Die "starke Gleichgültigkeit" der Kirchen während des Nationalsozialismus in Deutschland sei viel schlimmer gewesen als antijudaistische Aussagen, sagte Wendebourg am Donnerstagabend in Erfurt auf dem "Luther-Disput" der Tageszeitung "Thüringer Allgemeine".
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Die Berliner Theologieprofessorin diskutierte mit dem Vorsitzenden der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, Reinhard Schramm, über die Haltung des Reformators Martin Luthers zum Judentum. Luther habe in seinen Schriften den Antijudaismus der damaligen Zeit "auf die Spitze getrieben", sagte Schramm. "Luther musste man in der NS-Zeit nicht missbrauchen, sondern nur benutzen." Die Auswirkungen seien fatal gewesen.
Die "furchtbaren praktischen Vorschläge" Luthers zur Zerstörung der religiösen und materiellen Existenzgrundlagen der Juden bezeichnete Schramm als unverzeihlich. Die Haltung des Reformators in dieser Frage sei menschenverachtend und lasse sich nicht entschuldigen. Mit seiner Autorität hätte Luther auch gegen den damaligen Judenhass angehen können. Sein Hass gegen die Juden sei "sehr schwer zu ertragen", fügte Schramm hinzu.
Wendebourg sagte, die Schriften des Reformators von 1543 zum Judentum seien "eine schwarze Geschichte", an der es nichts abzuschwächen gebe. Antijudaismus und Antisemitismus seien zwei Varianten des Judenhasses mit unterschiedlichen Begründungen, "aber mit den gleichen fatalen Folgen". Schramm warnte in diesem Zusammenhang, die Unterscheidung dürfe nicht zu einer Relativierung führen. Mit Blick auf das Reformationsjubiläum 2017 müsse auch das Versagen der Kirchen in der NS-Zeit "geklärt werden".