Der Mensch beeinflusst das Klima, es wird wärmer auf der Erde. Die Erkenntnisse der Wissenschaftler sind mittlerweile über Jahrzehnte gewachsen, sie münden in einen überwältigenden Konsens: Der Mensch hat seine Hand gefährlich nah am Kippschalter; er wird durch die Verfeuerung fossiler Brennstoffe – Kohle, Öl, Gas – bald so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre emittiert haben, dass das Klima aus den Fugen gerät. Die Folgen sind unabsehbar.
Dieses Problem schreit nach Lösungen, und genau hierin liegt leider auch die Tragik, die dem Kopenhagener Klimagipfel absehbar innewohnt: Seit Monaten weckt der Name der dänischen Hauptstadt Hoffnungen, die nicht einzulösen sind. Seit Monaten läuft alles auf jene Bilder hinaus, die uns sehr bekannt vorkommen werden: Entschlossen drein blickende Staatschefs, erschöpfte Unterhändler, gehetzte Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die von Verhandlungsraum zu Verhandlungsraum eilen, um irgendwo noch eine Silbe im Vertragstext unterzubringen. Auf dass die Welt gerettet werden möge. Am Ende wird allen Unkenrufen zum Trotz ein Ergebnis stehen, und wenn es nur der Fahrplan zu neuen Verhandlungen ist. Am Ende, so werden die Bilder suggerieren, ist die Lösung des Problems näher, als sie es vorher war. Doch das ist ein Trugschluss, eine fatale Gewissenberuhigung.
Ursprüngliche Ziele krachend verfehlt
Ein internationaler Gipfel, an dem Delegierte aus 190 Länder teilnehmen, zu dem sich mehr als 80 Regierungschefs angesagt haben, den 15.000 Wissenschaftler und Interessenvertreter begleiten – ein solcher Kongress kann nur zu einem Ergebnis führen, das wir aus der Bruchrechnung kennen: auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Den Beweis dafür hat die internationale Klimagipfelei längst erbracht: Das Kyoto-Protokoll, um dessen Fortschreibung es in Kopenhagen geht, sieht vor, die Emissionen an Treibhausgasen um etwas mehr als fünf Prozent gegenüber dem Referenzjahr 1990 zu senken. Dieses Ziel hat die Weltgemeinschaft krachend verfehlt. Seit 1990 sind die weltweiten Emissionen um mehr als 40 Prozent gestiegen. Kopenhagen wird eine Scheinlösung bleiben – und das ist fatal, weil alle glauben, die Lösung des Problems befinde sich in guten Händen. Die internationale Politik macht das schon? Mitnichten.
Resignation ist auch keine Lösung, klar - und es hilft, sich auf die grundsätzlichen Zusammenhänge zu konzentrieren: Der Mensch strapaziert das sensible Ökosystem Klima, weil er Gas, Öl und Kohle verfeuert. Der Mensch muss damit aufhören, er braucht eine neue energetische Basis, und die heißt: Energie sparen und Energie aus erneuerbaren Quellen erzeuge, aus Wind, Sonne, Biomasse, Erdwärme, Wasserkraft. Es gibt dazu keine Alternative, die Energiewirtschaft westlicher Prägung ist nicht globalisierbar. Positive Beispiele, dass ein solcher Weg gangbar ist, gibt es viele. Was auffällt: Nicht eines dieser Beispiele hat seine Ursachen in internationalen Verhandlungen à la Kopenhagen; alle ambitionierten Ansätze, den verheerenden fossilen Pfad zu verlassen, sind auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene entstanden.
15 Prozent erneuerbare Energien im deutschen Stromnetz
Beispiel Deutschland: Es war eine der weisesten Beschlüsse des Bundestages, die Stromkonzerne zu verpflichten, Energie aus erneuerbaren Quellen zu einem festen Preis ins Netz einzuspeisen. Heute steuern die Erneuerbaren mehr als 15 Prozent zum Stromverbrauch in Deutschland bei. Hätte man diesen Wert 1990, dem Referenzjahr des Kyoto-Protokolls, prognostiziert – man wäre von den Lobbyisten der fossilen Brennstoffwirtschaft ausgelacht worden. Vor gut 20 Jahren schalteten die Konzernstrategen noch eine Anzeigenkampagne. Der Anlass: Die Dänen hatten seinerzeit erklärt, einen geringen Teil ihres Stroms mit Hilfe der Windkraft zu gewinnen. Der Tenor der Anzeige: lächerlich, in Deutschland nicht machbar. Heute lacht keiner mehr, das mit viel Weitblick zu Beginn der 1990er Jahre vom Bundestag verabschiedete Stromeinspeisegesetz wurde zum Exportschlager; zig Staaten haben es mittlerweile kopiert.
Beispiel Dardesheim in Sachsen-Anhalt: Es waren einige Verantwortungsträger der Kleinstadt, die sich zusammensetzten und die Chancen der erneuerbaren Energien für den Ort ausloteten. Sie bestimmten nicht über die Köpfe der Dardesheimer hinweg, sie luden Interessierte zu Informationsveranstaltungen ein, sie trugen die Diskussion in die Vereine. Heute produziert der Ort weit mehr Energie, als die Einwohner verbrauchen können, und noch wichtiger: Am Rande des Harz haben Menschen ein gemeinsames Thema gefunden, eine dezentral organisierte Versorgung mit erneuerbaren Energien schafft Arbeitsplätze vor Ort, Gelder bleiben in der Region und wandern nicht in die Kassen der großen Konzerne.
Eine Gemeinde erklärt sich zum Bioenergiedorf
Beispiel Jühnde, Niedersachsen: Die Gemeinde hat sich zum Bioenergiedorf erklärt, mit hohem Nutzungsgrad erzeugt eine Biogasanlage Strom und Wärme, während große Kohle- und Atommeiler zumeist nur Strom produzieren; mit der Wärme heizen sie sinnlos die Flüsse auf, in die sie ihr Kühlwasser abgeben. Vom Jühnder Konzept dagegen profitieren auch die Landwirte der Kommune, sie liefern die Biomasse und machen sich dabei etwas unabhängiger von schwankenden Milchpreisen.
Das Klimaproblem ist globaler Natur, aber auf globaler Ebene wird es es nur verschleppt, nicht gelöst. Es ist Zeit für eine Renaissance eines vergessenen Slogans: global denken, lokal handeln. Dass sich die Welt in Kopenhagen dennoch wahlweise - je nach Standpunkt - frustrieren oder in Sicherheit wiegen lässt, wird höchstens einen guten Nebeneffekt haben: Es wird klar werden, dass die armen Länder vollkommen zu Recht darauf beharren werden, dass die westlich-industrialisierte Welt in der Verantwort steht. Aber einen politischen Mammutgipfel bräuchte es eigentlich nicht, um zu wissen, dass der Mensch die Welt gefährlich aus dem Gleichgewicht zündelt.
Nils Husmann ist "chrismon"-Redakteur.