Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die einen finden’s einfallslos, die anderen freuen sich über das Wiedersehen: Die Ostertage sind im Fernsehen die Zeit der Klassiker. Erst recht, wenn die Filme auch noch biblische Geschichten erzählen, wie zum Beispiel "Die zehn Gebote" (Karfreitag, ARD, 14.30 Uhr): Der Monumentalfilm mit Charlton Heston als Moses aus dem Jahr 1956 dauert dreieinhalb Stunden und galt lange als einer der teuersten Filme überhaupt.
Ähnlich legendär und sogar noch länger ist "Cleopatra" (1963). Dass das ZDF diesen Film, der Liz Taylor zumindest filmisch unsterblich machte, zur gleichen Zeit zeigt (ab 13.30 Uhr), ist nur deshalb kein Ärgernis, weil Arte die tragische Romanze zwischen der schönen Pharaonin und Marcus Antonius am Ostersonntag um 20.15 Uhr wiederholt.
Den römischen Feldherrn verkörpert Richard Burton; während der Dreharbeiten begann die langjährige Liebesbeziehung des Paars. Burton spielt auch die Hauptrolle in einem weiteren Klassiker mit Bibelbezug: "Das Gewand" (1953, Sonntag, 3sat, 20.15 Uhr) schildert die Läuterung des römischen Tribuns Marcellus Gallio, der die Kreuzigung Jesu überwachen soll, beim Würfelspiel dessen Gewand gewinnt, vorübergehend und voller Schuldgefühle in Agonie verfällt, nach einigen Wirrungen Christ wird und schließlich das Evangelium verbreitet.
Weitere Kindheitserinnerungen weckt zumindest beim älteren Teil des Publikums die "Winnetou"-Trilogie im ZDF (Karfreitag um 11.35 Uhr, Sonntag um 10.15 Uhr, Montag um 11.00 Uhr). Ebenfalls Familienfernsehen im besten Sinne ist die sechsteilige zweite Staffel der fesselnden schwedischen Neuverfilmung von Astrid Lindgrens Klassiker "Ronja Räubertochter" (Sonntag ab 17.05 Uhr, Montag ab 17.50 Uhr).
Höhepunkt der deutschen Eigenproduktionen ist der ZDF-Fernsehfilm "Das gläserne Kind" (Freitag, 21.15 Uhr): Das von den beiden Hauptdarstellerinnen Katharina Böhm und Hanna Plaß vorzüglich gespielte Drama erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die als Kind und Teenager stets im Schatten ihres älteren behinderten Bruders stand. Nach seinem Tod hat sie in Boston studiert und jeden Kontakt abgebrochen; die Mutter weiß nicht mal, dass sie seit Jahren Oma ist. Als die Tochter zurückkehrt, finden die Frauen zögerlich wieder zueinander. Der Film erzählt mit viel Empathie von Geschwisterliebe und Überforderung; die Erinnerungen an den verstorbenen Bruder sind auch handwerklich sehr berührend in die Gegenwarthandlung integriert. Ebenfalls sehenswert ist die zweite neue Episode aus der ARD-Reihe "Praxis mit Meerblick" (Freitag, 20.15 Uhr): Die Tragikomödien verknüpfen regelmäßig auf sehenswerte Weise Anspruch und Unterhaltung; die von Tanja Wedhorn als Ärztin mit viel Empathie verkörperte Hauptfigur ist ein leuchtendes Vorbild für Engagement ohne Eigennutz.
Sendungen religiösen Inhalts sind bei ARD und ZDF dagegen aus unerfindlichen Gründen gut versteckt. Am Karfreitag geht ZDFinfo um 7.45 Uhr im Rahmen der Reihe "forum am Freitag" der Frage nach, ob Jesus tatsächlich der Sohn Gottes war oder "nur ein Prophet". Im Gespräch mit der muslimischen Theologin Hamideh Mohagheghi und dem christlichen Theologen Wolfgang Reinbold spricht Moderator Abdul-Ahmad Rashid über die unterschiedlichen Rollen, die Jesus in der Bibel und im Koran spielt. Muslime betrachten ihn als Propheten; interessanterweise wird er im Koran dennoch häufiger erwähnt als Mohammed. Dies zeigt die hohe Wertschätzung, die Jesus im Islam genießt.
Ebenfalls am Karfreitag stellt die Reportage "Leben ist mehr!" (13.15 Uhr, ZDF) "Soul Food" vor. So laute der Name einer Trauergruppe für junge Menschen, die von einem Berliner Kirchenkreis organisiert wird. Zu diesem Thema passt auch eine Sendereihe, die das ZDF am Sonntag um 18.30 Uhr mit dem dritten Teil beendet: "Wie viel Tod gehört zum Leben?" Sie geht Fragen nach, mit denen wir früher oder später alle konfrontiert werden: Gibt es gutes Sterben? Können wir uns auf unser Sterben vorbereiten? Wie erleben Sterbende ihre letzten Wochen? Antworten hat Leon Windscheid unter anderem im Münchner Klinikum Großhadern gesucht, dort hat er eine Palliativpflegerin einen Tag lang bei ihrer Arbeit begleitet. In der letzten Folge stellt er einen der jüngsten Bestatter Deutschlands vor.
Am Ostermontag beschließt das ZDF den Reigen religiöser Sendungen mit einer weiteren Reportage: "Kirche zu – was jetzt?" (17.30 Uhr). Immer mehr Kirchen schließen, oft gegen den Willen ihrer Gemeinden. Doch was passiert mit den Menschen, die diese Orte geprägt haben? Autorin Henrike Kolletzki zeigt Fallbeispiele in unterschiedlichen Orten Deutschlands, in denen sich Menschen für ihre Kirchen einsetzen und sie anders nutzen wollen.
Spätestens am Montagabend kehrt das Fernsehen zur Normalität zurück, allerdings zumindest im "Ersten" mit einem Film, der sehr empfehlenswert ist. "Im Wahn" (20.15 Uhr), ein "Tatort" mit Wotan Wilke Möhring, behandelt ein gleichermaßen brisantes wie hochaktuelles Thema: Im Schutz einer dichten Menschenmasse tötet ein Messerstecher am Bahnhof in Hannover zwei Menschen. Die Kripochefin lässt die Ermittlungen durch eine KI-gestützte Investigations-Software unterstützen. Die Künstliche Intelligenz führt tatsächlich zum Täter, der Fall scheint geklärt; aber der Krimi ist zu diesem Zeitpunkt erst dreißig Minuten alt, und führt die Geschichte in eine völlig andere Richtung.