Die Rückkehr des Rückkehrers

Die Rückkehr des Rückkehrers

Frische Witzchen um Harry Schmidtchen: Die Stimmen zum jüngsten Wechsel des Satire-Capitano. Außerdem: erstaunliche Bertelsmann-Kritik.

Es ist eine Königsdisziplin des deutschen Medienjournalismus: die Wege Harald Schmidts zu verfolgen. Schließlich war der Entertainer oft wirklich witzig (und ist's vielleicht immer noch, solange sich keine ARD-Kameras auf ihn richten), schießlich hat er glamouröse Weggefährten wie Fred Kogel, die häufig über Top-Informationen verfügen. Schließlich gestatten Schmidts Lebenswerk und -weg Einblicke sowohl ins Privatfernsehen der Heuschreckenkapitalisten (denen Sat.1 noch immer gehört) wie auch ins verzwickte Föderalsystem der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland.

Daher waren es immer die Könige der Medienseiten, die Ressortchefs, die in die Tasten hieben, wenn Grundsätzliches rund um Schmidt berichtet und bewertet werden musste. So verhält es sich weiterhin. Das zeigen die Berichte zur Top-News von gestern, der Rückkehr (siehe natürlich auch evangelisch.de) des 1995 von der ARD zu Sat.1 und 2003/ 2004 von Sat.1 zur ARD gewechselten Entertainers Schmidt zu Sat.1. Wobei sich der Humor der Berichte durchaus auf Augenhöhe mit demjenigen des Berichterstattungsgegenstands bewegt.

"Schmidtchen Schleicher", scherzte gestern bei sueddeutsche.de Hans-Jürgen Jakobs, der vom Medienressortchef der SZ bekanntlich zu deren Online-Chefredakteur befördert wurde (und die nächste Beförderung ja auch schon bewilligt bekommen hat). Wer die mediale Referenz verstehen möchte, darf nicht mehr jung sein. Klassischer der Bezug, den in der FAZ Michael Hanfeld (der wirklich auch mal eine Beförderung verdient hätte) für seine Überschrift wählt: "Kogel, hol schon mal den Harry vor", lautet sie. Inhaltlich beschäftigt sich Hanfeld mit neuesten Planspielen für all die Talkshow-Sendeplätze in der ARD, während Jakobs versucht, Ökonomie (Chef des SZ-Wirtschaftsressorts, das ist sein nächster Posten) und Mediengeschichte zu vereinen:

"Die Mehrausgaben für Jauch müssen eingespart werden, und sei es auf Kosten von dessen Freund Schmidt. Der Late-Night-Mann hat seine alten Fürsprecher verloren. Leute wie den ARD-Programmdirektor Günter Struve oder die Intendanten Fritz Pleitgen (WDR) und Jobst Plog (NDR). Sie sahen ihn gerne im Programme, auch als Begleiter von Waldemar Hartmann in Waldi & Harry. Für die Nachfolger ist Harald Schmidt jemand, der mit oft müden Sendungen manchmal nicht einmal mehr eine Million Zuschauer schafft. Ein Harry ohne Biss."

Und ein "Schmidtchen" ist er nurmehr, dieser Witz muss auch noch rein. In der Sache würde es Christopher Keil, Jakobs' Nachfolger in der Medienredaktion, ähnlich formulieren. Und formuliert es, Stichwort Königsdisziplin, natürlich selber, mit etwas mehr Empathie für den Entertainer: "Schmidt hatte es plötzlich mit Konsensintendanten wie Peter Boudgoust oder Monika Piel (WDR) oder Lutz Marmor (NDR) zu tun, die politisch schon sehr korrekt sein möchten". Der vielleicht treffendste Satz dieses Essays (SZ, S. 15): "Aber Schmidt ist in seiner Qualität sehr öffentlich-rechtlich, und er ist immer Teil des Marketings der ARD gewesen."

