Diese Komödie ist ein großartiges Beispiel dafür, wie aus einer Ein-Satz-Handlung ein Film von bemerkenswerter Komplexität werden kann. Jens Urban (Buch) und Manfred Stelzer (Regie) haben aus dem gleichnamigen Roman von Matthias Sachau eine wunderbare Geschichte mit liebenswerten, großartig gespielten Hauptfiguren und immer wieder neuen Überraschungen gemacht. Dabei ist das Grundgerüst denkbar schlicht: Moritz, ein leicht gescheiterter großherziger Musikjournalist, lässt sich überreden, seine frühere Freundin Ines zu heiraten. Sie ist Finanzvorstand und muss nun dank der Scheinehe viel weniger Steuern zahlen. Als sich Moritz’ neuer Nachbar ausgerechnet als der zuständige Finanzbeamte des Ehepaars entpuppt, droht der Schwindel aufzufliegen, zumal Ekkehard Stöckelein-Grummler bei Steuersündern kein Pardon kennt.
Romantischer Beamter will Beziehung retten
Vermutlich wäre der Film auch dann noch sehenswert, wenn Urbans Drehbuch nicht so viele herrliche Einfälle zu bieten hätte, weil schon allein das Ensemble ausgezeichnet miteinander harmoniert: Sämtliche Figuren sind perfekt besetzt. Dass Florian Lukas und Diana Amft auf den ersten Blick nicht zusammen zu passen scheinen, macht die Beziehung zwischen dem Paar sogar noch glaubwürdiger, zumal Amft für ihre Verhältnisse stark zurückgenommen agiert. Ähnlich wichtig sind die Figuren an ihrer Seite; die attraktive Tabea Bettin (als Moritz’ Freundin Vanessa) zum Beispiel empfiehlt sich dringend für weitere Aufgaben.
Star des Films ist trotzdem Ludger Pistor, der unter der Regie von Manfred Stelzer schon einige schöne Rollen gespielt hat ("Ein Schnitzel für drei"). Sein gerade auch körpersprachlich mit viel Feingefühl verkörperter Finanzbeamter entspricht bis ins Kleidungsdetail dem Bild des typischen Spießers. Allerdings verbindet ihn mit Moritz eine große Jazz-Leidenschaft. Außerdem ist der Nachbar mit der sanften Stimme durch und durch Romantiker, weshalb er nur ein Ziel kennt, als sich das Paar eine veritable Scheinehekrise nimmt: die Beziehung retten. Davon abgesehen gibt es ein nicht ganz unwichtiges Detail im Leben des Nachbarn, das ihn schließlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt.
Ohnehin zeigt sich Urbans Geschick bei der Adaption des Romans gerade in den scheinbaren Nebensächlichkeiten, etwa bei Moritz’ Broterwerb (im Roman ist er Verkäufer): Er ist nicht etwa Redakteur, sondern arbeitet im Archiv; während alle anderen am Morgen mit dem Aufzug nach oben fahren, führt sein Weg in den Keller.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Viel Freude machen auch die Kleinigkeiten am Rande, wenn Moritz zum Beispiel mit dem halben Briefkasten in der Hand durchs Treppenhaus eilt, weil seine kontaktfreudige Mutter (Ursula Karusseit) drauf und dran ist, sich im Gespräch mit dem Nachbarn zu verplappern. Die gemeinsame Liebe der Männer zum Jazz beschert nicht nur beiden Figuren größere Tiefe, sondern sorgt darüber hinaus für entsprechende Musik. Dass dieser Swing offenbar auch noch Stelzers Inszenierung inspiriert hat, macht "Wir tun es für Geld" endgültig zu einer rundum gelungenen Komödie.