In Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina sei die Volksgruppe der Roma existenziellen Bedrohungen ausgesetzt, sagte die Leiterin der Abteilung Menschenrechtspolitik, Petra Follmar-Otto, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Die pauschale Behauptung, Verfolgung finde in diesen Ländern nicht statt, macht deutlich, dass die schwerwiegenden Diskriminierungstatbestände von der Bundesregierung nicht ausreichend berücksichtigt werden", sagte sie.
###mehr-artikel###
Innenminister de Maizière will dem Kabinett in der kommenden Woche seinen Gesetzentwurf zur Aufnahme der drei Länder auf die Liste der sicheren Herkunftsstaaten vorlegen. Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern können dann in einem schnelleren Verfahren als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt werden. Die große Koalition reagiert damit auf einen Anstieg der Asylbewerberzahlen aus den Balkanstaaten, deren Anträge meist scheitern.
Follmar-Otto sagte, jeder Flüchtling habe das Recht auf ein individuelles Verfahren. Das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten sei vor diesem Hintergrund schon an sich problematisch. "Es ist innerhalb dieses Verfahrens sehr schwierig, erfolgreich darzulegen, dass eine Verfolgung vorliegt", sagte sie.
In Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina fehle Roma häufig der Zugang zu elementaren sozialen Rechten wie Trinkwasser und Sanitärversorgung, Wohnen, Bildung, Arbeitsmarkt und Gesundheitssystem. "Hinzu kommt, dass viele Roma in diesen Ländern das Problem der Staatenlosigkeit haben und dadurch ihre bürgerlichen Rechte nicht wahrnehmen können", sagte Follmar-Otto. Immer wieder seien sie auch gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt, vor denen staatliche Behörden sie unzureichend schützten.
"Es kann in Einzelfällen also immer wieder dazu kommen, dass die verschiedenen Einschränkungen von Menschenrechten kumulativ eine so existenzielle Bedrohung darstellen, dass man auch von Verfolgung im Sinne des Flüchtlingsrechts sprechen muss", sagte die Menschenrechtsexpertin. Diese kumulative Verfolgung sei im europäischen Asylrecht vorgegeben und auch im deutschen Aufenthaltsgesetz inzwischen aufgenommen. "Durch verkürzte Verfahren besteht einfach die Gefahr, dass diese kumulative Verfolgung gar nicht erkannt werden kann", sagte Follmar-Otto.
Follmar-Otto appellierte an den Bundestag, das Gesetz intensiv zu prüfen. Neben dem Parlament muss auch der Bundesrat der Erweiterung der Länder-Liste zustimmen.