Polizeischutz bis auf die Toiletten: Rocker vor Gericht

Polizeischutz bis auf die Toiletten: Rocker vor Gericht
Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat am Dienstag vor dem Landgericht Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz) der Prozess um den Mord an einem Mitglied der Rocker-Gruppe Outlaws begonnen. Angeklagt sind zwei Mitglieder der konkurrierenden Hells Angels. Sie sollen einen Regionalchef der Outlaws im Juni im Donnersbergkreis getötet haben. Der Mann war auf einer Landstraße mit mehreren Messerstichen umgebracht worden.
22.12.2009
Von Marc Strehler und Ewald Trojansky

Laut Anklage war der Angriff eine Racheaktion, weil einer der Angeklagten wenige Tage vor der Tat von einem anderem Outlaw verprügelt worden war. Um Auseinandersetzungen zwischen den beiden Rocker-Gruppen zu verhindern, gleicht der Bereich um das Landgericht einer Hochsicherheitszone.

Die erste Kontrolle gibt es bereits an der Autobahnabfahrt Kaiserslautern, Kilometer vom eigentlichen Schauplatz des Geschehens entfernt. Dort stoppt die Polizei am Dienstagmorgen stichprobenartig Autofahrer und fragt freundlich, wohin es gehen soll. In der Kaiserslauterer Innenstadt herrscht wenig später Ausnahmezustand. Etwa 1.000 Anhänger der rivalisierenden Rocker-Gangs Hells Angels und Outlaws sind angereist. Bis zum Landgericht kommen die meisten nicht durch. Dort müssen sich zwei Hells Angels wegen Mordes an einem Regionalchef der Outlaws verantworten.

Polizeischutz bis in die Toilettenräume

Hunderte Polizisten sind an diesem Tag in der Stadt unterwegs, und das im größten Vorweihnachtstrubel. Mit rigiden Kontrollen wollen die Beamten verhindern, dass die beiden Gangs aneinandergeraten. Mehrere hundert Hells Angels versammeln sich in einer Straße vor einer Kneipe, streng bewacht von der Polizei. Ein paar hundert Meter weiter stehen ungefähr genauso viele Outlaws auf einem Platz zusammen. Immer wieder sind Sirenen von Blaulichtern zu hören. Erste Kontrollen sind erfolgreich: Rund 40 gefährliche Gegenstände stellt die Polizei bei den Rockern sicher, darunter auch Stichwaffen.

Der Platz um das Landgericht ist komplett abgeriegelt, wer ins Gebäude will muss sich extremen Überprüfungen unterziehen - nicht einmal der Präsident des Gerichts kommt um die Kontrolle herum. Selbst die Schuhe müssen Gerichtsbesucher ausziehen, auch sie werden nach Waffen durchsucht. Wer einmal im Gebäude ist, darf nur in Polizeibegleitung zu den Toiletten gehen.

Nur einmal stoßen einige Hells Angels und Outlaws aufeinander und bewerfen sich mit Asphaltbrocken. Ein Polizist wird leicht verletzt, mehrere Autos werden beschädigt. Die Polizei nimmt einen Verdächtigen fest. Hinterher wird Polizei-Einsatzleiter Hans Maaßen feststellen, "dass auf beiden Seiten Gewaltpotenzial vorhanden ist".

Verhandlungen noch bis März geplant

Die Sicherheitskräfte wollen auf Nummer sicher gehen und weitere Rache-Taten zwischen Hells Angels und Outlaws verhindern. Auch der vor Gericht verhandelte Fall war letztlich ein Racheakt. Einer der Angeklagten war Ende Juni, wenige Tage vor dem Mord in Bad Kreuznach, mit einem Outlaw aneinandergeraten und verletzt worden. Mit zwei Komplizen pickte er sich ein paar Tage später mehr oder weniger willkürlich einen Outlaw heraus. Das Trio verfolgte und tötete den 45-Jährigen laut Anklage in der Nähe von Stetten im Donnersbergkreis. Ein weiterer Tatverdächtiger ist bis heute auf der Flucht.

Der Prozessauftakt dauerte am Dienstag nicht einmal eine Stunde. Die Verteidiger des 29 Jahre alten Angeklagten beanstandeten noch vor der Verlesung der Anklage in einem Antrag die Besetzung der Strafkammer und zweifelten außerdem deren Zuständigkeit an. Am 7. Januar soll der Prozess fortgesetzt und über den Antrag entschieden werden.

Angeklagter deutet Abschied von den Hells Angels an

Der 42 Jahre alte Angeklagte, der aus dem nordpfälzischen Rockenhausen stammt, ist in einem Zeugenschutzprogramm. Er hatte sich nach der Bluttat der Polizei gestellt und ausgepackt. Er saß - rockerunüblich - im schwarzen Jackett im Gerichtssaal, ein Hinweis darauf, dass er mit den Hells Angels abgeschlossen hat. Sein 29 Jahre alter Komplize aus Mannheim trug dagegen einen roten Kapuzenpulli, rot-weiß sind die Farben der Hells Angels. Von den Zuschauern waren die beiden durch eine schusssichere Scheibe getrennt. Im Saal verfolgten einige Mitglieder von Hells Angels und Outlaws die Verhandlung, mit einem Puffer aus Polizisten dazwischen.

Mindestens bis März soll vor dem Landgericht unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen verhandelt werden. Die Outlaws haben bereits schriftlich erklärt, was sie von dem Verfahren erwarten: "Wir gehen davon aus, dass die Täter strafrechtlich voll zur Rechenschaft gezogen werden."

dpa