Beim Internetportal www.das-tut-man-nicht.de können Nutzer Fragen stellen, wenn sie sich nicht sicher sind, ob eine Angelegenheit in gesellschaftlicher, moralischer, ethischer, sozialer oder religiöser Sicht in Ordnung ist oder eben auch nicht. Experten beantworten die ausgewählten Fragen. Wir stellen jede Woche ein Problem samt Antwort zur Diskussion.
Die Frage:
Mein 12-jähriger Sohn hat sich mit einem Jungen aus seiner Klasse angefreundet, der aus einer sozial schwachen Familie stammt. Von meinem Sohn weiß ich, dass beide Eltern arbeitslos sind und den größten Teil des Tages vor dem Fernseher verbringen. Das Kind ist sich selbst überlassen. Darf ich meinem Sohn ausreden, seinen neuen Freund zu besuchen, da ich ihn von schlechten Vorbildern fernhalten möchte?
Die Antwort von Paul Nolte, Präsident der evangelischen Akademie in Berlin:
Entschieden: Nein, das tut man nicht. Ihre Sorgen um die Entwicklung und den angemessenen „Umgang“ ihres Sohnes in allen Ehren – ein Teil Ihrer Sorge gilt gewiss eher sich selber, und ihrem 12-jährigen Sohn wird diese Beziehung, auch wenn sie ein paar Extra-Stunden vor dem Fernseher einschließen sollte, nicht nachhaltig schaden. Die Chance aber, dem Freund ihres Sohnes durch diese Beziehung zu Ihrer Familie etwas Gutes zu tun, sollten Sie sich nicht entgehen lassen (ohne sich dabei sozialpädagogisch aufzuplustern). Um es offen zu gestehen: Ich würde mein zweijähriges Kind nicht in eine solche Familie zur regelmäßigen Tagesbetreuung geben. Aber hier liegen die Dinge anders. Ein 12-jähriger ist schon sehr gefestigt in seinen Werten und Verhaltensweisen; eine Chipstüte zuviel bringt ihn nicht auf eine kriminelle Karriere. Warum nicht danach fragen, ob der Freund auch zu Ihnen ins Haus kommt, zum Abendessen bleibt: Dann gewinnen Sie einen Eindruck von ihm, und der Freund lernt vielleicht etwas kennen, was ihm gefällt und was er wiederum nach Hause trägt. Und umgekehrt: Mit zwölf Jahren ist ihr Sohn noch jung genug, dass Sie ihn mal unauffällig bei der anderen Familie abliefern oder wieder abholen. Warten Sie nicht draußen im Wagen, sondern klingeln Sie, begrüßen Sie die Eltern, bitten Sie beiläufig darum, den Fernseher leiser zu stellen, solange Sie sich unterhalten. Wenn wir dazu beitragen, solche sozialen Barrieren in die nächste Generation hinein zu verstärken, leben wir in 20 Jahren in einer Gesellschaft, deren getrennte Lebenswelten an heutige Schwellenländer erinnern. Leider ist das Szenario dieser Frage schon jetzt unwahrscheinlich genug. Denn Kinder verfügen über einen siebten Sinn für die "feinen Unterschiede". Sie müssen sich das "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" meist gar nicht erst von den Eltern sagen lassen.
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