Pastor Matthias Freytag sprüht an der Tür der Immanuelkirche in Laatzen bei Hannover den Besuchern Desinfektionsmittel in die Hände. Er reicht ihnen Mund-Nase-Masken an, wie sie die hannoversche Landeskirche für Gottesdienste künftig dringend empfiehlt. In der Kirche haben am Montag Verantwortliche eine Handreichung der evangelischen Landeskirche vorgestellt. Sie erläutert, wie Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden können, wenn nach rund zwei Monaten Zwangspause in der Corona-Krise ab Sonntag in Niedersachsen wieder Gottesdienste gefeiert werden dürfen.
Der Geistliche Vizepräsident im hannoverschen Landeskirchenamt, Arend de Vries, sagte: "Ich glaube, es gibt in der Kirchengeschichte kein einziges Beispiel dafür, dass solange alles ausgesetzt wurde." Wenn jetzt die Kirchen wieder zu Gottesdiensten öffneten, werde vieles anders sein. So sei gemeinsamer Gesang nicht möglich, auch auf das Abendmahl müsse verzichtet werden. Die Zahl der Besucher werde eingeschränkt.
50 statt 400 Menschen
Im Gang der Immanuelkirche kennzeichnen Klebebänder, wie nah sich Menschen kommen dürfen. Von den 400 Plätzen der Kirche sollen künftig nur bis zu 50 genutzt werden. Jede zweite Bank ist mit Flatterband abgesperrt. Menschen, die nicht im selben Haus leben, müssen drei Plätze zum Sitznachbarn frei halten. Auch in den Bänken gibt es dafür Markierungen.
In der vergangenen Woche hatten sich die Kirchen und Religionsgemeinschaften in Niedersachsen mit dem Land darauf geeinigt, dass religiöse Feiern unter Einhaltung von Regeln wieder möglich sein sollen. Zudem hatte das Bundesverfassungsgericht in der Klage einer muslimische Gemeinde ein pauschales Verbot in Niedersachsen gekippt und auf die Prüfung von Einzelfällen gepocht.
Gemeinden kreativ und dankbar
Als Bevollmächtigte der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen sagte Oberlandeskirchenrätin Kerstin Gäfgen-Track, die Kirchen hätten sich für ein Aussetzen der Gottesdienste entschieden, um ihren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten. Dass ein Verbot einer verfassungsrechtlichen Prüfung kaum hätte standhalten können, sei ihnen bewusst gewesen.
De Vries zufolge sind auch Trauungen und Taufen wieder möglich. Bei Trauerfeiern könnten unter Einhaltung der Regeln wieder mehr als zehn Besucher zugelassen werden. Wie Gemeinden einen möglicherweise zu großen Besucherandrang regeln, sei ihnen selbst überlassen. Denkbar sei es etwa, Platzkarten auszuhängen. Die Gemeinden seien kreativ und zumeist dankbar für die Vorgaben, sagte er. Zugleich erreichten ihn auch kritische Mails. Deren Autoren beriefen sich etwa auf den Reformator Martin Luther oder den Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und bemängelten, die Kirche lasse sich zu viele Einschränkungen zumuten.