da nicht im Pressekodex steht, dass das Publikums vor Emo-Hubereien geschützt werden muss, gibt es wohl keinen Grund zur Kritik. Aber jene klassische Erwähnung ist vielleicht doch angebracht, dass öffentliche Privatheiten, wie sie gerne gegeißelt werden, wenn sie bei Facebook stattfinden, oft genug auch irgendjemandem nützen. Hoff (SZ) sagt es so:
"Es darf den Veranstaltern auf jeden Fall ein echter Scoop bescheinigt werden."
Presserechtlich dürfte es zudem ggf. interessant werden, ob nach diesem Auftritt die Berichterstattung einzelner Redaktionen über die Hochzeit einschränkbar wäre. Darauf verweist indirekt auch Ulrike Simon in der Berliner Zeitung:
"Durch ihre (also Lierhaus'; AP) Ankündigung, daran arbeiten zu wollen, 'irgendwann wieder vor der Kamera stehen zu können', noch dazu mit ihrem öffentlichen Heiratsantrag vor Fernsehkameras macht sie sich – wieder – zu einer öffentlichen Person, deren Anspruch auf Privatheit dem Interesse der Medien und eines Millionenpublikums gewichen sein dürfte."
Sie erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass da ja mal was war:
"Der Hamburger Promi-Anwalt Matthias Prinz verklagte alle, die Details veröffentlichten. Der Name der Krankheit sollte nicht genannt, geschweige denn erklärt werden, was ein Aneurysma ist. Die Hamburger Morgenpost, die wie die Berliner Zeitung im Verlag M. DuMont Schauberg erscheint, wurde von Prinz zu einer Entschädigung in Höhe von 25 000 Euro verklagt."
Führend bei der Vorab-Berichterstattung über die Klage damals: Der Morgenpost-Konkurrent Hamburger Abendblatt, das bei Springer erscheint. Aber das ist, zugegeben, nur ein weiterer Randaspekt zu einer an sich ja sehr positiven Geschichte.
[listbox:title=Artikel des Tages[Lierhaus' Rückkehr (FAZ.net)##Lierhaus' Rückkehr und die Vorgeschichte (BLZ)##"Der Drückerkönig" – Judge's Cut (NDR-Film)##Heidi Klums is neecht nett (FAS)]]
Verlassen wir hiermit den Boulevard. Kommen wir zu Carsten Maschmeyer.
Als ein Befragter in einem Doppel-Interview der SZ (nur eine Zusammenfassung online), das am Samstag erschien, sagte der AWD-Gründer, der die (Journalisten-)Gewerkschaften erfolgreich gegen sich aufgebracht hat, der NDR habe für den "Panorama"-Film über Maschmeyer ("Der Drückerkönig und die Politik", siehe Altpapier) unstatthaft recherchiert:
"Meiner Familie, meinen Freunden und mir wurde monatelang aufgelauert und nachgestellt. Auf meine Privatsphäre wurde keine Rücksicht genommen."
Heute schreibt u.a. die SZ (S. 15), diesmal auf der Medienseite:
"Der Vorwurf, schreibt Panorama in einer Erwiderung (anbei das PDF; AP), sei falsch: 'Wir kennen die Familie von Herrn Maschmeyer überhaupt nicht.' Panorama habe 'lediglich monatelang versucht, per E-Mail, Fax und Telefonanrufen Carsten Maschmeyer zu einem Interview zu bewegen'. Bislang habe er sich dem aber stets verweigert."
Der NDR hat zudem, was auch die FAZ (S. 29) würdigt, mit einer "Judges Cut" genannten Version des Films ("Mit neuen juristischen Regieeinfällen") reagiert, zu sehen online.
Michael Hanfeld fasst für die FAZ noch einmal zusammen, worum es in diesem Fall geht:
"Es geht hier nicht um Peanuts, sondern um die engen Verbindungen eines Finanztycoons in die Politik und um die Möglichkeiten darüber zu berichten – also um die Pressefreiheit. Maschmeyers Presseanwälte gehen gegen Aussagen des Films vor, ein Strafverteidiger schreibt ein Gutachten über etwaige strafrechtliche Verfehlungen der Journalisten, währenddessen gibt Maschmeyer Dritten Interviews, in denen er als verfolgte Unschuld auftritt. Mit 'Panorama' spricht er nach wie vor nicht. Das sind drei Akkorde derselben Melodie, die man erst in der Zusammenschau erkennt, die Journalisten sollen eingeschüchtert und isoliert werden."
Altpapierkorb
+++ Ärger an der Politmagazin-Front gibt es an anderer Stelle: "Frontal21", so der Spiegel (S. 139) "enthüllte vor drei Wochen in einem spektakulären Beitrag, wie Pharmaunternehmen bisweilen mit Gegnern umgehen" – nun ist der Autor in der Kritik: "Machte das Zweite quasi einen Bock zum Gärtner?" +++
+++ Wie geht's eigentlich Danny DeVito? Laut Spiegel Online (auch oben verlinkt) empfahl er bei der Goldenen Kamera die Benutzung von Twitter: "Ich krieg da enorm viel Feedback!" +++ Womit wir irgendwie auch wieder in der arabischen Welt wären: "Die politischen Ereignisse in Ägypten und Tunesien haben gezeigt, dass sich umstrittene Machthaber vor Twitter fürchten. Wie wichtig der Kommunikationsdienst bei der Organisation der Demonstrationen auch immer war, dass die Regierungen den Nachrichtenfluss gekappt haben, zeigt das politische Potenzial der Kurzbotschaften", schreibt die NZZ, die sich dieses Twitter daher mal genauer anschaut +++ Der Spiegel widmet seinen Medienaufmacher dem "wichtigsten Nachrichtensender der Welt", al Dschasira (S. 136 ff.) +++ Der Tagesspiegel fragt nach den symbolträchtigen Bildern aus Afghanistan, Tunesien und Ägypten +++ Zur Frage nach der Bedeutung von Twitter und Co. siehe auch evangelisch.de +++ Die Internetrevolution macht weiter: Nach der Weltgeschichte packt sie nun auch das Wrestling (BLZ) +++
+++ "Hindenburg" lief am Sonntagabend bei RTL, Teil 2 folgt am heutigen Montag. Toller Film, wenn man Karneval mag. Falls noch jemand einsteigen will – hier die Besprechungen: SZ, FAZ, BLZ / FR, TSP, TAZ, Welt.de, KSTA, Hamburger Abendblatt +++ Mehr Fernsehen? "Duelle" (Schröder-Lafo, TAZ, TSP) +++ Und noch mehr Fernsehen: Irgendwas mit Lena Meyer-Landrut ist der Aufmacher der SZ-Medienseite (S. 15). Ach so, ein Treffen mit ihr und ein Gespräch über das Dasein als Lieblingsthema der Medien +++
+++ Niklas Maak bespricht für die FAS ("Warum ist sie nochmal so erfolgreich – und so unerträglich?") Heidi Klum – und findet passende Zitate aus dem "Untertan" +++ Die Intendantenwahl des ZDF kündigt die SZ für den nicht ganz unstaatlichen 17. Juni an +++ Einen Stasifall der ARD rollt der Spiegel auf +++
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.