2009 sei für die Menschenrechte ein "Jahr der verpassten Chancen" gewesen, sagte Amnesty-Generalsekretärin Monika Lüke am Mittwoch in Berlin.
Die Juristin verwies auf das weiter existierende US-Gefangenenlager Guantánamo mit derzeit 211 Häftlingen, auf die von Abschottung geprägte Flüchtlingspolitik der Europäischen Union und auf die zum Teil pogromartige Verfolgung von Angehörigen der Roma-Minderheit in mehreren europäischen Staaten wie in Ungarn und Italien. Aber auch den "Terror gegen die eigene Bevölkerung" etwa im Kongo, im Iran und Mexiko, kritisierte Lüke.
Gruppen fordern mehr Engagement in der Klimapolitik
Das Forum Menschenrechte, ein Zusammenschluss von mehr als 50 Organisationen, forderte die Bundesregierung auf, sich stärker für die wirtschaftlichen und sozialen Rechte in der Klimapolitik einzusetzen. Mit Blick auf die Flüchtlingspolitik der EU und die Armutsbekämpfung in Deutschland erklärte das Bündnis, glaubwürdig sei nur, "wer die Menschenrechte auch im Innern ernst nimmt". Hier würden "konkrete Initiativen" der Bundesregierung erwartet. Das gleiche gelte für den Schutz der Grundrechte bei der Terrorbekämpfung.
Lüke bezeichnete die Schließung von Guantánamo und die Aufnahme von Häftlingen durch Deutschland und andere EU-Staaten als einen "überfälligen Beitrag zum Weltfrieden". Dabei gehe es um rund 50 Gefangene, "gegen die strafrechtlich nichts vorliegt und die wegen drohender Verfolgung nicht in ihre Heimat zurückkehren können". Lüke bezeichnete das im Januar 2002 eröffnete Lager als "Symbol einer menschenverachtenden Terrorismusbekämpfung".
Kritik an Migrations- und Flüchtlingspolitik der EU
Der Europäischen Union warf Lüke vor, mit der für Donnerstag in Brüssel geplanten Verabschiedung des sogenannten Stockholmer Programms durch den Europäischen Rat die Chance zu verpassen, "eine moderne menschenrechtskonforme Migrations- und Flüchtlingspolitik zu verankern".
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Amnesty bemängelt unter anderem die fehlende Einigung in der EU, positive Asylbescheide gegenseitig anzuerkennen und den geplanten Ausbau der Zusammenarbeit mit Staaten wie Libyen und Mauretanien, die die Genfer Flüchtlingskonventionen nicht anerkennen. Angesichts der "Zustände im Mittelmeer" sei das die falsche Antwort auf die Flüchtlingsströme aus Nordafrika. Zudem forderte Lüke klare Regeln für die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Asylsuchende dürften nicht "in Folterstaaten" zurückgeschoben werden.
Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen in Afghanistan
Zur neuen Afghanistan-Strategie der USA mit der geplanten Aufstockung der US-Streitkräfte um 30.000 Soldaten sagte Lüke, die Sicherheit am Hindukusch könne nur "durch den Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen erhöht werden". Dabei sei zunächst die Regierung in Kabul in der Pflicht, die Einhaltung der Menschenrechte zu stärken.
Aber auch die deutschen Soldaten bräuchten Rechtssicherheit bei ihren Einsätzen. Solange es kein Gesetz gibt, das die Eingriffsbefugnisse bei Auslandseinsätzen klar regelt, sei es "unzumutbar, dass Soldaten sich ständig am Rande des Grundgesetzbruchs" bewegten.
In dem Zusammenhang forderte sie für das US-Gefangenenlager Bagram in Afghanistan mit über 600 Gefangenen den Zugang unabhängiger Rechtsanwälte. Bislang herrschten dort menschenunwürdige Bedingungen, sagte Lüke.