Der schöne Satz "Alte Liebe rostet nicht", den Joachim Huber, Medienressortchef beim Tagesspiegel, gestern schrieb, fehlt in der Druckfassung ("Drehtür-Talker") desselben Textes leider, an geradezu schmidtschen Gags mangelt es nicht. "Fehlt nur noch, dass auch Günther Jauch sein ARD-Engagement überdenkt", bzw. dass Schmidt Oliver Pocher, mit dem ihn ja auch eine medienjournalistisch ausführlich beschriebene gemeinsame Geschichte verbindet, "aus dem Sat-1-Programm schießt". Der gute Original-Schmidt-Witz von der "Mediennutte", den auch Jakobs verwandte, kommt überdies zu seinem Recht.

"Herr Schmidt macht den Kerner", scherzt Steffen Grimberg aus der TAZ-Medienredaktion in der Zeitungsfassung, die ebenfalls online ausführlicher vorliegt. Das ist ein durchaus sarkastischerer Scherz, denn: "Auch die Rückkehr ins private Fernsehen muss kein Selbstläufer sein – wie Schmidts Freund Johannes B. Kerner beweist, der seit seinem Wechsel vom ZDF zurück zu Sat.1 extrem schwächelt."
(Für Nicht-Insider: Während Schmidt tatsächlich ein Freund des ARD-Neuzugangs Jauch sein soll, ist er sicherlich kein Freund Kerners...)

Mit der vielleicht reflektiertesten Analyse jedoch überrascht heute Ralf Mielke, Medienressortchef der Berlin-Frankfurter DuMont-Presse:

"Ob eine Pointe zündet, hängt zuallererst vom Timing ab. Wer wüsste das besser als Harald Schmidt ... Als solcher hat er nun seinem Arbeitgeber, der ARD, die Brocken vor die Füße geworfen, und zwar zu einem Zeitpunkt, der pikanter nicht hätte sein können. Denn die Mitteilung, dass er im nächsten Jahr zurück zu Sat.1 wechselt, um dort zweimal in der Woche seine Late-Night-Show aufzuführen, ließ Harald Schmidt just an dem Tag verbreiten, als sich die ARD-Mächtigen in Bonn trafen, um über die Zukunft ihres Ersten Programms zu beraten, und nebenbei auch über die Zukunft von Schmidt".

Hier folgt die auch sonst überall aufgeführte Spekulation, die Intendanten könnten Schmidt auf den so genannten "Satiregipfel" (eine real existierende ARD-Show!) abschieben. "Bevor es dazu kommen konnte, kehrt ihnen Schmidt lieber den Rücken. Und düpiert mit seiner Ankündigung die komplette ARD." Das entspricht den Informationen von dwdl.de. Ein Fan Schmidts, wie er in den letzten Jahren war, ist Mielke freilich auch nicht: "Zweimal in der Woche werde seine Show auf Sat.1 laufen, jeweils 60 Minuten lang. Für Schmidt ist das immerhin eine Verdoppelung der Arbeitszeit. Hoffentlich hat er dafür genügend Pointen parat."

[listbox:title=Artikel des Tages[BLZ/ FR zur Schmidt-Lage##FAZ (Sa.) zur Bertelsmann-Stiftung##Korrespondenten-Streik bei der TAZ (Tsp.)##Was die Streikenden sagen (Youtube)##Die ARD/ ZDF-Serienmisere (TAZ)]]

Wenn er sie ab jetzt schon mal sammelt und einspart, vielleicht klappt's. Denn, und das ist der eigentliche Timing-Clou, der vermutlich sogar in den ARD-Kram passt: Am Donnerstag um 23.00 Uhr geht ja erst noch einmal eine Staffel mit ARD-Schmidt-Shows los, ein ganzes liebes Jahr lang. [Und als Gegenleistung für unser Foto des Entertainers oben müssen wir hier noch auf die RBB-Show "Die 30 legendärsten Fernsehshows" (RBB, 6. Oktober, 21.00 Uhr) hinweisen - eine der fürs ARD-Entertainment leider auch typischen Wiederverwertungsshows. Interessenten können derzeit noch voten - bezeichnenderweise stehen "Am laufenden Band", "Dalli, Dalli" und dergleichen zur Wahl, aber keinerlei Schmidt-Show, weder in der ARD, noch auf Sat.1. Hier ist Schmidt allein als zwischenzeitlicher "Verstehen Sie Spaß?"-Moderator vertreten...]


