TV-Tipp: "Die Stille am Ende der Nacht"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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10. Februar, ZDF, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Die Stille am Ende der Nacht"
"Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe", heißt es im ersten Brief des Paulus von Tarsus an die Korinther. Die Liebe jedoch, resümiert der erste christliche Theologe, "ist die größte unter ihnen"; und davon handelt dieser herausragend gute Abschluss der Krimi-Trilogie mit Henry Hübchen.

Als den mittlerweile pensionierte Kommissar (Henry Hübchen) seine ehemalige Partnerin Konstanze Satorius (Victoria Trauttmansdorff) bittet, gemeinsam seinen letzten Fall aufzurollen, bietet sich Johannes Fischer die Chance, ein Unrecht wieder gut zu machen: Er war stets überzeugt, dass die wegen Totschlags an ihrem Chef zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilte Liane Sievers (Kim Riedle), Mitarbeiterin einer Werbeagentur, unschuldig ist. Ein einziges Indiz sprach gegen sie: das Blut des Opfers auf ihrer Kleidung. Nun ist die damalige Tatwaffe aufgetaucht: Als ein Einbrecher ums Leben kommt, entdeckt die Polizei zwischen seinem Diebesgut auch jene Preistrophäe, mit der Nicolai Schweitzer (Julian Weigend) erschlagen worden ist; die Fingerabdrücke auf der Skulptur stammen nicht von Liane. 

Was wie eine zwar interessante, aber handelsübliche Krimistory klingt, entpuppt sich faszinierendes Drama, das sich mehr und mehr zur Tragödie wandelt. Das Drehbuch zu "Die Stille am Ende der Nacht", nach "Tage des letzten Schnees" (2019) und "Das Licht in einem dunklen Haus" (2022) der dritte und definitiv letzte Film der Reihe, stammt erneut von Nils-Morten Osburg, basiert im Gegensatz zu den beiden anderen allerdings nicht auf einer Romanvorlage von Jan Costin Wagner.

Regie führte wieder Lars-Gunnar Lotz, der dem Krimi gerade in den Rückblenden gemeinsam mit Kamerafrau Julia Daschner eine reizvolle Bildsprache gegeben hat. Die Agenturszenen sind ausnahmslos von plakativen Farben geprägt, die jedes Mal wechseln und unterschiedliche Stimmungen signalisieren: mal ein fröhliches Party-Pink, mal ein beruhigendes Orange, aber meistens bedrohlich und plakativ in knallgelb, blutrot oder giftgrün. 

Fesselnd ist auch das erzählerische Konzept. Wenn Fischer und Satorius die Befragungsprotokolle durchgehen, illustriert Lotz die Schilderungen durch entsprechende Szenen. Auf diese Weise werden zum Beispiel die Ereignisse des Tatabends aus verschiedenen Perspektiven geschildert, wobei sich erst später rausstellt, dass nicht alle Beteiligten die Wahrheit gesagt haben; die Bilder dokumentieren also nicht die Wirklichkeit, sondern bloß die Aussagen. Nach und nach entfaltet sich so die Persönlichkeit der von Kim Riedle mit großer Intensität verkörperten weiblichen Hauptfigur: Liane ist einst durch den Suizid ihrer besten Freundin komplett aus der Bahn geworfen worden.

Die junge Frau hat sich vor rund zwanzig Jahren nach dem Ende einer Beziehung das Leben genommen. Die Sonne sei für sie gestorben, hat sie Liane damals sinngemäß hinterlassen. Deren Dasein wiederum ist erst durch die Begegnung mit ihrem späteren Mann (Franz Hartwig) ins Lot gekommen. Das traute Familienleben mit drei Kindern ist dann abrupt zerrissen worden, als sie verhaftet wurde. Der Film nimmt sich die Zeit, um zu zeigen, wie Gatte Jasper mit der Situation zunächst völlig überfordert ist, bis er schließlich neuen Mut schöpft und für eine Wiederaufnahme des Verfahrens kämpft. 

Neben den ausnahmslos vorzüglichen Leistungen sämtlicher Mitwirkender – auch die drei Kinder meistern die zum Teil schwierigen emotionalen Momente mit Bravour – lebt "Die Stille am Ende der Nacht" nicht zuletzt von der nicht immer offenkundigen Komposition der verschiedenen Zeitebenen: Gerade noch haben sich Liane und Jasper auf dem Friedhof kennengelernt, unmittelbar drauf kommt es zu einer Verfolgungsjagd über die Dächer und den Absturz des Einbrechers. Auf harmlose Bilder folgt unvermittelt und durch heftige Soundeffekte untermalt ein Albtraum Lianes, die im Gefängnis wieder in die Verhaltensmuster ihrer psychischen Labilität zurückfällt. 

Osburg und Lotz haben den verschiedenen Akten die Überschriften Glaube, Hoffnung und Liebe gegeben. Das Paulus-Zitat ist dem Film vorangestellt, Jasper wird es später gegenüber Fischer erwähnen. Dazu passt auch die Haltung des ehemaligen Kommissars und der gleichfalls in Rückblenden gezeigte Zwist mit der Partnerin: Er verliert den Glauben an seinen Beruf, sie stellt fest, es sei Zeit, dass er in Pension gehe. Mit dem Beweisstück bietet sich ihm eine unverhoffte zweite Chance, zumal die Person, deren Abdrücke die Trophäe zieren, geständig ist. Damit ist der Film jedoch noch lange nicht zu Ende: Die Geschichte überrascht durch eine völlig unvorhersehbare Wende.