Arbeitsmarkt 2010: Deutschland bleibt schwere Jobkrise erspart

Arbeitsmarkt 2010: Deutschland bleibt schwere Jobkrise erspart
Seriöse Prognosen scheinen fast unmöglich, auch erfahrene Arbeitsmarktforscher üben sich in Zurückhaltung: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt im neuen Jahr ist derzeit selbst für ausgebuffte Experten ein Überraschungspaket. Nur in einem Punkt haben sich die Jahresprognosen von Forschern, Verbänden und Bankenvolkswirten in den vergangenen Wochen angenähert: Die Lage auf dem Arbeitsmarkt wird 2010 nicht annähernd so schlimm, wie die meisten von ihnen bis vor wenigen Wochen befürchtet hatten.
08.12.2009
Von Klaus Tscharnke

Mit einer Trendwende rechnet im neuen Jahr freilich auch keiner. Deutschland stehe - wenn schon nicht vor einer schweren Jobkrise - so doch vor einem kräftigen Arbeitsmarktabschwung. Während Volkswirte deutscher Großbanken nach monatelangen düsteren Krisenszenarios inzwischen auf einen optimistischen Kurs eingeschwenkt sind, hält das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) noch an seiner konservativen Prognose fest: Das Forschungszentrum der Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet im neuen Jahr im Schnitt mit rund 4,1 Millionen Arbeitslosen. Dies wären immerhin rund 600.000 Arbeitslose mehr als im Jahr 2009. Banken- Vertreter halten nach der leichten Arbeitsmarktentspannung in der zweiten Jahreshälfte 2009 dagegen einen Wert von nur 3,7 Millionen für möglich.

IAB-Expertin Klinger: Indikatoren weckten Zuversicht

Für die IAB-Konjunkturexpertin Sabine Klinger hängt derzeit viel von den Unternehmen ab. "Viele Firmen sind seit Monaten nicht voll ausgelastet. Wir haben keine Informationen, wie lange sie das noch durchhalten, ohne Mitarbeiter zu entlassen", erläutert sie. Prognosen seien schwierig. Denn: Bisher habe es keine Konjunktursituation gegeben, in der Unternehmen sinkende Produktivität hingenommen hätten. Tatsächlich hat sich in der aktuellen Rezession die Stundenproduktivität in der deutschen Wirtschaft zum ersten Mal seit 1970 verringert. Für gewöhnlich lösen solche Entwicklungen Entlassungswellen aus.

Doch darauf gibt es nach Einschätzung von IAB-Expertin Klinger bislang keine handfesten Hinweise. So hat sich die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften seit fünf Monaten weitgehend stabilisiert. Und auch andere Indikatoren weckten Zuversicht: "Es gibt noch keine Hinweise, dass derzeit Entlassungswellen unmittelbar bevorstehen", betont Klinger. Noch immer federten Zehntausende von Unternehmen ihre Auftragsflauten mit Kurzarbeit und flexiblen Arbeitszeitmodellen ab. Überschüsse auf Arbeitszeitkonten würden abgetragen. Der Grund: Die Sorge vor einem späteren Fachkräftemangel lässt Firmenchefs bislang vor einem umfassenderen Stellenabbau zurückschrecken.

Arbeitsmarktexperten rechnen nicht mit neuen Stellen 

Auch Bankenvolkswirte sehen die Arbeitsmarktentwicklung inzwischen positiver als noch im Spätsommer. So rechnet Stephan Bielmeier von der Deutschen Bank inzwischen für 2010 nur noch mit einer durchschnittlichen Arbeitslosigkeit von 3,7 bis 3,8 Millionen. "Wir müssen - vor allem in der ersten Jahreshälfte 2010 - mit einem graduellen Anstieg der Erwerbslosenzahlen rechnen, nicht aber mit einer Krise", betont er. Sein Kollege Philipp Jäger von der DZ-Bank liegt mit einer Jahresprognose von 3,85 Millionen zwar leicht darüber, ist aber ebenfalls überzeugt: "Eine große Krise, mit der wir noch vor kurzem gerechnet haben, wird es nicht geben".

Nahezu einmütig warnen Arbeitsmarktexperten allerdings vor verfrühten Aufschwungs-Hoffnungen. Selbst wenn die Rezession den Arbeitsmarkt nicht mit der befürchteten Wucht getroffen habe - mit neuen Stellen sei in den von der Krise gebeutelten Branchen vorerst kaum zu rechnen. So wie derzeit alle Mittel ausgeschöpft würden, um Stammbelegschaft zu halten, würden Firmen-Chef das gesamte Instrumentarium nutzen, um vorübergehende Auftragsspitzen ohne eine Aufstockung der Stammbelegschaft aufzufangen. Bevor neue Jobs etwa in der Autoindustrie entstünden, würden erst einmal Überstunden angeordnet, Sonderschichten gefahren und Zeitarbeiter angeheuert. 

dpa