Altpapierkorb

+++ Am Samstag groß vorn auf dem FAZ-Feuilleton, jetzt frei online: vor allem für FAZ-Verhältnisse herbe Kritik an der Bertelsmann-Stiftung, ausgerechnet zum 175. Jahresehrentag des Unternehmens, bezogen auf Thomas Schulers Buch "Bertelsmannrepublik Deutschland". "Die Ausnutzung" des guten Rufs von Sozial-, Kultur-, Stipendienstiftungen "durch hybride Gebilde, die Eigennutz als Gemeinnutz tarnen, ist der wahre Skandal des Falles Bertelsmann", schreibt Peter Rawert, "Honorarprofessor an der Universität Kiel sowie Lehrbeauftragter für Stiftungsrecht an der Hamburger Bucerius Law School". +++

+++ Streik bei der TAZ: Und zwar bei den Auslandskorrespondenten. Ulrike Simon berichtet in der BLZ unter Hinweis auf das Youtube-Video "Bei der taz sitzt man im Ausland demnächst in der 2. Reihe", aber auch mit dem, was Chefredakteurin Ines Pohl entgegnet ("Gleicher Lohn für gleiche Arbeit"). +++ Wenn die TAZ heute anlässlich der ARD-DDR-Serie "Weißensee" (genauer: Sender ARD, Thema DDR) von einer darüber vor kurzem mäkelnden "Ost-Berliner Zeitung" schreibt, handelt es sich bei dieser wiederum um die BLZ. An sich aber durchaus lesenswert, der TAZ-Artikel. Er schildert etwa noch einmal, wie das ZDF seine gute Krimiserie "KDD" "aus nicht nachvollziehbaren Gründen nach Schnarchkrimis wie "Der Alte" platziert und damit das geriatrische Stammpublikum verschreckt" hatte. Wenn David Denk dann schreibt: "Mal sehen, wie es Dominik Grafs gefeierter Russenmafiaserie 'Im Angesicht des Verbrechens' ergeht, wenn sie am 22. Oktober den sonst für Christine Neubauer reservierten Freitagabendsendeplatz im Ersten übernimmt", täuscht er sich zwar terminlich ("IADV" übernimmt schon aus Jugendschutzgründen den "Tatort"-Wiederholungs-Sendeplatz im Anschluss an Neubauer), aber nicht in der Sache... +++ Gern hat die TAZ das gestrige BLZ-Interview mit dem goldigen Experten Jo Groebel gelesen. +++

+++ Was ist sonst von "Weißensee" zu halten? "Die ARD-Familienserie ... gibt Menschen der ehemaligen DDR ihre Würde zurück" (Kerstin Decker, Tsp.). +++ "Die ARD macht die DDR zur Seifenoper" (Michael Hanfeld, FAZ, S. 37). +++

+++ Breaking News aus der Talkshowflut: "Ehefrau Illner moderiert nicht" (gestern im "heute-journal", wegen ihres Ehemanns Obermann), siehe faz.net. +++ Tiefe Einblicke in den Weinjournalismus gewährt dann noch die Süddeutsche Zeitung. RTL-Ikone Hans Mahr belebt nämlich dieses Segment des deutschen Pressemarktes mit dem österreichischen Blatt Falstaff, und das geradzu brisant: "Auch die Enthüllung, dass der künftige ARD-Moderator Günther Jauch sich in der Pfalz ein Weingut zugelegt habe, ist außergewöhnlich für ein Weinmagazin."


Neues Altpapier gibt's wieder am Mittwoch.

 

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