13.000 Einwohner, acht Kulturen und Sprachen und unendlich viel Staub – das ist meine Heimatstadt Filadelfia in Paraguay. Vor 75 Jahren gab es dort nichts als Busch und wilde Indianerstämme. Heute ist diese Gegend – der Norden Paraguays, auch bekannt als „Gran Chaco“,– ein Schmelztiegel der Kulturen. Neben Deutschen, Brasilianern und russlanddeutschen Auswanderern leben dort immer noch einige Indianerstämme, wie die Ayoreos oder Chulupí. Einige leben im Busch wie eh und je, doch andere haben in den letzten 75 Jahren eine Entwicklung von mehreren Jahrhunderten Zivilisation hinter sich. Sie kleiden sich heute genauso wie alle anderen, benutzen Handys, besitzen Fernseher und essen Weißbrot.
Auf der anderen Seite der Erdkugel ist Berlin, eine Weltstadt mit mehr als drei Millionen Einwohnern – seit zweieinhalb Jahren mein neues Zuhause. Hier friste ich ein ganz normales Studentendasein, spreche Deutsch, fahre täglich stundenlang S-Bahn und habe fast öfter mit Automaten als mit Menschen zu tun.
Kurzum: Momentan befinde ich mich im Dauerspagat zwischen diesen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten.
Paraguay - ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten
Wenn ich Paraguay in wenigen Schlagworten beschreiben müsste, würde ich so antworten: Es ist (fast) immer heiß, riecht nach Abgasen und Müll, die Menschen sind laut und lebendig, das Leben relativ entspannt, jedoch nicht einfach.
Der Alltag in diesem südamerikanischen Land funktioniert anders als in Deutschland. Wenn man dort als Antwort ein „Nein“ erhält, bedeutet dies noch lange nicht das Ende. Es gibt immer noch einen anderen – oft etwas unkonventionellen – Weg. Etwas zu planen ist meist nicht wirklich sinnvoll, da man am Ende sehr wahrscheinlich improvisieren muss. Und wenn jemand sagt, dass er etwas „morgen“ erledigen wird, dann heißt das: „Irgendwann in der Zukunft“.
Meine Heimatstadt Filadelfia liegt 450 Kilometer von der Hauptstadt Asunción entfernt. Früher war diese Reise für mich die reinste Tortur. Eine endlose gerade Straße. An den Seiten nur Palmen, Gras und hier und da ein paar Hütten. Sonst nichts. Heute genieße ich die Strecke. Es ist genau das, was ich in Berlin so oft vermisse: Dass man den Horizont sehen kann und es keine Menschen gibt.
Das schönste am Chaco sind die friedvollen Abende und Morgen. Nach einem Tag mit brennendem Sonnenschein und heftigen Sandstürmen gibt es nichts Schöneres als draußen zu sitzen und tausende von Sternen zu genießen. Nichts geht über den Moment, in dem du die Milchstraße mit bloßem Auge sehen kannst, während irgendwo im Busch die Füchse und Eulen heulen.
Berlin – die graue Stadt der Farben
Wenn ich an Berlin denke, denke ich vor allem an unendlich viele Gebäude, S- und U-Bahnen, Menschen aus aller Herren Länder und an Geschäftigkeit. Das Schöne an Berlin ist, dass man in jeder Weise eine unendliche Vielfalt hat: Menschen aus jeder Nation und alle nur erdenklichen Sprachen, von Russisch bis Urdu. Graffiti an fast jeder Wand, Farben überall. Wenn man Berlin etwas besser kennt, kann man selbst in dieser Großstadt entspannen. Denn obwohl Berlin viel zu oft einfach nur grau und laut ist, gibt es auch hier tolle Fleckchen, wo man die Seele baumeln lassen kann.
Spagat zwischen zwei Kontinenten
Manchmal raubt es mir alle Kraft zwischen diesen zwei Welten zu pendeln und zu sortieren, was in welche Welt gehört. Es ist kein schönes Gefühl, denn egal in welcher Welt ich bin, stets vermisse ich etwas von der andren.
Vielleicht habt ihr ja selbst schon einmal längere Zeit woanders gelebt und wisst, wovon ich rede. Was sind eure Erfahrungen? Was seht ihr heute vielleicht anders als vor eurem Auslandsaufenthalt?